Anja Rützel über Take That

"Ich habe das lange verheimlicht, weil ich cool sein wollte"

07:32 Minuten
Bandfoto der Boyband Take That in Originalformation aus den 1990er Jahren.
Take That sei für sie "überhaupt kein Trash", sagt Anja Rützel, sondern eine "ernste Angelegenheit". © Picture Alliance / Ronald Grant Archive / Mary Evans
Anja Rützel im Gespräch mit Andreas Müller · 15.10.2019
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Mit kitschigen Balladen und synchron getanzten Choreographien verzauberte Take That in den 90er-Jahren eine ganze Generation von Teenagern. Die Journalistin Anja Rützel ist bis heute Fan – und hat ein Buch über ihre Liebe zu der Boyband geschrieben.
Eigentlich sollte Anja Rützel über David Bowie schreiben. Das wünschte sich zumindest ihr Verlag. Herausgekommen ist stattdessen ein Buch über ihre Liebe zur britischen Boyband Take That. "David Bowie cool finden, das ist eine geschmackliche Voreinstellung. Jeder findet David Bowie cool. Take That brauchten mich einfach mehr", so die Journalistin.
Anja Rützel taucht in ihren Texten für "Spiegel Online" regelmäßig in die Untiefen der deutschen Trash-Kultur ein. Ohne Berührungsängste und ironisch treffsicher schreibt sie über das Dschungelcamp, die Fernsehshow "Der Bachelor" oder ein DJ-Bobo-Konzert.
Porträt der Autorin Anja Rützel.
1996 musste Anja Rützel zweimal bitterlich weinen: um ihr eingestelltes Lieblingsmagazin Tempo – und um ihre aufgelöste Lieblingsband Take That.© Powerline Agency / Annette Koroll
Bei der britischen Boyband stünden die Dinge jedoch anders, sagt Anja Rützel: "Take That ist eine ernste Angelegenheit für mich. Das ist verankert in meinem Lebenslauf. Ich habe das lange verheimlicht, weil ich cool sein wollte. Ich habe in Tübingen Kulturwissenschaften studiert, da hörte man nicht Take That." Und eigentlich sei sie mit Mitte 20 schon zu alt für die Band gewesen, die sie über ihre jüngere Schwester kennengelernt hatte.

Keine Scheu vor Kitsch

Bei Bekannten löse ihre Liebe zu Take That nach wie vor Befremden aus, so Anja Rützel. Fan einer schnulzigen Popband zu sein, die ihren Zenit schon lange überschritten habe – wie vermittelt man das? "Es gibt ein paar Lieder, die da gut funktionieren, so wie ‚The Flood‘, das erste Lied nach ihrer Wiedervereinigung. Wenn man sich das Video anschaut, in seiner unglaublichen Erhabenheit, das sich nicht scheut, sich dem totalen Kitsch in die Arme zu werfen, mit einem pathetischen, rätselhaften Text – das ist ein hymnisches Brausen, was einen da mitreißt."
Vor kurzem traf Rützel ihre Helden zum Interview. Eine gute Gelegenheit, die Aufregung pubertierender Fans selbst auch einmal zu erleben: "Als ich anfing, Take That zu hören, war ich ja kein Teenager mehr. Mit Mitte 20 ist man schon ein wenig abgezockter."
Die Aufregung kam im Taxi, auf dem Weg zum Treffen mit den Musikern, erzählt die Journalistin. "Das fand ich ganz schön. Das Interview war dann tatsächlich etwas komisch. Es war schon toll, aber ich wusste nicht, was ich sie fragen sollte. Ich weiß ja schon alles – in meinem Herzen."
(rod)

Anja Rützel: Take That
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019
160 Seiten, 10 Euro

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