Anschläge in Kanada

"Das ist unser Nine-Eleven"

Schwer bewaffnete Polizisten in der Nähe des Parlamentsgebäudes in Ottawa
Schwer bewaffnete Polizisten in der Nähe des Parlamentsgebäudes in der kanadischen Hauptstadt © Lars Hagberg, AFP
Christian Lammert im Gespräch mit Marianne Allweiss und André Hatting · 23.10.2014
Ein friedliches, weltoffenes, multikulturelles Land - das war Kanada in den Augen der meisten. Entsprechend tief sei die kanadische Gesellschaft durch die Attentate der vergangenen Tage erschüttert worden, meint der Nordamerika-Experte Christian Lammert.
Nicht nur wer Michael Moores "Bowling for Columbine" gesehen hat, hat das Bild von Kanada als einem friedlichen, weltoffenen Multikulti-Land im Kopf, dessen Bewohnter nachts ihre Häuser nicht abschließen. Umso schockierter sind viele über die Anschläge der letzten Tage in Ottawa, bei denen mehrere Menschen getötet wurden.
Klischeehaftes Kanada-Bild
"Kanada ist wirklich tief erschüttert", sagt der Nordamerika-Experte Christian Lammert von der Freien Universität Berlin. Die ersten Reaktionen der kanadische Reporter seien gewesen: "Das ist unser Nine-Eleven."
Nachdem am Montag bereits in Montreal ein mutmaßlicher radikaler Islamist zwei Soldaten mit einem Auto überrollt hatte, wurde am Mittwoch in Ottawa zunächst ein Wachsoldat vor einem Kriegerdenkmal erschossen. Später drang ein Bewaffneter ins Parlamentsgebäude ein, wurde jedoch nach einem Schusswechsel von Sicherheitskräften getötet
Für den Politikwissenschaftler kommen die Anschläge offenbar weniger überraschend als für viele andere. Am gängigen Kanada-Bild sei "schon viel Klischee", sagt er. So habe Kanada im Kampf gegen den Terror den schnellen Schulterschluss mit der Bush-Administration geprobt und sei damit auch mögliches Ziel von Anschlägen.
Gleichzeitig habe man aber weiterhin das Bild von der offenen Gesellschaft und "peace-keeping-nation" gepflegt und auch nach außen transportiert: "Man konnte im Fahrwasser der USA mitfahren und war trotzdem nicht im Wind."
Einstiges Erfolgsmodell Mulitkulturalismus in der Krise
Als das erste Land, das offiziell eine Politik des Mulitikulturalismus eingeführt habe, sei Kanada es natürlich gewohnt mit Integrationsproblemen umzugehen, so Lammert weiter.
"Das war so lange Zeit ein Erfolgsmodell, aber man sieht, wie das jetzt aufbricht, wo wir mehr Immigranten haben, die unter die Kategorie der 'visible minorities' fallen und jetzt natürlich auch immer mehr Moslems auch in dem Land sind."
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