Anarchie und Selbstverwaltung

28.10.2013
In Griechenland ist der staatliche Rundfunk offiziell abgeschaltet, inoffiziell ein Piratensender. Ansonsten könne man derzeit im Land nur zwischen Propaganda oder Dudelfunk wählen, sagt Deutschlandradio Kultur-Reporterin Britta Bürger. Sie war in Athen und hat sich umgehört.
Als die griechische Regierung unter Spardruck den staatlichen Rundfunk ERT im Juni 2013 abschaltete, standen 2600 Mitarbeiter über Nacht auf der Straße. Einige Hundert wehrten sich dagegen ganz pragmatisch. Sie besetzten das zentrale Rundfunkgebäude in Athen und sendeten weiter. Unbezahlt und als Piraten. Nun arbeiten sie unter erschwerten Bedingungen: kaputte Toiletten, gekappte Leitungen, Rauch auf den Gängen. "Es herrscht eine anarchische Stimmung und erinnerte mich an die Zeit nach dem Mauerfall in Ostberlin", so Britta Bürger.

Gegen alle Widerstände senden die Mitarbeiter der staatlichen ERT weiter. Die Meinungen über die Aktion seien jedoch gespalten. Engagierte Programmmacher wollen den Rundfunk als Instrument der Demokratie retten, vielen fehle jedoch die Selbstkritik an den alten ERT-Strukturen. Auch Teile der Bevölkerung finden die ERT hätte schon längst und zu Recht aufgelöst werden sollen. "Das sei jedoch zu undifferenziert, da Korruption und Intransparenz vor allem im Bereich der Führungsebene und nicht bei den engagierten Programmmachern stattgefunden hat", sagte Bürger.

Zudem gebe es gar keine Alternative. Trotz hoher Senderdichte empfange man statt Programmvielfalt in Griechenland derzeit nur einseitiges Programm. "Man hat die Wahl zwischen Dudelfunk und Propagandaprogramm, in dem abweichende Meinungen einfach abgebügelt werden.", so Bürger. Ihrer demokratischen Pflicht, die Grundversorgung mit Informationen für die Bürger sicher zu stellen, komme die griechische Regierung in jedem Fall nicht nach.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 29.3.2014 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.

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