"Anonymus"

09.11.2011
Roland Emmerich zieht es für eine Shakespeare-Soap nach England: "Anonymous" erzählt von einem Adligen, der als Ghostwriter Klassiker wie "Hamlet" verfasst.
USA 2011; Regie: Roland Emmerich; Darsteller: Rhys Ifans, Vanessa Redgrave, Joely Richardson, David Thewlis, Xavier Samuel, Sebastian Armesto, Rafe Spall, Edward Hogg, Jamie Campbell Bower; Länge: 129 Minuten

Seit Jahren hatte Roland Emmerich sein Lieblingsprojekt vorbereitet, das anders, als der fertige Film nun aussieht, wohl wirklich einen Denkmalssturz vor gehabt hatte. William Shakespeare (oder Shakespere in der alten Schreibweise) sei wirklich nur ein Dorfschüler, mittelmäßiger Schauspieler und Aufschneider gewesen und keinesfalls der Verfasser der 36 heute noch als Krone der Dramatik geltenden Tragödien und Komödien und über 150 kunstvoller Sonette.

In dem kunsthistorischen Streit um den waren Verfasser der Werke gedachte Emmerich kraftvoll Partei zu ergreifen, und er stellt am Anfang einen heutigen König des Shakespeare-Theaters, den Schauspieler Derek Jacobi, auf eine Broadway Bühne, um voll Leidenschaft eine alte Geschichte aufzurollen, die 500 Jahre zurück ins mittelalterliche London geht. Aus der Vogelperspektive stürzt sich die Kamera in die per Computeranimation eindrucksvoll erschaffene archaische Welt, in der um Königin Elisabeth I. (Vanessa Redgrave/ Joely Richardson) die Diadochenkämpfe um die Nachfolgeschaft auf dem Thron toben.

Hin und her gerissen zwischen intriganten Beratern und ihrer wahren Leidenschaft fürs Theater und den kultivierten 17. Earl of Oxford, Edward de Vere (Rhys Ifans), sind wir mitten in einem Shakespeare Drama, das auf verschiedenen Zeitebenen und mit einer Fülle von Personen in rasantem Tempo auf blättert, wie es wirklich gewesen sein könnte mit Elisabeths heimlichen Lieben und natürlich der Autorenschaft jener Werke, die nicht nur damals reiche wie arme Londoner in Scharen ins Theater an der Themse zog.

In Roland Emmerichs so visuell bestechendem Tableau ist Edward de Vere in der düsteren, voller Rachegelüste und Machtambitionen brodelnden Darstellung durch Rhys Ifans der notgedrungen anonym bleibende Verfasser von Stücken, die er blutenden Herzens einem schurkischen Schauspieler angedient hat, um damit aber wirkungsvoll einzugreifen in die Nachfolgekämpfe um Englands Thron.

Eine plausible Version und eine, die auf größten Unterhaltungswert setzt, und damit auch Zuschauer erreichen kann, die sicher bei der Fülle der Personen und gesellschaftlichen Konflikte schnell die Übersicht verlieren. Dass sich an dem in jeder Position blendend besetzten Film wirklich die Gemüter aus der Wissenschaftslandschaft erhitzen ist allerdings kurios, handelt es sich doch hier um nichts mehr als wirkungsvoll inszeniertes Popkornkino.