Angels in America

Von Ullrich Bohn |
"Angels in Ameria" entstand Anfang der 90er Jahre. Drei eigenständige Geschichten vernetzt der Schriftsteller Tony Kushner darin und führt uns moderne Menschen auf Halt- und Glückssuche vor. Es wurde sein größter Erfolg. 1993 erhält Kushner dafür den Pulitzer-Preis. Außerdem wurde das Drama zum Hörspiel und zum Fernsehfilm. Und der ungarische Komponist Peter Eötvös hat aus dem Stoff eine Oper gemacht, die im vergangenen November in Paris uraufführt wurde und gestern Abend nun in Hamburg ihre deutsche Erstaufführung erlebte.
Reduktion und Konzentration - das waren die prägenden Begriffe für diesen gut dreistündigen Opernabend. Es waren aber auch die Richtigen, um Tony Kushners im Original gut siebenstündiges Tableau aus der Schwulenszene der achtziger Jahre mit seiner prallen Sprache aus lockerem Straßenjargon und aus sarkasmusgetränktem Intellektuellenslang überhaupt zu bewältigen.

Den ersten Schritt dazu hatte schon Peter Eötvös getan, einer der erfolgreichsten Komponisten und Dirigenten unserer Zeit, und spätestens seit dem sensationellen Erfolg seiner Oper "Drei Schwestern" auf den großen Bühnen zu Hause. Eötvös hat aus Kushners monumentalem Patchwork achtzehn Szenen herauskristallisiert, und dabei, obwohl er die gedrängte Atmosphäre des dichterischen Originals nicht ganz halten kann, vor allem den oft nahtlosen Übergang zwischen Realität und Halluzination musikalisch wirkungsvoll getroffen.

Diesen permanenten Schwebezustand, wenn dem aidskranken Prior Walter in seiner ausweglosen Situation die Vision eines barmherzigen Engels erscheint. Oder die frustierte Hausfrau Harper Pitt sich mit Valium in bizarr-blühende Reisephantasien hineinsteigert. Hochdifferenziert und eindrucksvoll ist das Klangbild. Lässt Anklänge aufscheinen an synagogale Musiken, an den Tonfall einer Big Band und ist zudem über weite Strecken elektronisch manipuliert; der Klang einzelner Instrumente von Peter Eötvös in einen oszillierenden Sound aufgelöst wurden, und die ursprünglichen Klangquellen im gut zwanzigköpfigen Orchester somit gar nicht mehr zu orten sind.

Diese live-elektronische Komponente in Peter Eötvös Musik hat das Hamburger Inszenierungsteam, der Regisseur Benedikt von Peter und der Dirigent Cornelius Meister, noch verstärkt. In dem sie das komplette Orchester den ganzen Abend über in einen anderen, recht weit entfernten Raum gesetzt haben, und es von dort in den Aufführungsort hinein, auf die neue Probebühne der Hamburgischen Staatsoper, übertragen wird.

Damit aber gewinnt Regisseur Benedikt von Peter sehr viel Platz für sein abstraktes Raumtheater, dessen Bühnenbild lediglich aus drei bläulich-weißen Wänden besteht, die aber durch die gekonnten Lichtstimmungen eine von eisiger Spannung getragene Atmosphäre schufen, und die die schneebedeckte Spielfläche einrahmen. Auf der nun die äußerst verschachtelten Simultanszenen des Drama ablaufen, aber vom hochmotivierten Sängerensemble so prägnant herauskristallisiert werden, dass der Plot stets verständlich bleibt. Auch das Auftauchen der Engel ohne allzu kitschige Attitüde auskommt und am Schluss sogar Hoffnung keimt für den unglückseligen Aids-Patienten Prior Walker und von der Musik entsprechend untermauert wird.