Andreas H. Segerer, Eva Rosenkranz: "Das große Insektensterben"

Wo die Welt untergeht, nützt der beste Artenschutz nichts

Cover von Andreas H. Segerer / Eva Rosenkranz: "Das große Insektensterben", im Hintergrund ist ein Apollofalter zu sehen
Trotz Artenschutz stirbt der Apollofalter gerade aus, schreiben die Autoren in "Das große Insektensterben". © Oekom / picture alliance/imageBROKER / Collage: DLF Kultur
Von Susanne Billig · 22.08.2018
Andreas H. Segerer und Eva Rosenkranz machen in "Das große Insektensterben" ein bedrückendes umweltpolitisches Thema anschaulich. Deutlich wird: Ohne echte Agrarwende ist es Aus mit den Insekten – und die Folgen werden schmerzhaft sein.
Bei den wirbellosen Tieren hat der Naturschutz völlig versagt, darum gilt es dringend umzudenken und umzulenken – das ist die Botschaft von "Das große Insektensterben". Doch wie kam es zu diesem Versagen?
Andreas H. Segerer und Eva Rosenkranz zeigen das am Beispiel des prächtigen Apollofalters, einem Flaggschiff des bayerischen Naturschutzes. Der Schmetterling lebt in felsigen Gebirgslandschaften. Schon 1936 wurde er unter Naturschutz gestellt, ist seit 1977 durch das Washingtoner Artenschutzabkommen international streng geschützt, seit 1980 wacht ein neues Bundesnaturschutzgesetz über ihn und gewährt ihm seit 1987 sogar den höchsten Schutzstatus.
Das Ergebnis: Die Populationen sind so rapide geschrumpft, dass der Apollofalter ausstirbt. "Für Wirbellose gilt", betont das Autorenteam entschieden, "Ökosystemschutz geht vor Artenschutz." Wo die Welt untergeht, in der ein Insekt leben kann, nützen die besten Artenschutzvorschriften nichts.

Hören Sie auch das Interview mit der Autorin Eva Rosenkranz über ihr Buch "Das große Insektensterben", die Hintergründe der Entstehung und ihr Interesse für dieses Thema:
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Faktengesättigt rollen Andreas H. Segerer und Eva Rosenkranz Hintergründe und Verlauf des Insektensterbens auf, erläutern die Bedeutung der Tiere für Ökosysteme und Mensch und nennen die Ursachen: die giftbelasteten Monokulturen der industriellen Forst- und Landwirtschaft, Überdüngung, Versiegelung und Zersiedelung von Landschaften und eine Naturschutzgesetzgebung, die Insektenforschern immense bürokratische Hindernisse in den Weg legt (Artenschutz!), während riesige Land- und Forstwirtschaftsmaschinen andernorts im großen Stil Agrarwüsten erzeugen.

Insektensterben wird sinnlich erfahrbar

Dem arg dünnen Umschlag des Buches ist nicht anzusehen, wie aufwendig sich das Design im Inneren präsentiert. Farbige Zwischenüberschriften lockern den Text auf. Kästen zoomen Zitate und interessante Informationen hervor. Grünes Papier signalisiert: Hier wird ein besonderer Aspekt abseits vom Haupttext ausführlicher erörtert: Wie messen Wissenschaftler das Artensterben? Sind die Roten Listen mit dem Naturschutz überfordert? Oder persönlich: Was sind die zehn Lieblingsinsekten von Autor Andreas Segerer?
Zur Qualität des Buches tragen auch die vielen Fotografien bei, denn Flächenverbrauch, Zersiedelung – das sind abstrakte Begriffe. Doch wenn Luftaufnahmen zeigen, wie sich eine Gemeinde in wenigen Jahrzehnten unerbittlich in ihre Umgebung hineinfrisst, wird daraus eine sinnliche Erfahrung – und nebenbei lassen manch bunter Schmetterling, manch wogende Sommerwiese unmittelbar spüren, wie viel Schönheit und Lebendigkeit mit dem großen Sterben für immer verlorengeht.
Diesem Buch gelingt etwas Erstaunliches: Mit seinem geradlinigen, persönlichen, locker-souveränen Stil verwandelt es ein bedrückendes umweltpolitisches Thema in eine abwechslungsreiche Lektüre, der man sich gerne anvertraut und die am Ende zwar auch Tipps bereithält, wie sich heimische Balkone oder kommunales Grün insektenfreundlich aufbereiten lassen, im Kern aber deutlich bleibt: Ohne eine echte Agrarwende ist es Aus mit den Insekten – die Folgen werden sehr, sehr schmerzhaft sein.

Andreas H. Segerer, Eva Rosenkranz: "Das große Insektensterben – Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen"
oekom verlag, München 2018
208 Seiten, 20,00 Euro

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