Angestellten-Krankenkassen lehnen Gesundheitsfonds ab
Der Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) hat den Gesundheitsfonds erneut kritisiert. Der für das kommende Jahr geplante Fonds sei ein "Instrument der Fantasie", das aus den Modellen von Bürgerversicherung und Kopfpauschale das Schlechteste vereinige, sagte der VdAK-Vorstandsvorsitzende Thomas Ballast.
Christopher Ricke: Auf die deutschen Krankenversicherten kommt es etwas Großes zu, etwas sehr Großes, wahrscheinlich etwas Teures und etwas, was keiner so richtig lieb hat. Das große Ding ist der geplante Gesundheitsfonds, soll kommen am 1. Januar des kommenden Jahres, also in neun Monaten. Ich spreche jetzt mit Thomas Ballast, das ist der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen VdAK. Da drin sind zusammengeschlossen sieben Mitgliedskassen mit mehr als 20 Millionen Versicherten. Guten Morgen, Herr Ballast!
Thomas Ballast: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Auf den Gesundheitsfonds zu schimpfen, ist aus vielerlei Gründen sehr leicht. Übernehmen Sie die schwere Aufgabe und finden ein gutes Haar?
Ballast: Herr Ricke, das ist Gott sei Dank nicht meine Aufgabe. Wir müssen feststellen, der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, das ist am 01.04.2007 in Kraft getreten, und soll dazu führen, dass am 01.01.2009 der Gesundheitsfonds kommt. Das müssen wir erst mal hinnehmen und müssen damit klarkommen. Das, was wir tun, ist auf Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen.
Ricke: Das tun Sie, das tun Sie rege. Dabei ist das doch eigentlich eine gut gedachte Sache. Die einen wollten eine Kopfpauschale in der Großen Koalition, die anderen die Bürgerversicherung. Man konnte sich nicht einigen, man musste einen Kompromiss finden. Den haben wir jetzt. Warum können wir mit dem so schlecht leben?
Ballast: Ja, wie bei vielen Kompromissen ist es so, dass weder die eine noch die andere Seite ihr Modell hat durchsetzen können und dementsprechend der Gesundheitsfonds quasi nur das Schlechteste von allen Seiten beinhaltet und ein Instrument der Fantasie ist. Jede Regierungspartei meint, dass sie im nächsten Schritt vielleicht dann ihr Modell damit durchsetzen kann. Nur im ersten Schritt bringt der Gesundheitsfonds wenig.
Ricke: Als der Gesundheitsfonds für 2009 terminiert wurde, haben ja viele gemutmaßt, das ist eine Vertagungsaktion. Am besten schickt man das Ganze hinter die Bundestagswahl und trifft dann eine Richtungsentscheidung. Nun kommt der Gesundheitsfonds vor der Bundestagswahl. Er soll kommen, dann muss er ja auch mit Leben gefüllt werden.
Ballast: Ja, bis er kommt, sind allerdings noch ein paar Schritte zu leisten. Der Gesundheitsfonds soll ja auch für einen erweiterten Finanzausgleich unter den Kassen sorgen. Das ist der sogenannte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich. Der muss Mitte des Jahres definiert und auf das Gleis gestellt werden. Und dann kommt die große politische Aufgabe im Herbst des Jahres, das erste Mal einen Einheitsbeitragssatz für die deutsche Krankenversicherung festzulegen und das in einer Koalition, die immer weniger Einigungswillen zeigt. Da bin ich sehr gespannt, ob das klappt.
Ricke: Die Krankenversicherten an sich hoffen ja auf Wettbewerb. Denn trotz des Einheitsbeitragssatzes können die Kassen ja, wenn sie schlecht wirtschaften, mehr Geld von ihren Versicherten verlangen oder ihnen auch etwas zurückgeben. Ist das nicht doch eigentlich eine ganz gute Sache?
Ballast: Ja, aber schauen Sie, den Wettbewerb haben wir ja schon dadurch, dass jede Kasse im Moment genau den Beitrag erhebt, den sie benötigt. Daraus ergeben sich unterschiedliche Beitragssätze. Und die geben dem Versicherten eigentlich schon genügend Orientierungsraum, um zu sagen, ich wähle die eine oder andere Kasse. Der Beitragssatz ist ja ohnehin nur ein Entscheidungsparameter, das andere ist die Frage, was leistet meine Kasse. Und das wird durch den Gesundheitsfonds nicht besser, sondern eher schlechter, weil jede Kasse erst mal einen Einheitsbeitragssatz erhebt. Und ob es dann zu Zusatzzahlungen in Form von Zusatzprämien kommt oder sogar Erstattungen, das weiß heute noch niemand und wird auch lange im Laufe des Jahres 2009 niemand wissen.
Ricke: Wenn wir einen Einheitsbeitragssatz haben, wenn wir einen großen Fonds haben, in den alle einzahlen, spätestens dann wird man vielleicht auch die Frage nach der Zahl der Krankenkassen stellen müssen. Wir haben zurzeit mehr als 200. Brauchen wir denn noch so viele?
Ballast: Das ist eine Frage, die im Markt der Krankenkassen von ganz alleine entschieden wird. Wir haben in den letzten Jahren viel mehr als 1200, 1300 Kassen verschwinden sehen, und auch im Moment nimmt die Zahl der Kassen weiter ab. Da wird irgendwann eine Situation erreicht sein, wo man feststellt, jetzt ist es gut. Bis dahin halten sich nur die Kassen am Markt, die überlebensfähig sind, und das scheinen immer weniger zu sein.
Ricke: Aber hat das nicht auch etwas mit dem Gesundheitsfonds zu tun, dass der so ein bisschen aufgebläht ist, weil die Krankenkassen eben Angst hatten, weil die Lobbygruppen Druck auf die Politiker ausgeübt haben, weil man natürlich in Zeiten großer Rechenzentren viel mehr Krankenversicherte mit viel weniger Krankenkassen verwalten könnte?
Ballast: Der Gesundheitsfonds ist erst mal ein Instrument, das den Anhängern der Kopfpauschale einen Einstieg geben soll, ein Ausbau dieses Systems nach dem ersten Schritt Gesundheitsfonds und den Anhängern der Bürgerversicherung die Möglichkeit geben soll, in diesem Gesundheitsfonds auch Steuermittel einzuzahlen und weitere Versicherte aufzunehmen, damit dann irgendwann die Trennung zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und privater Krankenversicherung aufgehoben werden kann. Der Gesundheitsfonds ist nicht gekommen, um die Zahl der Krankenkassen zu beschneiden oder den Wettbewerb da zu befördern.
Ricke: Er könnte aber dazu benutzt werden. Es könnte dazu führen, dass man vielleicht auf lange Sicht doch Verwaltungskosten spart? Geben Sie das nicht zähneknirschend zu?
Ballast: Die Verwaltungskostenanteile der gesetzlichen Krankenversicherung liegen sehr deutlich unter denen, die andere Versicherungsunternehmen und insbesondere auch die private Krankenversicherung benötigt. Und in den Verwaltungskosten sind noch sehr viele Ausgaben drin für Menschen, die sich darum kümmern, dass die Versicherten auch die Versorgung bekommen. Die Verwaltungskosten sind keine Begründung dafür gewesen, dass der Gesundheitsfonds kommt, und ich halte sie auch nicht für übertrieben hoch.
Ricke: Also überhaupt kein gutes Argument für den Gesundheitsfonds?
Ballast: Das gute Argument ist, dass sich dafür eine parlamentarische Mehrheit gefunden hat. Und mit dieser parlamentarischen Mehrheit werden wir umgehen, und wir werden den Gesundheitsfonds umsetzen, wenn er denn kommt. Aber wir befürchten, dass er erst mal alles teurer macht und dass er eher weniger Wettbewerb als mehr Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung schafft.
Thomas Ballast: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Auf den Gesundheitsfonds zu schimpfen, ist aus vielerlei Gründen sehr leicht. Übernehmen Sie die schwere Aufgabe und finden ein gutes Haar?
Ballast: Herr Ricke, das ist Gott sei Dank nicht meine Aufgabe. Wir müssen feststellen, der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, das ist am 01.04.2007 in Kraft getreten, und soll dazu führen, dass am 01.01.2009 der Gesundheitsfonds kommt. Das müssen wir erst mal hinnehmen und müssen damit klarkommen. Das, was wir tun, ist auf Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen.
Ricke: Das tun Sie, das tun Sie rege. Dabei ist das doch eigentlich eine gut gedachte Sache. Die einen wollten eine Kopfpauschale in der Großen Koalition, die anderen die Bürgerversicherung. Man konnte sich nicht einigen, man musste einen Kompromiss finden. Den haben wir jetzt. Warum können wir mit dem so schlecht leben?
Ballast: Ja, wie bei vielen Kompromissen ist es so, dass weder die eine noch die andere Seite ihr Modell hat durchsetzen können und dementsprechend der Gesundheitsfonds quasi nur das Schlechteste von allen Seiten beinhaltet und ein Instrument der Fantasie ist. Jede Regierungspartei meint, dass sie im nächsten Schritt vielleicht dann ihr Modell damit durchsetzen kann. Nur im ersten Schritt bringt der Gesundheitsfonds wenig.
Ricke: Als der Gesundheitsfonds für 2009 terminiert wurde, haben ja viele gemutmaßt, das ist eine Vertagungsaktion. Am besten schickt man das Ganze hinter die Bundestagswahl und trifft dann eine Richtungsentscheidung. Nun kommt der Gesundheitsfonds vor der Bundestagswahl. Er soll kommen, dann muss er ja auch mit Leben gefüllt werden.
Ballast: Ja, bis er kommt, sind allerdings noch ein paar Schritte zu leisten. Der Gesundheitsfonds soll ja auch für einen erweiterten Finanzausgleich unter den Kassen sorgen. Das ist der sogenannte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich. Der muss Mitte des Jahres definiert und auf das Gleis gestellt werden. Und dann kommt die große politische Aufgabe im Herbst des Jahres, das erste Mal einen Einheitsbeitragssatz für die deutsche Krankenversicherung festzulegen und das in einer Koalition, die immer weniger Einigungswillen zeigt. Da bin ich sehr gespannt, ob das klappt.
Ricke: Die Krankenversicherten an sich hoffen ja auf Wettbewerb. Denn trotz des Einheitsbeitragssatzes können die Kassen ja, wenn sie schlecht wirtschaften, mehr Geld von ihren Versicherten verlangen oder ihnen auch etwas zurückgeben. Ist das nicht doch eigentlich eine ganz gute Sache?
Ballast: Ja, aber schauen Sie, den Wettbewerb haben wir ja schon dadurch, dass jede Kasse im Moment genau den Beitrag erhebt, den sie benötigt. Daraus ergeben sich unterschiedliche Beitragssätze. Und die geben dem Versicherten eigentlich schon genügend Orientierungsraum, um zu sagen, ich wähle die eine oder andere Kasse. Der Beitragssatz ist ja ohnehin nur ein Entscheidungsparameter, das andere ist die Frage, was leistet meine Kasse. Und das wird durch den Gesundheitsfonds nicht besser, sondern eher schlechter, weil jede Kasse erst mal einen Einheitsbeitragssatz erhebt. Und ob es dann zu Zusatzzahlungen in Form von Zusatzprämien kommt oder sogar Erstattungen, das weiß heute noch niemand und wird auch lange im Laufe des Jahres 2009 niemand wissen.
Ricke: Wenn wir einen Einheitsbeitragssatz haben, wenn wir einen großen Fonds haben, in den alle einzahlen, spätestens dann wird man vielleicht auch die Frage nach der Zahl der Krankenkassen stellen müssen. Wir haben zurzeit mehr als 200. Brauchen wir denn noch so viele?
Ballast: Das ist eine Frage, die im Markt der Krankenkassen von ganz alleine entschieden wird. Wir haben in den letzten Jahren viel mehr als 1200, 1300 Kassen verschwinden sehen, und auch im Moment nimmt die Zahl der Kassen weiter ab. Da wird irgendwann eine Situation erreicht sein, wo man feststellt, jetzt ist es gut. Bis dahin halten sich nur die Kassen am Markt, die überlebensfähig sind, und das scheinen immer weniger zu sein.
Ricke: Aber hat das nicht auch etwas mit dem Gesundheitsfonds zu tun, dass der so ein bisschen aufgebläht ist, weil die Krankenkassen eben Angst hatten, weil die Lobbygruppen Druck auf die Politiker ausgeübt haben, weil man natürlich in Zeiten großer Rechenzentren viel mehr Krankenversicherte mit viel weniger Krankenkassen verwalten könnte?
Ballast: Der Gesundheitsfonds ist erst mal ein Instrument, das den Anhängern der Kopfpauschale einen Einstieg geben soll, ein Ausbau dieses Systems nach dem ersten Schritt Gesundheitsfonds und den Anhängern der Bürgerversicherung die Möglichkeit geben soll, in diesem Gesundheitsfonds auch Steuermittel einzuzahlen und weitere Versicherte aufzunehmen, damit dann irgendwann die Trennung zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und privater Krankenversicherung aufgehoben werden kann. Der Gesundheitsfonds ist nicht gekommen, um die Zahl der Krankenkassen zu beschneiden oder den Wettbewerb da zu befördern.
Ricke: Er könnte aber dazu benutzt werden. Es könnte dazu führen, dass man vielleicht auf lange Sicht doch Verwaltungskosten spart? Geben Sie das nicht zähneknirschend zu?
Ballast: Die Verwaltungskostenanteile der gesetzlichen Krankenversicherung liegen sehr deutlich unter denen, die andere Versicherungsunternehmen und insbesondere auch die private Krankenversicherung benötigt. Und in den Verwaltungskosten sind noch sehr viele Ausgaben drin für Menschen, die sich darum kümmern, dass die Versicherten auch die Versorgung bekommen. Die Verwaltungskosten sind keine Begründung dafür gewesen, dass der Gesundheitsfonds kommt, und ich halte sie auch nicht für übertrieben hoch.
Ricke: Also überhaupt kein gutes Argument für den Gesundheitsfonds?
Ballast: Das gute Argument ist, dass sich dafür eine parlamentarische Mehrheit gefunden hat. Und mit dieser parlamentarischen Mehrheit werden wir umgehen, und wir werden den Gesundheitsfonds umsetzen, wenn er denn kommt. Aber wir befürchten, dass er erst mal alles teurer macht und dass er eher weniger Wettbewerb als mehr Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung schafft.