Angst vor dem Theater
Eigentlich ist derzeit Hochsaison für die Theater in Argentinien. Doch das Grippevirus H1N1 macht vielen Intendanten und Kinobetreibern einen Strich durch die Rechnung. Die Menschen befürchten, sich anzustecken - und bleiben öfter zu Hause.
Inzwischen können die Argentinier wieder über das Grippe-Virus lachen, das sich so leicht verbreitet hat - "vom Taxifahrer auf dessen Frau, von ihr auf den Friseur, von diesem auf den Künstler, der dieses Lied hier singt".
Vor gut vier Wochen ist ihnen allerdings das Lachen vergangen, als der Gesundheitsminister verkündete, dass wahrscheinlich 100.000 Personen von dem Erreger infiziert und bereits 60 Menschen gestorben seien und im übrigen Argentinien nach den USA das von der Influenza am schlimmsten heimgesuchte Land wäre. Trotzdem reagierte die Regierung relativ gelassen: Sie hatte aus den Erfahrungen in Mexico gelernt, wo das Virus im Mai ausgebrochen war.
Dort hatten die Verantwortlichen zu drastischen Maßnahmen gegriffen und für drei Wochen alle Kinos, Theater und Clubs geschlossen, Fußballspiele und überhaupt alle größeren Versammlungen verboten. In den Restaurants durfte nur an jedem zweiten Tisch bedient werden und das Personal servierte mit Mundschutz und Gummihandschuhen, was den Leuten den Appetit verdarb. Die Argentinier griffen zu moderaten Methoden. Im staatlichen TV Pública hieß es:
"Die Provinz Buenos Aires erklärte den Gesundheitsnotstand. Die Schulen im Großraum Buenos Aires bleiben vom 6. Juli bis 3. August geschlossen. Es werden jedoch keine größeren Ansammlungen von Leuten untersagt. Auch werden keine Kinos und Fußballstadien geschlossen. Bürgermeister Macri erläuterte, dass ein koordiniertes Vorgehen gegen die Grippe A nötig sei und dass Sondermittel bereit gestellt würden, um sie zu bekämpfen."
Koordiniert waren die Schutzmaßnahmen kaum zu nennen. Jeder machte eigentlich, was er für richtig hielt. Das Nationale Filminstitut schloss seine Filmkunsttheater. Mehrere große Kinoketten ließen nur Zuschauer bis zur Hälfte der Kapazität in die Säle und verstärkten die Hygiene-Maßnahmen. Die multinationalen Verleiher verschoben die geplanten Premieren ihrer Blockbuster, als sie feststellten, dass das Publikum wegblieb. Eine Bilanz von Diego Batlle, dem Herausgeber der Internet-Filmzeitschrift OtrosCines:
"In den fünf Wochen von Anfang Juli bis zum 5. August haben wir 2,5 Millionen Zuschauer verloren, verglichen mit der Anzahl im gleichen Zeitraum des letzten Jahres. Abgesehen von den Auswirkungen der Rezession, dem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten ist dies ein klarer Ausdruck der Angst der Leute, an größeren Veranstaltungen in geschlossenen Räumen teilzunehmen… Es gab deshalb weniger Premieren, und das hat zusammen mit der Angst zu einem Besucherrückgang von rund 40 Prozent geführt."
Auch die Theaterszene hat schwer gelitten. Die kleinen unabhängigen Ensembles spielten zwar weiter, aber an den großen kommerziellen Bühnen ging der Vorhang zehn Tage lang nicht auf. Der Präsident der Vereinigung von 107 Theaterunternehmern, Carlos Rottemberg:
"Hier wiederholt sich das mexikanische Phänomen. Nachdem wir im Juli insgesamt vier Wochen unter dem Grippe-Virus gelitten haben, kommt jetzt das Publikum zurück. Wir erwarten im August gleiche Besucherzahlen wie im letzten Jahr. Doch den Einnahmeverlust im Juli können wir nicht ausgleichen… Deshalb haben wir jetzt die Kampagne gestartet: 'Ohne Theater gibt es keine Stadt'."
Überall in Buenos Aires rufen riesige Plakate die Bonarenser auf, nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für die Gesundung ihrer Theater zu sorgen. Denn es ist zurzeit Winter auf der südlichen Halbkugel. Das bedeutet Kälte in Argentinien, Winterferien und - wie bei uns - Hochsaison für Theater. Wer in dieser Zeit schließen muss, spürt die Folgen bis weit ins nächste Jahr hinein. In Mexico wurden die kommerziellen Theater immerhin dadurch etwas entschädigt, dass sie bis Ende des Jahres keine Mehrwertsteuer zahlen müssen. Von solchen Maßnahmen ist in Argentinien nichts zu sehen. Aber hier sind die Folgen für die Kultur auch weniger dramatisch als in Mexico, wo es drei Wochen lang überhaupt keine kulturellen Aktivitäten gab.
In Buenos Aires kam es sogar zu einem Publikumshit: "Star Wars" forderte die Grippe heraus in einer Ausstellung mit Originalflugmodellen und den Kostümen der Sternenkrieger:
"Trotz der Grippe und der Gesundheitsprobleme haben uns bis jetzt schon mehr als 5.000 Personen, darunter viele Kinder, besucht. Wir sind also sehr zufrieden angesichts der Situation in Argentinien."
Denn das Virus mit der Bezeichnung H1N1 bestimmt das Leben vieler Argentinier in diesem Winter. Eine Lagebeschreibung im Fernsehprogramm von "24 horas":
"Immer mehr Argentinier hoffen darauf, dass endlich der Höhepunkt dieser Krankheit vorüber ist. Sie haben sich zu Hause eingenistet, viele Hotels stehen leer. Allein der Binnen-Tourismus hat einen Rückgang von 20 Prozent erlitten. Die Leute frequentieren die Einkaufszentren, Kneipen und Restaurants sehr viel weniger… Die Einkäufe im Internet sind dagegen um 30 Prozent gestiegen."
Diese Woche haben endlich wieder die Schulen geöffnet, ein weiterer Schritt der Rückkehr ins normale Leben. Aber es wird streng kontrolliert, wer fehlt, und jeder einzelne Fall wird überprüft. Das Erziehungsministerium hat stolz die Anzahl von Gel-Spendern zur Desinfektion der Hände und von Faltblättern über Vorbeugemaßnahmen verkündet. Doch manche Schulen im Großraum Buenos Aires haben ganze fünf Stück Seife für Hunderte von Kindern erhalten. Auch das ist ein Stück argentinischer Realität, zu der das Land zurückkehrt.
Vor gut vier Wochen ist ihnen allerdings das Lachen vergangen, als der Gesundheitsminister verkündete, dass wahrscheinlich 100.000 Personen von dem Erreger infiziert und bereits 60 Menschen gestorben seien und im übrigen Argentinien nach den USA das von der Influenza am schlimmsten heimgesuchte Land wäre. Trotzdem reagierte die Regierung relativ gelassen: Sie hatte aus den Erfahrungen in Mexico gelernt, wo das Virus im Mai ausgebrochen war.
Dort hatten die Verantwortlichen zu drastischen Maßnahmen gegriffen und für drei Wochen alle Kinos, Theater und Clubs geschlossen, Fußballspiele und überhaupt alle größeren Versammlungen verboten. In den Restaurants durfte nur an jedem zweiten Tisch bedient werden und das Personal servierte mit Mundschutz und Gummihandschuhen, was den Leuten den Appetit verdarb. Die Argentinier griffen zu moderaten Methoden. Im staatlichen TV Pública hieß es:
"Die Provinz Buenos Aires erklärte den Gesundheitsnotstand. Die Schulen im Großraum Buenos Aires bleiben vom 6. Juli bis 3. August geschlossen. Es werden jedoch keine größeren Ansammlungen von Leuten untersagt. Auch werden keine Kinos und Fußballstadien geschlossen. Bürgermeister Macri erläuterte, dass ein koordiniertes Vorgehen gegen die Grippe A nötig sei und dass Sondermittel bereit gestellt würden, um sie zu bekämpfen."
Koordiniert waren die Schutzmaßnahmen kaum zu nennen. Jeder machte eigentlich, was er für richtig hielt. Das Nationale Filminstitut schloss seine Filmkunsttheater. Mehrere große Kinoketten ließen nur Zuschauer bis zur Hälfte der Kapazität in die Säle und verstärkten die Hygiene-Maßnahmen. Die multinationalen Verleiher verschoben die geplanten Premieren ihrer Blockbuster, als sie feststellten, dass das Publikum wegblieb. Eine Bilanz von Diego Batlle, dem Herausgeber der Internet-Filmzeitschrift OtrosCines:
"In den fünf Wochen von Anfang Juli bis zum 5. August haben wir 2,5 Millionen Zuschauer verloren, verglichen mit der Anzahl im gleichen Zeitraum des letzten Jahres. Abgesehen von den Auswirkungen der Rezession, dem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten ist dies ein klarer Ausdruck der Angst der Leute, an größeren Veranstaltungen in geschlossenen Räumen teilzunehmen… Es gab deshalb weniger Premieren, und das hat zusammen mit der Angst zu einem Besucherrückgang von rund 40 Prozent geführt."
Auch die Theaterszene hat schwer gelitten. Die kleinen unabhängigen Ensembles spielten zwar weiter, aber an den großen kommerziellen Bühnen ging der Vorhang zehn Tage lang nicht auf. Der Präsident der Vereinigung von 107 Theaterunternehmern, Carlos Rottemberg:
"Hier wiederholt sich das mexikanische Phänomen. Nachdem wir im Juli insgesamt vier Wochen unter dem Grippe-Virus gelitten haben, kommt jetzt das Publikum zurück. Wir erwarten im August gleiche Besucherzahlen wie im letzten Jahr. Doch den Einnahmeverlust im Juli können wir nicht ausgleichen… Deshalb haben wir jetzt die Kampagne gestartet: 'Ohne Theater gibt es keine Stadt'."
Überall in Buenos Aires rufen riesige Plakate die Bonarenser auf, nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für die Gesundung ihrer Theater zu sorgen. Denn es ist zurzeit Winter auf der südlichen Halbkugel. Das bedeutet Kälte in Argentinien, Winterferien und - wie bei uns - Hochsaison für Theater. Wer in dieser Zeit schließen muss, spürt die Folgen bis weit ins nächste Jahr hinein. In Mexico wurden die kommerziellen Theater immerhin dadurch etwas entschädigt, dass sie bis Ende des Jahres keine Mehrwertsteuer zahlen müssen. Von solchen Maßnahmen ist in Argentinien nichts zu sehen. Aber hier sind die Folgen für die Kultur auch weniger dramatisch als in Mexico, wo es drei Wochen lang überhaupt keine kulturellen Aktivitäten gab.
In Buenos Aires kam es sogar zu einem Publikumshit: "Star Wars" forderte die Grippe heraus in einer Ausstellung mit Originalflugmodellen und den Kostümen der Sternenkrieger:
"Trotz der Grippe und der Gesundheitsprobleme haben uns bis jetzt schon mehr als 5.000 Personen, darunter viele Kinder, besucht. Wir sind also sehr zufrieden angesichts der Situation in Argentinien."
Denn das Virus mit der Bezeichnung H1N1 bestimmt das Leben vieler Argentinier in diesem Winter. Eine Lagebeschreibung im Fernsehprogramm von "24 horas":
"Immer mehr Argentinier hoffen darauf, dass endlich der Höhepunkt dieser Krankheit vorüber ist. Sie haben sich zu Hause eingenistet, viele Hotels stehen leer. Allein der Binnen-Tourismus hat einen Rückgang von 20 Prozent erlitten. Die Leute frequentieren die Einkaufszentren, Kneipen und Restaurants sehr viel weniger… Die Einkäufe im Internet sind dagegen um 30 Prozent gestiegen."
Diese Woche haben endlich wieder die Schulen geöffnet, ein weiterer Schritt der Rückkehr ins normale Leben. Aber es wird streng kontrolliert, wer fehlt, und jeder einzelne Fall wird überprüft. Das Erziehungsministerium hat stolz die Anzahl von Gel-Spendern zur Desinfektion der Hände und von Faltblättern über Vorbeugemaßnahmen verkündet. Doch manche Schulen im Großraum Buenos Aires haben ganze fünf Stück Seife für Hunderte von Kindern erhalten. Auch das ist ein Stück argentinischer Realität, zu der das Land zurückkehrt.