Anke Domscheit-Berg

"Wer überwacht wird, ist nicht frei"

Netzaktivistin und Guerillastrickerin Anke Domscheit-Berg im Studio von Deutschlandradio Kultur.
Netzaktivistin und Guerillastrickerin Anke Domscheit-Berg im Studio von Deutschlandradio Kultur. © Deutschlandradio - Andreas Buron
Moderation: Ulrike Timm · 10.06.2015
Netzaktivistin, Autorin, Feministin, Guerillastrickerin - Anke Domscheit-Berg ist vielseitig begabt. In Fürstenberg bestrickt sie Bäume, im Netz kämpft sie gegen den "digitalen Totalitarismus", der die "Wurzeln der Demokratie absägt."
Anke Domscheit-Berg ist davon überzeugt, dass Veränderungen möglich sind. Der Fall der Mauer ist für die in der DDR geborene das beste Beispiel. Wie ein zweiter Mauerfall ist für sie das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten. Allerdings warnt sie auch vor den Gefahren der digitalen Welt und fordert mehr Regulierung von staatlicher Seite.
Die Betriebswirtschaftlerin hat jahrelang in großen Unternehmen gearbeitet und setzt sich für mehr Frauen in Führungspositionen ein. In dem brandenburgischen Städtchen Fürstenberg, wo sie lebt, hat die gelernte Textilstrickkünstlerin eine Guerillastrickgruppe gegründet. Bestrickt werden sondern auch Militärflugzeuge, Panzer und die Bäume im Park von Fürstenberg:
"Manche sagen: Der Baum ist doch für sich alleine schon schön. Aber meine Erfahrung mit vielen Menschen, die an solchen bestrickten Bäumen vorbeigehen, ist, dass sie dann erst richtig hingucken. Der Park in Fürstenberg hat auf einmal ganz viele Besucher bekommen. Auf einmal ist da ständig Leben im Park."
Die Rückeroberung des öffentlichen Raums
Mit dieser Open-Air-Kunstgalerie wolle sie die Stadt auch schöner machen, meinte Domscheit-Berg:
"Warum soll man immer in Museen Eintritt zahlen, um einmal schöne Kunst zu sehen. Ich habe ja Kunst studiert. Kunst geht auch mit Textil. Es ist aber auch ein Zurückerobern des öffentlichen Raumes."
Der Kampf für wichtige Grundwerte
Domscheit-Berg sprach auch über ihr Leben als Netzaktivistin in einer digitalen Gesellschaft. Ein Teil ihrer Arbeit gilt dem Kampf gegen den gläsernen Bürger:
"Es gibt ganz viele, die sich zum Beispiel wenig gegen diese massive Überwachung wehren, die wir heute haben. Und die schon den Geruch eines digitalen Totalitarismus hat. Viele wehren sich deshalb nicht, weil sie sagen: 'Ich kann es eh nicht ändern'. Sie fühlen sich ohnmächtig. Ich finde aber, wir müssen uns dagegen wehren. Weil es für mich die Wurzeln der Demokratie absägt."
Damit würden wichtige Grundwerte wie etwa Meinungs- und Pressefreiheit bis hin zur Demonstrationsfreiheit beseitigt werden, meinte Domscheit-Berg
"Ich kann nicht anonym demonstrieren, wenn ich mich einerseits nicht vermummen darf, andererseits über mir eine Drohne kreist, die Fotos macht. Und ich das mit einer Gesichtserkennungs-Software kombiniere. Da bin ich nicht mehr anonym. Wer überwacht wird, ist nicht frei. Und eine Demokratie, die anlasslos alle ihre Einwohner und Einwohnerinnen massenüberwacht, ist keine hundertprozentige freie Gesellschaft mehr."
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