"Andere Arztgruppen können Versorgung besser gewährleisten"

Moderation: Birgit Kolkmann |
Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Baden-Württemberg will künftig statt mit der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem Hausärzteverband und dem MEDI Verbund verhandeln. Das teilte der AOK-Vorstandsvorsitzende Rolf Hoberg mit.
Birgit Kolkmann: Und der dafür Verantwortliche ist jetzt am "Ortszeit"-Telefon, ich begrüße den Vorstandsvorsitzenden der Allgemeinen Ortskrankenkasse Baden-Württemberg. Guten Morgen, Rolf Hoberg!

Rolf Hoberg: Ja, guten Morgen!

Kolkmann: Herr Hoberg, wer hat bei Ihnen nun das Rennen gemacht in der Ausschreibung?

Hoberg: Wir haben heute Nacht vor Ablauf der Ausschreibungsfrist mitgeteilt, dass der Hausärzteverband und MEDI unsere Vertragspartner werden sollen. Wir werden mit diesen beiden Arztgruppen Verhandlungen aufnehmen.

Kolkmann: Was haben diese beiden Gruppen anzubieten, was besser ist als das, was die Kassenärztliche Vereinigung bisher angeboten hat?

Hoberg: Wir sind ja in einem Ausschreibungsverfahren, und in einem Ausschreibungsverfahren geht es erst mal darum, wie weit diejenigen, die Angebote eingereicht haben, die Ausschreibungskriterien erfüllen können und wie weit sie den gesetzlichen Anforderungen genügen. Und hier hat die Auswertung der eingereichten Bewerbungen ergeben, dass nur diese beiden Arztgruppen die Anforderungen voll erfüllen.

Kolkmann: Wie viele haben sich insgesamt beworben?

Hoberg: Es haben sich insgesamt sechs verschiedene Anbieter beworben, und unter denen war dann die Auswahl zu treffen, und es waren dann vor allem formale Gründe, die hier zu einer sehr klaren Entscheidung geführt haben.

Kolkmann: Die formalen Gründe waren genau?

Hoberg: Die sind jetzt heute Nacht differenziert den einzelnen Anbietern mitgeteilt worden. Es ist hauptsächlich das Problem, wie weit sie in der Lage sind, die geforderte Zahl von 3000 Ärzten für die hausärztliche Versorgung zu organisieren.

Kolkmann: War die Kassenärztliche Vereinigung auch mit dabei bei den Bewerbern?

Hoberg: Auch die Kassenärztliche Vereinigung und auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns haben sich um diesen Versorgungsauftrag beworben.

Kolkmann: Warum sind die nicht zum Zuge gekommen?

Hoberg: Sie erfüllen nach unserer Ansicht nicht die Anforderung, dass sie hier im Land eine Mandatierung für 3000 Ärzte aufweisen können, und das war ja unser entscheidendes Kriterium. Wir wollen eine flächendeckende Versorgung organisieren in Baden-Württemberg, zusammen mit Vertragspartnern, und dazu ist es notwendig, dass wir mindestens 3000 Ärzte in Baden-Württemberg finden, die an diesem Vertrag teilnehmen.

Kolkmann: Welche Verbesserungen erhoffen Sie sich nun dadurch? Die Ärzte, die dann da mitmachen, müssen sich ja an bestimmte Auflagen halten, die möglicherweise dann auch vom ganzen Organisationsablauf der Abrechnungen her billiger kommen. Was haben die Patienten dann davon?

Hoberg: Für die Patienten wird sehr klar werden, dass die Behandlungsabläufe für sie optimal strukturiert werden. Wir bekommen eine Versorgung, in der der Hausarzt wirklich als Lotse auftreten kann für den Patienten, und das Gesundheitswesen ist inzwischen so kompliziert und so schwer überschaubar geworden, dass nicht mehr die Frage, finde ich einen Arzt, sondern, wie finde ich den richtigen Arzt, die für den Patienten entscheidende Frage geworden ist. Und hier werden die Ärzte, mit denen wir den Vertrag machen, alle Hilfestellung geben, dass das bestmöglich erfüllt wird.

Kolkmann: Knacken Sie denn nun eigentlich das Monopol der Kassenärztlichen Vereinigung mit diesem ersten Schritt? Es geht ja im Moment jetzt erst einmal "nur", in Anführungsstrichen, um die Hausärzte, noch nicht um die Fachärzte.

Hoberg: Es ist in der Tat so, dass Wettbewerb in das System hineinkommt, sonst hätte sich ja auch nicht die KV um diesen Versorgungsauftrag beworben, und Wettbewerb ist erst mal ein gutes Element, um Klarheit zu schaffen, wie Angebotsbedingungen und wie die Nachfrage aussieht. Ob wir ein Monopol knacken oder nicht, ist für uns nicht der entscheidende Punkt, sondern wir wollen in einer direkten Vertragsbeziehung zu Ärzten gute Versorgung – dann aber auch für eine gute Vergütung – organisieren, und das möglichst mit weniger Bürokratieaufwand als das heute der Fall ist.

Kolkmann: Weniger Aufwand, auch finanziellen Aufwand – was wollen Sie an Honoraren künftig zahlen und was haben Sie in der Vergangenheit gezahlt?

Hoberg: Das ist jetzt der Auftrag in den Verhandlungen, die etwa weitere drei Monate dauern werden, dieses zu klären. Um welche Leistungen geht es, die wir dann mit den Ärzten vereinbaren, und um welche Vergütung? Und genau das ist dann Gegenstand von Verhandlungen, das kann ich jetzt am Anfang noch nicht vorwegnehmen.

Kolkmann: Was haben Sie bislang gezahlt?

Hoberg: Wir haben ein Honorarvolumen von ungefähr 500 Millionen im Bereich der hausärztlichen Versorgung, und wir werden sehen müssen, welche Leistungen wir aus dem bisherigen großen Paket der hausärztlichen Versorgung heraus mit den Hausärzten vereinbaren und welche zusätzlichen Leistungen – wie zum Beispiel Abendsprechstunde, Angebot einer Patientenakte, Angebote, die interessant sind für den Patienten – wir vereinbaren können.

Kolkmann: Das sind ja doch sehr, sehr große Summen, von denen da die Rede ist. Wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen diese nun nicht mehr bekommen, dann geht es doch für sie irgendwie auch ums Überleben, oder?

Hoberg: Es ist ja nicht so, dass die Kassenärztliche Vereinigung dieses Geld bekommt, sie sind Durchleitungsstelle …

Kolkmann: Sie verteilen es dann weiter?

Hoberg: Sie sind Durchleitungsstelle für dieses Geld in Richtung auf die Ärzte, und insoweit geht es nicht um dieses Summe, sondern es geht um das, was dann als Verwaltungsausgaben der KV abgeschöpft wird.

Kolkmann: Vielen Dank. Das war Rolf Hoberg, der Vorstandsvorsitzende der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Baden-Württemberg. Es geht darum, einen neuen Vertrag für die Hausärzte auszuhandeln, und möglicherweise wird damit das Monopol der Kassenärztlichen Vereinigungen erstmals geknackt.