Anleitung für die Suche nach Geschichtsspuren

02.09.2012
Der Vor- und Frühgeschichtsexperte Peter Haupt stellt Wege vor, wie Archäologen die Wechselwirkungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt erforschen. Ihm ist mit "Landschaftsarchäologie" eine gelungene Einführung in das Thema gelungen.
Dort wo heute im Sommer Freizeitsportler wandern oder im Winter Ski fahren, lebten vor etlichen Jahrhunderten kleine Gruppen von Frühmenschen und betrieben Land- und Viehwirtschaft. Am Alpennordkamm auf circa 2000 Metern Höhe wurden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten derart viele Funde über unsere Vorfahren gemacht, dass Forscher heute davon ausgehen: Bereits in der Bronze- und Eisenzeit müssen Menschen hier gesiedelt haben. Eine Annahme, die lange als ausgeschlossen galt und die sich erst mit dem jungen Forschungsgebiet der Landschaftsarchäologie durchzusetzen beginnt.

Die noch junge Wissenschaft untersucht die Wechselwirkungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, erklärt wie Natur und Kultur zusammenhängen. Ein ungemein spannendes und aufschlussreiches Wissenschaftsgebiet, über das der Privatdozent für Vor- und Frühgeschichte Peter Haupt von der Universität in Mainz ein ebenso aufschlussreiches wie gut verständliches Buch geschrieben hat.

Die Stärke des Buches liegt in der klaren und eindeutigen Argumentation. Die zahlreichen Fakten vermitteln sich durch die bewusst schlichte Darstellung besonders schnell und eingängig. Sicher, kein Satz ist zu viel, der Stil ist schnörkellos, doch das tut dem Thema gut. Die einfache und klare Sprache, weit von den Superlativen mancher Archäologiebücher entfernt, vermittelt fundiertes Wissen über Siedlungsbau, Ackerwirtschaft, Rohstoffnutzung, Töpfer- und Kunsthandwerk - all dies Teilbereiche, die die Landschaftsarchäologie beschäftigen.

Das thematische Spektrum geht von klassischer Bodenkunde, der Geoarchäologie, bis hin zur Analyse und Interpretation der verschiedenen Kultur- und Kunsträume. Akribisch wie ein Archäologe Schicht für Schicht abträgt, bespricht der Autor Kapitel für Kapitel alle wichtigen Aspekte seiner Forschungsarbeit wie Messmethoden, Kartierung, Bodenschätze und Botanik.

500 Jahre alte Karten geben zum Beispiel Aufschluss über die ehemalige Nutzung von Wäldern. Harz, Teer und Pechgewinnung im 18.Jahrhundert hinterließen neben großen Brandflächen auch etliche Töpfe und Werkzeuge. In der Antike führte der Schiffsbau in einigen Gebieten sogar zum Aussterben kleinerer Wälder.

Beeindruckend auch die Beschreibungen über Viehzucht auf Waldweiden. Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde und Esel wurden im 15. Jahrhundert meist in die Wälder getrieben und fraßen dort kleine, junge Bäume. Die Folge waren gelichtete Wälder, was zu einem Vegetationswechsel führte. Oft breiteten sich neue Bodenpflanzen aus, aber auch Erosion durch die Tritte von Schafen und Ziegen konnten die Folge einer intensiven Waldviehwirtschaft sein.

Mit den heute auf Stallmast getrimmten Tierrassen hat das ursprüngliche "Waldvieh" nichts mehr gemein. Eines von zahlreichen Beispielen, die dokumentieren, wie Mensch und Umwelt sich gegenseitig beeinflussen, wie Lebensformen, Landschaften und Kulturen sich in ständiger Auseinandersetzung befinden. Diesen Prozess anschaulich zu vermitteln, gelingt Peter Haupt durch seine einfache und solide Analyse. Er schafft ein realistisches Bild vom Leben, der Kultur und dem Lebensraum unserer Vorfahren. Beim Lesen erhält man Zugang zu einer vergangenen Welt, die aber in ihrer Erforschung noch ganz am Anfang steht.

Besprochen von Susanne Nessler

Peter Haupt. Landschaftsarchäologie. Eine Einführung.
Theiss Verlag, Aalen 2012, 224 Seiten, 66 s/w-Abbildungen, 39,95 Euro


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