Anna Vinnitskaya beim RSB

Psychodrogen

Die Pianistin Anna Vinnitskaya
Die Pianistin Anna Vinnitskaya © Gela Megrelidze
24.11.2016
Sie waren Zeitgenossen und sind sich Zeit ihres Lebens aus dem Weg gegangen, Richard Strauss und Sergej Rachmaninow. Das RSB und Marek Janowski bringen sie zusammen - Anna Vinnitskaya ist Solistin in Rachmaninows 2. Klavierkonzert.
"Ich wollte mit Josephs Legende den Tanz erneuern. Den Tanz als Ausdruck des Dramatischen!" So beschreibt der Komponist Richard Strauss sein Ziel, nachdem er sein biblisches Tanzprojekt abgeschlossen hatte. Er hat es unmittelbar vor Beginn des 1. Weltkrieg für die "Ballets Russes" von Sergej Diaghilew in Paris komponiert. Von diesem Auftrag war Strauss zunächst gar nicht begeistert gewesen – nur unter Druck und Zwang ging er zu Werke, und bis heute bringt man diesen Komponisten nicht mit Tanzmusik und schon gar nicht mit den Revolutionären um Diaghilew in Verbindung. Dass es sich bei Josephs Legende um eine "Wahnsinnsgeschichte" handelt, könnte Strauss dann doch gereizt haben: Joseph kommt als Sklave zu Potifar, erwirbt sich Wohlwollen. Potifars Frau hat ein Auge auf ihn geworfen – er widersteht. Sie dreht den Spieß um, bezichtigt ihn der versuchten Vergewaltigung – Josef wird ins Gefängnis geworfen. Macht, Widerstand und Unterwerfung - eine zeitlos aktuelle Geschichte.
Zu Gast an diesem Konzertabend, den wir live aus der Philharmonie Berlin übertragen, ist die aus Russland stammende, in Hamburg lebende und unterrichtende Pianistin Anna Vinnitskaya. Sie hatte erst vor einigen Monaten einen wirklich großen Auftritt beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin – im April 2016 spielte sie alle drei Klavierkonzerte Béla Bartóks an einem Abend unter dem scheidenden Chefdirigenten Marek Janowski. Nun kann man gespannt sein auf das hochromantische Klavierkonzert des Exilrussen, der in den USA zu großem Ruhm gelangte. In Zeiten, da präsidiale Männerfreundschaften zwischen diesen beiden Imperien wieder hoch im Kurs stehen, kann diese Musik nicht nur als Psychodroge begeistern, sondern auch als Kommentar zur Weltlage gelten. Anna Vinnitskaya erfüllt die nötigen musikalischen, technischen und biografischen Voraussetzungen, um alle Aspekte dieses Werks zum Leuchten zu bringen. Nicht zuletzt gehörten die Werke Rachmaninows bisher nicht zum Kernrepertoire des Dirigenten Marek Janowski. Es ist spannend zu hören, wie er die beiden Charaktere heute Abend vereint, seinen Liebling Strauss und den "gefühlten Fremdling" Rachmaninow.
Live aus der Philharmonie
Richard Strauss
"Josephs Legende" - Sinfonisches Fragment aus dem gleichnamigen Ballett
"Intermezzo" - Vier sinfonische Zwischenspiele aus der gleichnamigen Oper op. 72
ca. 20.55 Uhr Konzertpause
Sergej Rachmaninow
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 c-Moll op. 18

Anna Vinnitskaya, Klavier
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Marek Janowski