André Georgi: "Die letzte Terroristin"

Gewalt, die immer weitergeht

Der neue Roman von André Georgi beschäftigt sich mit der RAF - das historische Foto zeigt den Anschlag auf Deutsche Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen
Der neue Roman von André Georgi beschäftigt sich mit der RAF - das historische Foto zeigt den Anschlag auf Deutsche Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen © picture alliance / dpa / Kai-Uwe Wärner / Suhrkamp Verlag
Von Sonja Hartl · 12.10.2018
Der Thriller "Die letzte Terroristin" handelt von der dritten RAF-Generation. Den Autor André Georgi interessieren die politischen und persönlichen Verstrickungen der handelnden Figuren. Er hat Drehbücher für TV-Krimis wie den "Tatort" geschrieben.
Ein Attentat auf einen Banker steht am Anfang von André Georgis "Die letzte Terroristin". Doktor Ernst Wegner weiß, dass er hoch gefährdet ist und die RAF ihn vermutlich ins Visier genommen hat. Sein Sicherheitskonzept wurde angepasst, dennoch sind die zuständigen Stellen beim BKA alarmiert. Dann bekommt BKA-Mann Andreas Kawert von einem V-Mann den Hinweis, dass der Anschlag unmittelbar bevorsteht – doch verhindern kann er ihn nicht. Wegner stirbt durch eine Bombe, Kawert ist behördenintern angezählt.
RAF, Chef einer Bank, Frankfurt, 1991: Das weckt Erinnerungen an den Anschlag auf Alfred Herrhausen, Vorstand der Deutschen Bank. Auch er kam durch eine Bombe der RAF ums Leben, auch er wusste um seine Gefährdung.

Schnelle Szenen-, Orts- und Figurenwechsel

Doch Georgi belässt es in seinem Buch bei losen Parallelen. Ihn interessiert weniger eine historisch genaue Rekonstruktion der damaligen Ereignisse als die politischen und persönlichen Verstrickungen und ihre Folgen – sei es innerhalb einer der letzten Gruppen der RAF oder der Treuhand.
Um sie zu erforschen, nimmt er sich viele Freiheiten und belässt es lediglich bei den bekannten Eckdaten der Ereignisse: Nach der Ermordung des Bankchefs gerät der Treuhand-Chef – im Buch Dahlmann, in der Realität Rohwedder – ins Visier. Ohnehin bis heute nicht aufgeklärt, füllt Georgi Lücken mit einer Mischung aus Fakten zu anderen RAF-Anschlägen und Fiktion.
Das ist insbesondere bis zum stattfindenen Anschlag auf Dahlmann sehr spannend und temporeich - lediglich am Ende hätte sich Georgi aber mehr Freiheiten erlauben können.
"Die letzte Terroristin" bietet reizvolle Gedankenspiele über die dritte Generation der RAF und die Ereignisse in den 1990er-Jahren, ohne eine einzige Lesart und Erklärung allzu nahe zu legen. Vor allem lebt das Buch von der Erzählweise: Georgi wirft die Leser in eine Szene, Orts- und Figurenwechsel finden ohne große Erklärung statt, die Charaktere werden nicht lange eingeführt.

Ein ganzes Leben in wenigen Sätzen

Als filmisch wird so ein Stil oftmals beschrieben. Tatsächlich liegt es hier nahe, ist doch Georgi auch Drehbuchautor und hat unter anderem für den "Tatort" geschrieben und die Erzählungen von Ferdinand von Schirach adaptiert. Auch die Verfilmung von "Die letzte Terroristin" ist bereits geplant, im November soll "Der Mordanschlag" im ZDF laufen.
Die Stärke seines Stils beweist sich in dem hohem Tempo, das von Anfang an eingeschlagen wird – dazu kommen einfache Ideen wie kurze Zusammenfassungen der Folgen des Anschlags oder einer Tat für die Betroffenen. Hier wird kurz angerissen, wie beispielsweise das weitere Leben von Wegners Tochter verlaufen wird. Wenige Sätze, die ein gesamtes Leben zusammenfassen und zugleich deutlich machen, dass Gewalt niemals mit der eigentlichen Tat endet.

André Georgi: "Die letzte Terroristin"
Suhrkamp, Berlin 2018
361 Seiten, 14,95 Euro

Mehr zum Thema