Angekündigter Selbstmord

Von Claudia van Laak · 23.04.2007
Es geschieht am 16.Juni 1996 im brandenburgischen Mahlow. Zwei Neonazis verfolgen Noel Martin, den Jamaikaner mit britischem Pass. Sie überholen ihn mit einem gestohlenen PKW, werfen einen schweren Feldstein in das Auto des Bauarbeiters. Noel Martin verliert die Kontrolle über seinen Wagen, rast gegen einen Baum. Er bricht sich die Halswirbelsäule, ist seit diesem Tag vom Hals abwärts gelähmt.
"Offene Ausländerfeindlichkeit" stellt das Gericht später fest und verurteilt die jugendlichen Rechtsextremisten zu einer Freiheitsstrafe von fünf und acht Jahren. Die beiden Täter sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß, bei ihrem Opfer haben sie sich nicht entschuldigt.

Noel Martin ist seit dem 16. Juni 1996, also seit über zehn Jahren, ständig auf fremde Hilfe angewiesen. Er kann denken, sprechen, seinen Kopf bewegen, mehr nicht. Trotz seiner Leiden engagiert er sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus, hat eine Stiftung ins Leben gerufen, die Begegnungen zwischen Jugendlichen in Brandenburg und seiner Heimatstadt Birmingham organisiert. Fünf Jahre nach dem Anschlag kehrt er nach Mahlow zurück, sagt den Brandenburgern, sie sollen aufhören, sich für ihre Vergangenheit zu entschuldigen und stattdessen ihren Kindern den Wert des Lebens beibringen.

Für ihn selber hat das Leben keinen Wert mehr. "Ich existiere bloß", sagt Noel Martin. Den 23.Juli 2007, seinen 48.Geburtstag, will Noel Martin in der Schweiz feiern - eingeladen sind auch Freundinnen und Freunde aus Brandenburg, die sich gegen Rassismus engagieren. Nach der Feier will er einen Medikamentcocktail schlucken und freiwillig aus dem Leben scheiden. "Es ist kein Selbstmord, ich ziehe einfach weiter" - sagt Noel Martin.