Anfassen erwünscht!
"Hinter den Paravents können Sie Platz nehmen, sich ausziehen und nackt mit den Skulpturen hantieren", steht auf einem Schild neben einer Skulptur Franz Wests: Anfassen und mitmachen ist vom Besucher der großen Franz-West-Retrospektive im Museum Ludwig in Köln also ausdrücklich erwünscht.
Ja, darf man denn das? Da greift eine Frau nach einem von drei weißen, an langen Fäden von der Decke hängenden, bilderrahmenartigen Objekte und steckt ihren eigenen Kopf hindurch, die Umstehenden lachen mit, die Aufseher rühren sich nicht. Auch nicht, als sich ein Besucher auf einen bizarren, aus Metallstücken geschweißten Sessel niederlässt. Und es wird auch niemand daran gehindert, die kleinen Labyrinthe aus Stellwänden, die schwarz ausgeschlagenen Kabinen zu betreten oder sich hinter den Gipsreliefs der Paravents herumzudrücken. Im Gegenteil: Die Inschriften an den Wänden stiften ausdrücklich dazu an.
"Hinter den Paravents können Sie Platz nehmen, sich ausziehen und nackt mit den Skulpturen hantieren. Ein bekleidetes Berühren der Skulpturen ist untersagt. Bei der Aufsichtsperson kann ein Schluck Whiskey gefordert werden."
Verkehrte Museumswelt bei Franz West. Seit der Künstler in den 70er-Jahren begann, Objekte auszustellen, die der Besucher benutzen oder im wahrsten Sinne des Wortes be-sitzen soll, sind die Vorstellungen davon, was eine Skulptur oder überhaupt ein Kunstwerk ist, ins Wanken gekommen. Er nannte diese Arbeiten "Paßstücke", weil der Besucher sie seinem Körper anpassen, mit ihnen zu einem Kunstwerk verschmelzen kann.
"Was neu ist bei Franz West, ist, dass die Barriere zwischen Zuschauer und Kunst gebrochen wurde","
… erklärt Kuratorin Katia Baudin. Der Künstler betrachtet sein epochemachendes Wagnis, das großen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen hatte, mit selbstironischer Distanz.
""Sozusagen ein Jugend-Irresein, das heißt, auch irritiert sein über die Disziplinierungsformen, die sich ins Museum erstrecken und zu der Zeit hat es Bemühungen gegeben, diese Schranken zu übertreten und auf die nächsten Schranken, die danach kommen, zu treffen."
Dass die Schranken des Kunstbetriebs gar nicht so leicht auszuhebeln waren, erfuhr West in der Folge, wenn Galeristen und Museumsleute aus Angst vor Beschädigung der Arbeiten aus Gips, Pappmaschee und anderen empfindlichen Materialien den vom Künstler geforderten Gebrauch kurzerhand untersagten. In Köln ist das wenigstens teilweise möglich. Das Piktogramm einer ausgestreckten Hand weist den Besucher auf Objekte hin, die er nicht nur anschauen, sondern auch anfassen oder benutzen darf. Der Titel "Autotheater" wird also eingelöst. Die Ausstellung gibt eine Bühne frei für die Interaktion mit der Kunst.
"Da ist nicht, dass man die Ikone an der Wand anschaut, sondern das ist Teil des Alltags, dadurch verwandelt sich das Museum in einen Ort des Lebens."
Entstanden ist die Arbeit von Franz West im Kontext der 68er-Zeit, die Hierarchien, auch im Kunstbetrieb aushebeln und dem Betrachter aktiven Anteil geben wollte. Erstaunlicherweise wird der Tabubruch hier aber auch Jahrzehnten noch direkt erfahrbar. Ein Kunstwerk wie die herkuleskeulenartigen Passstücke, mit denen der Besucher ein Spiegelkabinett betreten soll, einfach aufzuheben und mitzunehmen - das macht zumindest erwachsenen und museumserfahrenen Menschen tatsächlich Schwierigkeiten. Und in dem Widerstand, der da zu überwinden ist, spürt man unmittelbar all die ungeschriebenen Kulturgesetze, die unserem Umgang mit Kunst konditionieren. Der Schluck Whiskey zum Enthemmen wäre gar nicht so schlecht. Immerhin bietet Franz West, freundlich und rücksichtsvoll, wie er ist, den geschützten Raum der Paravents und Kabinette für diese Kunstselbsterfahrung.
"Weil das, wenn man es nicht gewohnt ist, unangenehm sein kann und blockierend. Um dem zu entgehen, gibt es Paravents und Kabinen."
Das ist aber wohl doch noch nicht die ganze Wahrheit. Je länger man sich durch die Schau bewegt, die immer neue Bühnen für Wahrnehmungsexperimente und Versuchsanordnungen für Interaktionen mit konkreten Objekten, oft aber auch mit nur durch Titel oder Inschriften ausgelösten Vorstellungen aneinanderreiht, umso deutlicher wird einem, dass Franz Wests Erfindungen nicht nur dem Theater im allgemeinen und der Wiener Aktionskunst im Besonderen verpflichtet sind. Sie haben ein großes Geheimnis, das in einem dialektischen Spiel von Zeigen und Entziehen, Enthüllen und Verbergen schwingt. Denn im Gegensatz zur Bühne ist bei Franz West die vierte Wand nicht offen. Wenn der Kunstmoment sich in der Begegnung des Betrachters mit dem Objekt vollzieht, dann sieht ihn niemand - nicht einmal der Künstler. Ja, es bleibt sogar die Frage, ob er sich wirklich ereignet. Die Spannung aber, die sich mit dieser Frage verbindet, reicht aus, um das Autotheater von Franz West in Köln zu einer faszinierenden Vorstellung zu machen.
"Hinter den Paravents können Sie Platz nehmen, sich ausziehen und nackt mit den Skulpturen hantieren. Ein bekleidetes Berühren der Skulpturen ist untersagt. Bei der Aufsichtsperson kann ein Schluck Whiskey gefordert werden."
Verkehrte Museumswelt bei Franz West. Seit der Künstler in den 70er-Jahren begann, Objekte auszustellen, die der Besucher benutzen oder im wahrsten Sinne des Wortes be-sitzen soll, sind die Vorstellungen davon, was eine Skulptur oder überhaupt ein Kunstwerk ist, ins Wanken gekommen. Er nannte diese Arbeiten "Paßstücke", weil der Besucher sie seinem Körper anpassen, mit ihnen zu einem Kunstwerk verschmelzen kann.
"Was neu ist bei Franz West, ist, dass die Barriere zwischen Zuschauer und Kunst gebrochen wurde","
… erklärt Kuratorin Katia Baudin. Der Künstler betrachtet sein epochemachendes Wagnis, das großen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen hatte, mit selbstironischer Distanz.
""Sozusagen ein Jugend-Irresein, das heißt, auch irritiert sein über die Disziplinierungsformen, die sich ins Museum erstrecken und zu der Zeit hat es Bemühungen gegeben, diese Schranken zu übertreten und auf die nächsten Schranken, die danach kommen, zu treffen."
Dass die Schranken des Kunstbetriebs gar nicht so leicht auszuhebeln waren, erfuhr West in der Folge, wenn Galeristen und Museumsleute aus Angst vor Beschädigung der Arbeiten aus Gips, Pappmaschee und anderen empfindlichen Materialien den vom Künstler geforderten Gebrauch kurzerhand untersagten. In Köln ist das wenigstens teilweise möglich. Das Piktogramm einer ausgestreckten Hand weist den Besucher auf Objekte hin, die er nicht nur anschauen, sondern auch anfassen oder benutzen darf. Der Titel "Autotheater" wird also eingelöst. Die Ausstellung gibt eine Bühne frei für die Interaktion mit der Kunst.
"Da ist nicht, dass man die Ikone an der Wand anschaut, sondern das ist Teil des Alltags, dadurch verwandelt sich das Museum in einen Ort des Lebens."
Entstanden ist die Arbeit von Franz West im Kontext der 68er-Zeit, die Hierarchien, auch im Kunstbetrieb aushebeln und dem Betrachter aktiven Anteil geben wollte. Erstaunlicherweise wird der Tabubruch hier aber auch Jahrzehnten noch direkt erfahrbar. Ein Kunstwerk wie die herkuleskeulenartigen Passstücke, mit denen der Besucher ein Spiegelkabinett betreten soll, einfach aufzuheben und mitzunehmen - das macht zumindest erwachsenen und museumserfahrenen Menschen tatsächlich Schwierigkeiten. Und in dem Widerstand, der da zu überwinden ist, spürt man unmittelbar all die ungeschriebenen Kulturgesetze, die unserem Umgang mit Kunst konditionieren. Der Schluck Whiskey zum Enthemmen wäre gar nicht so schlecht. Immerhin bietet Franz West, freundlich und rücksichtsvoll, wie er ist, den geschützten Raum der Paravents und Kabinette für diese Kunstselbsterfahrung.
"Weil das, wenn man es nicht gewohnt ist, unangenehm sein kann und blockierend. Um dem zu entgehen, gibt es Paravents und Kabinen."
Das ist aber wohl doch noch nicht die ganze Wahrheit. Je länger man sich durch die Schau bewegt, die immer neue Bühnen für Wahrnehmungsexperimente und Versuchsanordnungen für Interaktionen mit konkreten Objekten, oft aber auch mit nur durch Titel oder Inschriften ausgelösten Vorstellungen aneinanderreiht, umso deutlicher wird einem, dass Franz Wests Erfindungen nicht nur dem Theater im allgemeinen und der Wiener Aktionskunst im Besonderen verpflichtet sind. Sie haben ein großes Geheimnis, das in einem dialektischen Spiel von Zeigen und Entziehen, Enthüllen und Verbergen schwingt. Denn im Gegensatz zur Bühne ist bei Franz West die vierte Wand nicht offen. Wenn der Kunstmoment sich in der Begegnung des Betrachters mit dem Objekt vollzieht, dann sieht ihn niemand - nicht einmal der Künstler. Ja, es bleibt sogar die Frage, ob er sich wirklich ereignet. Die Spannung aber, die sich mit dieser Frage verbindet, reicht aus, um das Autotheater von Franz West in Köln zu einer faszinierenden Vorstellung zu machen.