Andreas Zick ist Sozialpsychologe und leitet das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Er forscht zu innergesellschaftlichen Konflikten, Menschenfeindlichkeit und Vorurteilen, Diskriminierung und Gewalt. Mit Anna Klein schrieb er das Buch "Fragile Mitte – Feindselige Zustände" über rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014.
Wir müssen über Rassismus reden
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Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock entschuldigt sich dafür, in einem Interview das "N-Wort" zitiert zu haben. Keiner sei vor Rassismus gefeit, sagt der Konfliktforscher Andreas Zick. Er fordert: Raus aus der Polarisierung.
Annalena Baerbock, die Kanzlerkandidatin der Grünen, wollte ihre Empörung über ein Arbeitsblatt in einer Schule deutlich machen, auf dem das rassistische "N-Wort" stand. Dabei benutzte sie dieses Wort in einem Gespräch mit dem Zentralrat der Juden. "Leider habe ich in der Aufzeichnung des Interviews in der emotionalen Beschreibung dieses unsäglichen Vorfalls das Wort zitiert und damit selbst reproduziert", schreibt Baerbock entschuldigend auf Twitter.
In der im August zur Veröffentlichung vorgesehenen Online-Version wird das Wort nun auf Bitten der Grünen mit einem Piepton versehen.
Der Konfliktforscher Andreas Zick schreibt dem "N-Wort" hohes Konfliktpotential zu – "und das ist auch richtig so", wie er sagt. Es gebe immer mehr Menschen nicht-weißer Hautfarbe, die sich durch bestimmte Begriffe herabgewürdigt und missachtet fühlten:
"Das 'N-Wort' ist – das müssen wir alle lernen – ein Wort, das Betroffene schmerzt. Die Sprache verändert sich und unsere Bezeichnungen von Gruppen verändern sich und wir können das auch lernen. Ich glaube, Frau Baerbock hat versucht, das hier klarzumachen und zu sagen: Auch ich bin davor nicht gefeit."
Baerbock zur Heiligen erklärt
Keiner sei vor Rassismus gefeit. Das Problem bei Baerbock sei aber, dass sie zu einer "Heiligen" erklärt worden sei. Jeder "kleine Fehltritt" werde nun als Nachweis gesehen, dass sie gar nicht "heilig" sei. "Aber wir müssen über den Rassismus reden", betont Zick.
Der Forscher sieht sich durch die so genannte Mitte-Studie bestätigt, wonach es auch in der Mitte der Gesellschaft Formen von subtilem Rassismus gebe. Es gehe hier aber nicht um die Frage von "Sprachfreiheit und Sprachpolizei", so Zick. Dass Gruppen nun Baerbock einen "Tabubruch" vorwerfen, wundert ihn nicht. Die Gesellschaft sei polarisiert. "Raus aus der Polarisierung", fordert Zick. Der richtige Weg sei aber nicht, etwas zu verbieten, sondern Menschen davon zu überzeugen, dass bestimmte Wörter beschädigend seien. Darin sieht er auch ein Aufgabe für Wissenschaft und Forschung.
(bth)