André Georgi: "Die letzte Terroristin"

RAF-Thriller, der sich nichts traut

Das Cover von André Georgies Thriller "Die letzte Terroristin", im Hintergrund ist ein Plattenbau in Dresden zu sehen.
© Suhrkamp / Unsplash / Dmitri Popov
Von Matthias Dell · 07.07.2018
Die ungeklärten Umstände des Mordes an Treuhand-Chef Rohwedder nutzt André Georgi in seinem Thriller "Die letzte Terroristin" für spannende Spekulationen. Trotzdem stellt sich beim Lesen ein fades Völlegefühl ein, findet Kritiker Matthias Dell.
Der Thriller "Die letzte Terroristin" des Drehbuchautors André Georgi geht zurück in die Zeit, als Terrorismus in Deutschland noch auf das Kürzel RAF hörte. Und medial aufwändig und umfassend begleitet wurde. Von dieser Faszination lebt auch das Buch, das seine fiktiven Personen an doch klar erkennbaren Begebenheiten aus der Wirklichkeit entlang erzählt. Seinen Bogen spannt das Buch vom Mord am Deutsche-Bank-Chef Herrhausen 1989 (der hier Wegner heißt) über die Tötung des Treuhandvorsitzenden Rohwedder 1991 (im Buch Dahlmann) bis zum GSG-9-Einsatz auf dem Bahnhof von Bad Kleinen (bei Georgi: Bad Gronau), der zum Tod des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams (und des Polizisten Michael Newrzella) sowie zur Verhaftung Birgit Hogefelds führte.

Harte Schnitte, kurze Kapitel

Georgi erzählt filmisch, die kurzen Kapitel wechseln in harten Schnitten zwischen den verschiedenen Protagonisten hin und her: dem BKA-Mann Kawert, der auf V-Männer statt auf Computerfahndung setzt; dem Terroristenpärchen Bettina Polheim und Matthias Gelfert, die Unterstützung von Sandra Wellmann bekommen, die als Assistentin von Dahlmann unmittelbaren Zugang zum Treuhand-Chef hat (und als Studienfreundin von dessen Tochter in seinem Haus verkehrt – eine Anspielung auf Susanne Albrecht, die als Familienfreundin der Pontos die Tür zum Haus des dann ermordeten Dresdner-Bank-Chefs öffnete).
Dass sich "Die letzte Terroristin" an die realen Ereignisse anschmiegt, erscheint einerseits sinnvoll, wenn nicht notwendig, weil es kaum plausibel wirken würde, sich Parallelhandlungen zur breit mediatisierten RAF-Geschichte auszudenken, dafür sind die Bilder, die es gibt, zu mächtig. Andererseits verknappt sich das Buch damit aber seinen Spielraum fürs Fiktive, weil der Ausgang der richtigen Geschichte ja bekannt ist.

Streckenweise fad wie Fast Food

Am spannendsten sind folglich die im mitreißenden historischen Präsens erzählten Umstände der Dahlmann-Ermordung, weil der Rohwedder-Fall bis heute nicht aufgeklärt ist. Diese Leerstellen nutzt Georgi, um etwa die Logistik der Flucht auszumalen oder unsichtbare Profikiller in den Komplex einzuführen, die, als altgediente Stasi-Leute den Treuhand-Vorsitzenden im Auftrag von ökonomischen Interessen an den Chemiefabriken von Bitterfeld den Mann umbringen, der einer Übernahme durch entsprechende Player im Wege steht.
In seinen gesellschaftlichen Beschreibungen ist "Die letzte Terroristin" Kolportage – also wenig differenziert oder originell, was im Unterhaltungsgenre des Thrillers aber keine Überraschung ist. Schwerer wiegt, dass das Buch sich am Ende in der Daueraufgeregtheit seines historischen Präsens erschöpft – weil es als Spekulation zu verhalten und damit unbefriedigend bleibt, stellt sich ein fades Völlegefühl wie nach dem Verzehr von Fast Food ein.
Dabei hätte auch die reale Geschichte Fluchtpunkte fürs Fiktive geboten: Das späte RAF-Trio Garweg, Staub, Klette, das vor zwei Jahren durch Raubüberfälle ins Visier der Polizei geriet, ist noch immer nicht gefunden. Das wäre ein Raum gewesen, den "Die letzte Terroristin" mit Einfällen hätte füllen können.
So aber liest sich das Buch gut weg, ohne tiefere Eindrücke zu hinterlassen. Beispielhaft ist dafür der irreführende Titel, denn lange ist gar nicht klar, ob Polheim oder Sandra Wellheim als "letzte Terroristin" gemeint sein soll – und auf das darin anklingende Drama des Übriggeblieben-, Aus-der-Zeit-gefallen-Seins geht Georgis Buch gar nicht ein.

André Georgi: Die letzte Terroristin
Suhrkamp, Berlin 2018, 361 Seiten, 14,95 Euro

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