Angriff auf Hanoi

Von Otto Langels · 19.12.2006
Als 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, begann in Europa eine jahrzehntelange Epoche des Friedens. In Asien dagegen führten der Ost-West-Konflikt und der Kampf gegen die Kolonialherrschaft zu neuen bewaffneten Konflikten. Besonders betroffen war Vietnam. Dort begann mit einem Angriff vietnamesischer Militärs in Hanoi am 19. Dezember 1946 der Indochinakrieg.
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert beherrschten die Franzosen Indochina - so die koloniale Bezeichnung für die eroberten Länder Vietnam, Laos und Kambodscha. 1941 gründete der vietnamesische Nationalist Ho Chi Minh in China die Unabhängigkeitsbewegung Viet Minh. Zu den Zielen der Bewegung erklärte er später in Hanoi:

"Wir wollen die völlige Unabhängigkeit für unser Land. Wir wollen aber nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch die französisch-vietnamesische Zusammenarbeit."

Während des Zweiten Weltkrieges hatten die Japaner Indochina besetzt und die französische Kolonialarmee entwaffnet. Nach der Kapitulation Japans nutzte Ho Chi Minh die Gunst der Stunde. Am 2. September 1945 rief er die Demokratische Republik Vietnam aus:

"Ein Volk, das über ein Jahrhundert gegen den Kolonialismus gekämpft und sich im Krieg entschlossen auf die Seite der Alliierten gestellt hat, dieses Volk hat ein Recht auf Freiheit und Unabhängigkeit. Im Namen der provisorischen Regierung proklamieren wir aus diesem Grunde vor der Welt das Recht Vietnams auf Freiheit und Unabhängigkeit. Aus diesem Grund ist unser Volk entschlossen, alles zu opfern, sein Leben, seinen Besitz, um die Unabhängigkeit wiederzugewinnen."

Paris erkannte nach längeren Verhandlungen ein freies Vietnam mit der Hauptstadt Hanoi zwar an, proklamierte aber zugleich im Süden die selbstständige Republik Cochinchina aus Laos, Kambodscha und Südvietnam. Außerdem sollten französische Truppen das Land im Norden kontrollieren. Der Südostasienexperte Georg Pfeiffer bemerkte damals zum Konflikt in Indochina:

"Der kommunistische Viet Minh hatte seine Erfolge nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass er nationale und antiimperialistische Parolen in den Vordergrund schiebt. Das französische Kolonialsystem bietet ihm dazu genügend Ansatzpunkte. Frankreich weiß, dass es die letzte große Kolonialmacht alten Stils im Osten ist, und seine Regierung gibt selbst zu, das Unabhängigkeitsabkommen mit Vietnam zwar dem Buchstaben, weniger jedoch dem Geiste nach erfüllt zu haben."

Der Kolonialismus gehe zu Ende in Vietnam, prognostizierte Ho Chi Minh 1946. Die Franzosen seien schwach und der weiße Mann erledigt in Asien. Dennoch schlug er versöhnliche Töne an, als er im Juni zu Gesprächen in Paris eintraf.

"In meinem Namen und im Namen des vietnamesischen Volkes erkläre ich: Mein ganzes Leben habe ich gegen den französischen Kolonialismus gekämpft, aber ich habe immer das französische Volk geliebt und bewundert. Es ist ein großes Volk, das sich für die Verwirklichung der großartigen Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eingesetzt hat. Für die Umsetzung dieser Prinzipien wird das vietnamesische Volk weiter kämpfen."

Die Verhandlungen zwischen der französischen Regierung und Ho Chi Minh scheiterten schließlich. Eine militärische Konfrontation war daraufhin absehbar. Im November brach der offene Konflikt aus. Truppen der Franzosen und der Viet Minh kontrollierten gemeinsam die Hafenstadt Haiphong. Nach mehreren Zwischenfällen verlangte der französische Kommandant den Abzug der vietnamesischen Soldaten und ließ nach Ablauf des Ultimatums die Stadt bombardieren. Mehr als 6000 Zivilisten kamen ums Leben.

Für die Viet Minh war das Massaker das Signal zum Befreiungskampf. Der Oberbefehlshaber des vietnamesischen Militärs, General Giap, zog Truppen um die Hauptstadt Hanoi zusammen, um die dortige französische Garnison einzunehmen. Die Sprengung des Elektrizitätswerks am 19. Dezember 1946 war das Zeichen zum Angriff. Die Franzosen waren zunächst überrascht, schlugen dann aber den Gegner in die Flucht, besetzten den Präsidentenpalast in Hanoi und verhängen das Kriegsrecht über die gesamte Region. Im Gegenzug riefen die Vietnamesen zum bewaffneten Widerstand gegen Frankreich auf - der Indochinakrieg hatte begonnen.

Er führte 1954 zwar zum Ende des alten Kolonialsystems, brachte dem Land aber keinen Frieden. Die Amerikaner setzten den Vietnamkrieg bis in die 70er Jahre fort.