Andy Warhol

Massenkultur trifft hohe Kunst

Kennt jeder: Warhols Werk "Campbell's Chicken with Rice Soup" von 1964.
Kennt jeder: Warhols Werk "Campbell's Chicken with Rice Soup" von 1964. © dpa / picture alliance / Justin Lane
Von Jochen Spengler · 12.11.2014
Die Suppendosen und Colaflaschen des Pop-Art-Künstlers Andy Warhol sind weltbekannt. In der Tate Liverpool sind nun auch frühe Siebdrucke, Gemälde oder Plattencover zu sehen, die er für Musiker wie die Stones oder John Lennon gestaltet hat.
Natürlich finden sich Andy Warhols berühmte Suppendosen und Colaflaschen, seine Marilyn- und Mao-Köpfe in dieser kleinen, feinen Ausstellung in Liverpool. Jene Siebdrucke, die es dem Pop-Art-Pionier erlaubten, mittels Reproduktion seine Werke massenhaft zu verbreiten. Doch sie allein sind es nicht, die "Transmitting Andy Warhol" zu einer wirklich bemerkenswerten Werkschau machen:
"Die Ausstellung versucht zu zeigen, wie Warhol seine Kunst auf ganz verschiedenen Plattformen verbreitet hat – nicht nur durch Malerei oder Siebdruck, sondern durch Musik, Zeitschriften, Filme und Fernsehen. Es ist seine Idee der Übertragung von Kunst auf die unterschiedlichsten Medien, auf die wir hinweisen, und wie er damit die Möglichkeiten, Kunst zu erfahren, demokratisiert hat ..."
... erläutert Stephanie Straine das multimediale Konzept; und so begleiten den Besucher in allen fünf Ausstellungsräumen die sphärischen Klänge von Velvet Underground, jener Avantgarde-Band von Lou Reed und John Cale, die Andy Warhol in den 60er-Jahren produziert und gemanagt hat.
1966 entwickelte er mit den Musikern "Exploding Plastic Inevitable" und Tate Liverpool hat die Lightshows und Happenings mithilfe von 15 verschiedenen Filmprojektoren in einem eigenen Raum rekonstruiert. Erstmals außerhalb der Warhol Museen flimmern von vier Wänden Schwarz-Weiß-Videos von den Velvet-Proben, riesige starrende Gesichter und Aufnahmen von Nico, der Sängerin oder Warhols Factory, wo jeder Kunst machen konnte.
"Sein berühmter Spruch, dass Kunst für jedermann sein sollte, ist nicht bloß ein rascher Einzeiler, sondern eine Verpflichtung, die wir ernst nehmen. Wegen seines Anspruchs konnten in den 60ern nicht nur die üblichen Museumsbesucher Warhols Kunst erleben, sondern auch die Leser von Zeitschriften wie Harper's Bazaar, Esquire oder Time Magazin, in denen er seine Grafiken veröffentlichte oder die Käufer von Plattenhüllen. Die berühmten Velvet Underground Bananen sind bloß ein Beispiel von vielen, die wir an der Wand haben aus der Zeit von 1951 bis 1987, als er verstarb."
100 Ausstellungsstücke, darunter frühe Originale
Zu den rund 100 Ausstellungsstücken gehören nicht nur frühe Originale, Siebdrucke, Gemälde oder Plattencover, die er für Künstler wie die Stones, John Lennon oder Aretha Franklin gestaltet hat. Zu sehen sind auch von Warhol entworfene Titelseiten etlicher Publikationen, Exemplare der von ihm gegründeten Zeitschrift "Interview", Vorläuferin heutiger Lifestyle-Magazine und seine Experimente mit den visuellen Massenmedien. Etwa der Film Empire, ein statischer acht-Stunden-Blick auf das Empire State Building, seine Fernseh-Shows in einem New Yorker Lokalsender, oder ein psychedelischer TV-Werbesport aus dem Jahr 1968 für einen Kirscheisbecher.
"Er hat immer bezahlte Auftragsarbeiten angenommen, auch nach seinem Durchbruch und seiner Anerkennung als berühmtester Pop-Art-Künstler in den frühen 60er-Jahren. Ein Teil unserer Absicht von Transmitting Andy Warhol ist es zu zeigen, dass er keineswegs in den 50er-Jahren ein kommerzieller Illustrator und Auftrags-Designer war und dass er dann später zum Künstler wurde. Es gab keinen solchen Bruch, sondern die kommerziellen und künstlerischen Arbeiten vermischten sich und verschmolzen ineinander."
Massenkultur trifft hohe Kunst - berücksichtige man Andy Warhols Aufgeschlossenheit gegenüber neuer Technologie, seine Experimentierlust, seinen Narzismus, sein Faible für das Bild und die Möglichkeit seiner unendlichen Vervielfältigung, so ist die Kuratorin Stephanie Straine überzeugt, dann wäre die heutige Internet-Ära, wo jeder über ein Handy verfügt und Selfies macht, eigentlich sein Zeitalter gewesen wäre. Wie hat Andy Warhol billigend vorhergesagt: In Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein.

Die Ausstellung Transmitting Andy Warhol ist vom 7. November 2014 bis zum 8. Februar 2015 in der Tate Liverpool zu sehen.

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