Angeknackste Währung

Von Daniel D. Eckert |
Der Dollar ist unsere Währung – aber euer Problem. Nie hatte der vor Jahrzehnten dahin geworfene Satz von Nixons Finanzminister John Connally mehr Berechtigung als heute: Amerikas Währung bröckelt und damit der Stützpfeiler des Devisensystems.
Eben erst haben wir die Finanzkrise überwunden, da zeichnet sich am Horizont die nächste Krise ab, eine Währungskrise.

Es gibt einen amerikanischen Traum: das adrette Haus in der Vorstadt, der flotte Wagen, der große Fernseher. Aber es gibt auch einen amerikanischen Albtraum. In diesem Albtraum erstrecken sich nicht gepflegte Vorstädte übers Land, sondern Hoovervilles. Hoovervilles waren die Elendsquartiere der 30er Jahre. Jene Dekade war in Amerika das Jahrzehnt der Großen Depression. Die Weltwirtschaftskrise zertrümmerte die Lebensträume von Millionen Amerikanern. Mehr noch: Sie strafte das Versprechen Lügen, dass es in Amerika jeder Generation besser geht als der vorigen.

In Deutschland gilt: "Die große Inflation darf sich nie wiederholen". Ebenso gilt in Amerika: "Die Große Depression darf sich nie wiederholen". Schuld an der Misere der 30er Jahre hat nach Ansicht vieler Wirtschaftswissenschaftler der Zusammenbruch der Geldversorgung nach dem Börsen-Crash von 1929. Vor allem einer sieht das so: Ben Bernanke, der als Forscher die Große Depression gründlich studierte und nun Chef der amerikanischen Notenbank Federal Reserve ist.

Heute ist die US-Wirtschaft ähnlich angeschlagen wie damals. 14 Millionen Amerikaner sind ohne Job, mehr als 40 Millionen sind auf Lebensmittel-Marken angewiesen. Die geplatzte Immobilienblase hat den Konsumenten die Zuversicht geraubt, Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück.

Um die Gefahr einer Abwärtsspirale abzuwenden, flutet Bernanke die Märkte mit Dollar. An einer Geldknappheit soll die Wiedergeburt Amerikas nicht scheitern. Nebenbei finanziert die Fed zu großen Teilen das gewaltige Haushaltsdefizit des Staates: 1,4 Billionen Dollar sollen es allein dieses Jahr werden.

Ginge es um Bargeld, müssten die Notenpressen Tag und Nacht rotieren. Doch Bernanke hat es leichter: Seine Dollarmassen erschafft er elektronisch. Mit einem Knopfdruck erstehen Milliarden von virtuellen Greenbacks. Doch nicht so sehr in Firmen und Fabriken fließen diese neugeschaffenen Dollar. Das Gros bleibt im Finanzsystem, produziert Marktverzerrungen und Spekulationsblasen.

Die amerikanische Regierung unterstützt die Strategie der Notenbank. Um den Arbeitsmarkt anzukurbeln, hat Präsident Barack Obama die Verdopplung der Ausfuhren bis zum Jahr 2015 zum Ziel erklärt. Amerika soll zur florierenden Exportnation werden. Ein schwacher Dollar hilft dabei. Ähnlich wie einst eine schwache Lira Fiat und andere italienischen Unternehmen wettbewerbsfähig hielt.

Die Strategie des Billig-Dollar jedoch birgt gewaltige Risiken. Bernanke setzt darauf, dass der Dollar weich wird, aber nie zu weich. Obama setzt darauf, dass die gewaltigen Staatsausgaben auf Pump die Wachstumskräfte zurückbringen. Beide setzen darauf, dass Amerika rechtzeitig aus dem Abwertungswettlauf aussteigt, ehe die Welt das Vertrauen in den Dollar verliert. Eine panikartige Flucht aus der US-Devise wäre eine Katastrophe. Für Millionen von Menschen auf der Welt, für Firmen und Staaten ist der Dollar das ultimative Wert-Aufbewahrungsmittel.

Amerikas Defizite und Schulden sind jedoch bereits so gewaltig wie noch nie in Friedenszeiten. Mehr als 14 Billionen Dollar lasten allein auf dem Staat, weitere 50 Billionen auf privaten Haushalten und Firmen. Eine Rating-Agentur hat unlängst in Zweifel gezogen, dass Amerika weiter die Bonitätsnote Triple-A verdient.

Ein Dollar-Crash ist mehr als eine theoretische Möglichkeit. Kollabiert die Leitwährung, ist die Stabilität des globalen Finanzsystems dahin, das seit Bretton Woods auf der der US-Währung ruht. Wie die anhaltenden Wertverluste des Dollar zeigen, geht das gewagte Experiment in eine entscheidende Phase. Die kommenden Monate und Jahre sind kritisch – auch für Deutschland: Denn läuft das Experiment aus dem Ruder, werden wir als Exportnation allzu bitter spüren, wie sehr ein schwacher Dollar zu unserem Problem werden kann.


Daniel D. Eckert, Jahrgang 1970, ist seit 2002 Reporter im Wirtschaftsressort von WELT und Welt am Sonntag, wo er sich auf die Themen Staatsfinanzen und Kapitalmärkte spezialisiert hat. In seinem 2010 erschienen Buch "Weltkrieg der Währungen" beschreibt der studierte Historiker, wie Amerikas Dollar zur globalen Leitwährung aufstieg. Daniel D. Eckert lebt in Berlin.
Daniel Eckert im Café Einstein
Daniel Eckert im Café Einstein© Privat
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