Andrew Keen: "How to fix the future"

Intelligente Menschen statt intelligente Apparate

Buchcover: Andrew Keen: "How to fix the future. Fünf Reparaturvorschläge für eine menschlichere digitale Welt" (DVA)
Nicht intelligente Apparate sind laut Keen die Problemlöser des 21. Jahrhunderts, sondern intelligente Menschen. © DVA / Imago / Westend 61
Von Vera Linß · 29.08.2018
Der Internetkritiker und ehemalige Silicon-Valley-Unternehmer Andrew Keen stellt in seinem Buch Ansätze für mehr Menschlichkeit in der digitalen Welt vor. Er macht Vorschläge, wie der Markt im Digitalsektor gezähmt werden kann.
Auf Andrew Keen ist Verlass. Wann immer es um Kritik am Internet geht, ist der Brite zur Stelle. In den 90er-Jahren war er als IT-Unternehmer im Silicon Valley gescheitert. Seitdem polemisiert er gegen profitgierige Tech-Milliardäre und niveaulose Amateurkünstler im Web 2.0. Lange galt Keen deshalb als Antichrist des Internets. Nun aber erklärt er diese Zeiten für beendet. Sein neues Buch sei keine Kampfschrift gegen die Übel der Technologie. Diesmal wolle er konstruktive Antworten darauf geben, wie der "entfesselte Markt" im Digitalsektor gezähmt werden kann.

Kampf gegen den digitalen Plattformkapitalismus

Ihr Fett kriegen die "Milliardenbonzen" von Google, Amazon und Co. dennoch erst einmal weg: sie seien Technokraten, deren Verantwortungslosigkeit das Netz kaputt gemacht habe. Nicht intelligente Apparate sind laut Keen die Problemlöser des 21. Jahrhunderts, sondern intelligente Menschen: Regulierer, Pädagogen, Verbraucher. Auf sie setzt er bei seinen fünf "Reparaturvorschlägen, die die Zukunft in Ordnung bringen". Gut so, könne man denken, aber wirklich neu sind diese Ideen nicht: staatliche Aufsicht, ethische Standards, Verbraucherinitiativen und neue Bildungskonzepte – all das wird seit Längerem gefordert, um die Auswüchse des digitalen Plattformkapitalismus zu bekämpfen.

Wie das Silicon Valley Gegenwind bekommt

Dennoch ist es spannend zu lesen, wie Andrew Keen die verschiedenen Ansätze, die es weltweit dazu gibt, zusammenfügt. Er zeigt, wie viel Gegenwind das Silicon Valley inzwischen bekommt. In Brüssel besucht er die EU-Wettbewerbskommissarin, die sich hartnäckig mit Firmen wie Google und Apple anlegt, um Marktmissbrauch und Steuerflucht zu vereiteln. Er trifft IT-Aktivisten, die regionale Startups finanzieren, die sonst nie eine Chance hätten. Und in Singapur lässt er sich das Konzept "Smart Nation" erklären, mit dem der Stadtstaat sämtliche anfallenden Daten sammeln, auswerten und über eine offene Plattform der Bevölkerung zugänglich machen will – vorbei an den Datenkraken des Silicon Valley.

Buch bleibt hinter dem Stand der Debatten zurück

Schade aber ist, dass Keen mitten in seiner Analyse stehen bleibt. Singapur etwa nutzt für die "Smart Nation"-Strategie 65.000 Überwachungskameras, die jeden Schritt der Bürger aufzeichnen. Das Land steht auf der Rangliste der Pressefreiheit weit unten, unliebsame Blogger steckt die Regierung ins Gefängnis, trotzdem nennt er Singapurs Digitalpläne "vertrauenswürdig". Auch seine Forderung, Facebook etwa müsse mehr Verantwortung zeigen und sich als Medienkonzern verstehen, erklärt er nicht näher. Und die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens stellt der Brite nur aus Sicht der Befürworter da.
In den USA, wo sein Buch bereits im Frühjahr erschienen ist, bekam er trotz dieser Schwächen gute Kritiken. Vielleicht auch deshalb, weil er mit fast schon bewundernswerter Selbstverständlichkeit vermittelt, seine Lösungsvorschläge müssen nur noch umgesetzt werden – dann sei alles gut. Tatsachlich aber fällt Andrew Keen mit vielen seiner Lösungsvorschläge hinter den Stand der Debatten zurück.

Andrew Keen: "How to fix the future. Fünf Reparaturvorschläge für eine menschlichere digitale Welt"
Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
DVA, München 2018
320 Seiten, 22,- Euro

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