Anschläge von Paris

Zeichen gegen den Terror

Bundestagspräsident Norbert Lammer (CDU), Bundespräsident Joachim Gauck, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und der Vorsitzender der Türkischen Gemeinde zu Berlin, Bekir Yilmaz, haken sich bei einer Mahnwache für die Opfer der Anschläge in Frankreich vor dem Brandenburger Tor in Berlin unter.
Vereint und solidarisch: Politiker und Religionsvertreter vor dem Brandenburger Tor. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Adolf Stock · 18.01.2015
Muslimische Verbände in Deutschland haben sich schon oft vom islamischen Terror der vergangenen Jahre wortreich distanziert. Nach den Anschlägen von Paris wollten sie in aller Stille ein Zeichen setzen - mit einer Mahnwache vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Es ist 18 Uhr. Zum Auftakt der Mahnwache singt ein muslimischer Prediger. Später liest er Vers 32 aus der 5. Sure des Korans:
"Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne dass es einen Mord begangen oder auf der Erde Unheil gestiftet hat, so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte."
Die humane Botschaft soll alle erreichen: Der Islam ist eine friedliche Religion. Sie hat mit Terror nichts zu tun. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, begrüßt alle Teilnehmer der Mahnwache und sucht den Schulterschluss mit allen Religionen:
"Wir haben eben eindrucksvoll Verse aus dem Koran gehört. Die Thora, das Evangelium, der Koran, Humanismus und Aufklärung. Sie alle sprechen von der Würde des Menschen, jedes Menschen, die es zu achten und zu verteidigen gilt, damit beginnt unser Grundgesetz."
Aiman Mazyek steht auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor, das in den Farben der Trikolore leuchtet: Blau, Weiß und Rot. Der Terror in Paris hat die Grande Nation zusammengeschweißt. Das ist jetzt auch vor dem Brandenburger Tor zu spüren. Die Französin aus dem Elsass, die schon lange in Berlin lebt, ist mit ihren Besuch aus Frankreich zur Mahnwache gekommen:
"Dann aber zu zweit (singen ein Lied). Also, der Autor wollte direkt die Attentäter ansprechen. Und er sagt: Aber wo ist denn Charlie? Charlie ist ja inzwischen in Frankreich nicht nur Charlie Hebdo, aber es ist die Toleranz, es ist die Republik, es sind unsere Werte. Und dann also sagt er, aber wo ist denn Charlie? Und dann kommt das Letzte: Du hast deine Religion verschmutzt."
Aufstehen gegen den Terror
Die Franzosen besinnen sich ihrer Werte: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Wie lange wird es dauern, bis die politischen Gegensätze das Land erneut spalten? Le Pen in Frankreich - in Deutschland soll es erst gar nicht so weit kommen.
"Diese Terroranschläge, das ist eine schreckliche Tat, da muss man gegen aufstehen. Und zum andern auch diese andere Form, die da in Deutschland aufwächst. Diese Pegida, das ist natürlich auch eine Gefahr für unsere freiheitlichen Rechte, und dagegen stehe ich hier auf."
Die Anschläge von Paris schüren die Feindseligkeiten. Juden, Muslime und viele Deutsche haben jetzt Angst, Pegida könnte politisch erfolgreich sein.
Mit Religion hat das wenig zu tun. Eine gerade veröffentlichte Studie sagt: Nur jeder vierte Pegida-Anhänger ist Christ, obwohl sie ja das Abendland gegen den Islam verteidigen wollen. Aber vielleicht wollen sie auch ganz was anderes? Gegen die "Lügenpresse" vorgehen, oder der Politik einen Denkzettel verpassen? Egal, Muslime wie Selma Korkmaz, die in Deutschland lebt, fühlen sich angegriffen:
"Wenn Sie meine Kultur anerkennen, dann erkenne ich Ihre auch an, und die Sprache sollte beherrscht werden. Und deshalb, wie die Pegida, irgendein Aufmarsch, natürlich als Muslimin bin ich hier betroffen. Wozu diese Aktion gegen Islam? Ich habe nicht verstanden, was die haben wollen? Wollen die wieder diese Kreuzzüge, oder wie? Aber die Zeiten sind schon vorbei."
Die Kanzlerin ist da. Schon im Vorfeld hat sie gesagt: Der Islam gehört zu Deutschland. Jetzt steht Angela Merkel vor Christian Wulff, der als Bundespräsident diesen Satz schon vor Jahren gesagt hat. Damals wollte die CDU das eigentlich nicht hören. Auf dem Podest stehen auch Vizekanzler Sigmar Gabriel, viele Kabinettsmitglieder und Vertreter der Opposition. Sie alle bleiben heute stumm. Mahnwache. Die Politiker wollen still gedenken. Nur Bundespräsident Joachim Gauck ergreift das Wort:
"Die Terroristen wollten uns spalten. Erreicht haben sie das Gegenteil. Der Terror ist international, aber das Bündnis der Freien und Friedfertigen ist es erst recht. Unser Gegenentwurf zum Fundamentalismus der islamistischen Gewalttäter heißt Demokratie, Achtung des Rechts, Respekt voreinander, Wahrung der Menschenwürde, das ist unsere Lebensform."
"Extremismus ist keine Religion"
Politiker und die Repräsentanten des Glaubens fordern Freiheit und Brüderlichkeit. Sie versichern: Die Religionen haben ihre Lektion gelernt. Kein Streit mehr, nur noch friedliches Miteinander oder auch Nebeneinander. Hinter dieser kollektiven Friedfertigkeit hinkt der Islam hinterher, weil sich die militanten Islamisten so nachdrücklich auf den Koran berufen. Ein Demonstrant verteidigt den Islam:
"Für uns ist es ganz klar, Extremismus ist keine Religion. Andere Religionen haben es auch geschafft, die extremistischen Anteile klein werden zu lassen. Aber klar, Extremismus ist keine Religion, und es ist auch ganz klar, dass die Anschläge nicht für den Islam an sich stehen."
Am Ende der Mahnwache hakt sich die Prominenz unter, wie am letzten Sonntag in Paris, als 1,5 Millionen Franzosen auf der Straße waren, um ihre Solidarität mit den Terroropfern zu zeigen. Ein starkes Bild, das um die Welt ging. Ganz im Sinne von Joachim Gauck, der mit protestantischer Kraft den Terroristen entgegenruft:
"Wir schenken Euch nicht unsere Angst. Euer Hass ist unser Ansporn."
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