Anjelica Huston

Die ewige Tochter

Die US-Schauspielerin Anjelica Huston 2008 bei einer Galaveranstaltung der Zeitschrift "Time"
Die US-Schauspielerin Anjelica Huston 2008 bei einer Galaveranstaltung der Zeitschrift "Time" © dpa / picture alliance / epa Peter Foley
Von Katharina Döbler · 23.05.2015
Die Schauspielerin Anjelica Huston ist Oscar-Preisträgerin. Bekannt aber ist sie vor allem aus einem Grund: Ihr Vater ist der Regisseur John Huston. Nun blickt sie zurück auf ihr Leben - als Darstellerin und als Tochter.
Unter den vielen glatten Hollywoodschönheiten ist sie eine Ausnahme: Anjelica Huston, Tochter des Großregisseurs John Huston, geboren während der Dreharbeiten zu "African Queen", ist eine ganz eigene Persönlichkeit. Als Schauspielerin verkörpert sie oft morbide, neurotische, zumindest aber schräge Gestalten – dysfunktionale Mütter, missratene Töchter oder schöne Hexen, wie die Matriarchin der morbid-komischen Addams Family. Sie führte auch mehrfach selbst Regie in durchaus unkommerziellen Filmen. Doch trotz ihrer beachtlichen Erfolge sowohl im Komödienfach wie im Drama ist sie in der öffentlichen Wahrnehmung noch heute, als Über-60-Jährige, die ewige Tochter geblieben.
Ihre Autobiografie, die in den USA in zwei Bänden (2013 und 2014) erschien, erzählt viel von diesem Tochter-Sein, von der mal schwierigen, mal innigen Beziehung zu diesem Übervater, aus der sie sich offenbar niemals lösen konnte oder wollte.
Anjelica und ihr ein Jahr älter Bruder waren Hustons Kinder aus der Ehe des über 40-Jährigen mit der damals 18-jährigen Ballerina Enrica Soma. Für die Familie erwarb er einen Landsitz in Irland, den er auf spektakuläre Weise umbauen und ausstatten ließ. Hier, in einem von der Tochter als märchenhaft geschilderten Ambiente, wuchsen die Kinder auf: mit Pferden und Falken, umgeben von Kunst aus allen Teilen der Welt, von Dienstboten, Berühmtheiten und Freunden. Der Vater wohnte, wenn er da war, im Herrenhaus, die Kinder im Anbau. Die junge Mutter, die ihre vielversprechende Karriere aufgegeben hatte, spielte in Hustons Leben bald nur eine der vielen Nebenrollen, die er zu vergeben hatte. Sie starb bei einem Unfall, als Anjelica 17 Jahre alt war.
Hineingeboren in den internationalen Jet-Set
Hineingeboren in den internationalen Jet-Set und befreundet mit anscheinend allen, die im Swinging London der 1960er und im angesagten Aspen der 1970er-Jahre viel Spaß auf wilden Parties hatten, brauchte die verwaiste Huston-Tochter lange, um ihren eigenen Weg vom Partygirl und Model zur Schauspielerei zu finden. Gelegentlich wird hier das anhaltende name dropping zu einem Platzregen, in dem man sich keinen Namen mehr merken kann und die Lebensgeschichte der Autorin in einem bunten Gewusel untergeht.
Bei all den Schilderungen von üppigen Festen, wunderbaren, berühmten Menschen, exquisiten Mahlzeiten und Garderoben, kurz: bei all dem zu erwartenden Glamour gibt es auch ein paar Einblicke in die Welt von Hollywood - und diskret erzählte traurige Liebesgeschichten mit begabten, egomanischen und exzentrischen älteren Männern, von dem Modefotografen Bob Richardson bis Jack Nicholson.
Die Abgründigkeit, die Anjelica Huston in ihren Filmfiguren oft andeutet, ist auch in ihren Memoiren nicht viel mehr als Andeutung geblieben.

Anjelica Huston: Das Mädchen im Spiegel. Autobiografie
Aus dem Englischen von Astrid Finke und Gloria Buschor
Rowohlt, Reinbek 2015
, 685 Seiten, 24,95 Euro