Angst vor der iranischen Bombe

Rezensiert von Andreas Baum |
Der Iran hält die Weltöffentlichkeit in Atem: Mal leugnet Präsident Ahmadinedschad den Holocaust, mal droht er Israel mit der Vernichtung. Zugleich verdichten sich die Hinweise darauf, dass Teheran an der Entwicklung einer Atombombe arbeitet. Die beiden Journalisten Gero von Randow und Ulrich Ladurner klären in ihrem Buch "Die iranische Bombe" über die Hintergründe des Atomkonflikts mit dem Iran auf und schlagen mehrere Auswege vor.
Der iranische Präsident Machmud Achmadinedschad hat gute Chancen, Mann des Jahres 2006 zu werden. Sein Konterfei ziert alle großen Nachrichtenmagazine der Welt, man kann ihm nicht vorwerfen, schlechte Marketingberater zu haben. Ein Grund dafür ist, dass er es wie kein anderer versteht, mit der Angst der Welt vor der Atombombe in den Händen eines unberechenbaren Regimes zu spielen. Unabhängig davon, ob Iran wirklich die Bombe bauen will, oder mit dieser Machtdemonstration anderes erreichen will - kaum ein Laie weiß, wie gefährlich Achmadinedschad wirklich ist.

Furcht ist kein guter Ratgeber, sagen Gero von Randow und Ulrich Ladurner, widmen ihr Buch der Aufgabe, den Iran und sein Atomprogramm zu verstehen, aber auch die Interessen und Möglichkeiten all der Länder, die sich an diesem Spiel beteiligen.

Beide Autoren sind Journalisten. Gero von Randow ist lange Redakteur im Ressort Wissen und im Ressort Politik der "ZEIT" gewesen. Heute ist er Chefredakteur von "Zeit-online". Er fällt und fiel immer wieder durch Leitartikel auf, in denen er, den Zeitgeist herausfordernd, versucht, die Atomenergie schön zu reden. Gern schimpft er auf "Denkverbote", die es in unserer Gesellschaft seit der Ära der Anti-Atomkraft-Bewegung gebe, gebetsmühlenhaft preist er die vermeintlichen Vorzüge dieser Technik: Versorgungssicherheit, Umweltschutz, usw. Die Nachteile, die die Atomkraft hat, also das Risiko eines Unfalls und die ungelöste Frage eines Endlagers für strahlende Abfälle, redet von Randow in der Regel klein.

Eigentlich kann Gero von Randow nicht dagegen sein, dass auch der Iran die Atomkraft friedlich nutzt. Und dieses Buch ist durchaus als Versuch zu verstehen, den Weg dorthin argumentativ zu ebnen. Der zweite Autor, Ulrich Ladurner, ist Auslandsredakteur bei der "ZEIT" und hat sich auf die Berichterstattung aus dem Iran, dem Irak, Afghanistan und Pakistan spezialisiert. Er liefert dem Buch die Kenntnisse bei, die man braucht, um das fragile Gleichgewicht der Region zu verstehen, auch mancher Exkurs in die Historie Persiens sind zweifellos ihm zu verdanken.

Dieses Buch will erklären und Wissen vermitteln. Es versucht nach und nach, die Fakten zu klären, die man kennen muss, um sich einer Beurteilung dieser schwierigen Frage überhaupt nähern zu können. In einem Kapitel wird sehr anschaulich dargestellt, wie die Anreicherung von Uran funktioniert, welche Methoden es gibt, und wie man diese kontrollieren kann. Die Autoren schließen hieraus, dass der Iran, wenn man das Land gewähren ließe, etwa fünf bis zehn Jahre von einer einsatzfähigen Bombe entfernt ist. Da Bombe nicht gleich Bombe ist, auch das lernen wir in diesem Buch, ist allein entscheidend, wann Teheran die Technik hat, um Israel nuklear zu bedrohen - denn damit könnte das Regime die gesamte westliche Welt erpressen.

Ein weiteres Kapitel widmet sich der Arbeit der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, gewürdigt wird vor allem das Werk des Leiters, Mohammed El Baradei. Die Autoren sprechen voller Ehrfurcht vor dieser Behörde, kompetent sei sie und unbestechlich; diese Behörde ist quasi unerlässlich dafür, Atomenergie auf der ganzen Welt friedlich zu nutzen, ohne dass Potentaten heimlich Bomben damit bauen.

Sehr hilfreich ist auch der Abschnitt, in dem die innere Logik der iranischen Politik erklärt wird. Randow und Ladurner argumentieren, dass das iranische Regime kaum etwas anderes übrig bleibt, als nach der Bombe zu streben. Denn seit dem 11. September 2001 wurde es von zwei Seiten vom Erzfeind USA quasi eingekreist, in zwei angrenzenden Ländern, Afghanistan und dem Irak, stellen sie die Besatzungsmacht. Gleichzeitig hat das Wort der "Achse des Bösen" von US-Präsident Bush viel Unheil angerichtet. Denn einerseits muss Iran damit rechnen, von den USA angegriffen zu werden, ebenso wie der Irak. Gleichzeitig ist offenkundig, dass Länder wie Nordkorea, bei denen die Atombombe vermutet wird, vor Regimewechsel-Kriegen sicher ist. Und Atommächten wie Pakistan wird der Status einer Regionalmacht zugestanden, auch wenn sich dort niemand um Demokratie und Menschrechte schert. Auch die Tatsache, dass das Regime sehr um die Sympathie der eigenen Bevölkerung buhlen muss, erklärt, warum es immer wieder die Rede auf die populäre "islamische Bombe" bringt.

Am Ende zeichnen die Autoren vier mögliche Szenarien und geben sieben Empfehlungen, wie darauf zu reagieren ist. Man kann dem Buch nicht vorwerfen, dass es sich um konkrete Rezepte herumdrückt. Als beste aller Lösungen wird empfohlen, dem Iran die friedliche Nutzung der Atomenergie zuzugestehen – nach internationalem Recht hat das Land dazu ohnehin das Recht – das Land aber gleichzeitig zu kontrollieren, indem man sich dem Regime annähert. Dazu gehört es, dem Iran das Recht zuzugestehen, sich zur Regionalmacht zu entwickeln – mit politischem und ökonomischem Einfluss auf die Nachbarländer, aber auch mit dem Verzicht darauf, wie bisher im Nahost-Konflikt einzugreifen. Derart profiliert, hätten es Demagogen wie Achmadinedschad nicht mehr so nötig wie bisher, sich mit vulgär-radikalen Losungen die Sympathie der Massen zu erschleichen. Eine selbstbewusste iranische Regierung wäre berechenbarer und das Vertrauen wert, das nötig ist, um Atomkraftwerke zu betreiben.

Dass die Nutzung der Atomkraft in Diktaturen und Entwicklungsländern für Randow und Ladurner kein Problem an und für sich zu sein scheint, ist kritisch anzumerken. Wie arme Länder Sicherheitsprobleme und das der Atommüllendlagerung lösen sollen, wird nicht einmal erörtert, viel zu selbstverständlich gehen die Autoren davon aus, dass Kernkraft eine gute Sache ist. Dennoch ist dies ein ausgesprochen lesenswertes Buch. Denn es gibt dem Leser viele Argumente und Wissen an die Hand, das unerlässlich ist, um den Konflikt um die iranische Bombe umfassend zu verstehen: Ein gut geschriebenes Nachschlagewerk, egal welche Position man im Streit um die iranische Bombe einnehmen möchte.

Gero von Randow und Ulrich Ladurner: Die iranische Bombe. Hintergründe einer globalen Gefahr
Hoffmann und Campe
174 Seiten, 14,95 Euro