Ausstellung "John Cage. Museum Circle"

Entspannende Anarchie im Museum

05:48 Minuten
Eine Kunstinstallation von Jean-Luc Cornec im Zollamt des Museums für Moderne Kunst Frankfurt. Die Installation zeigt Schafe, die aus spiralförmigen Telefonkabeln und Telefonen bestehen.
Unterhaltsam und entspannend: Auch die Telefon-Schafe von Jean-Luc Cornec fanden per Zufallsgenerator ihren Weg in die Ausstellung "John Cage. Museumcircle". © Jean-Luc Cornec, TribuT, 1989, Museum für Kommunikation Frankfurt, Ausstellungsansicht ZOLLAMT MMK / Axel Schneider
Von Rudolf Schmitz · 13.12.2021
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Wie wäre es, wenn wir die Zusammenstellung einer Ausstellung dem Zufall überließen? Das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt hat diese Idee des Künstlers John Cage aufgegriffen. Es zeigt 40 wild durcheinandergewürfelte Museumsobjekte.
Mario Kramer, normalerweise Kurator am Frankfurter Museum für Moderne Kunst (MMK), wirkt geradezu erleichtert und beschwingt:  "Alle kuratorischen Entscheidungen, die ich sonst im Museum bei jeder Ausstellung treffen muss, die wurden mir völlig abgenommen: die Auswahl der Objekte und sogar die Platzierung im Raum.“ 
Nein, er sei nicht der Kurator dieser Ausstellung, betont er immer wieder. Er habe sie bloß realisiert. Mehr als 40 Frankfurter Museen, darunter solche wie das Klaa Paris - das Fastnachtsmuseum in Heddernheim - oder die Kriminaltechnische Lehrmittelsammlung des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main, hat er angeschrieben und um eine Liste von zehn Exponaten gebeten.

Per Zufall und Raumraster

Daraus wurde je ein Objekt per Zufallsgenerator ausgewählt und mittels eines Raumrasters, eines Grids, ebenfalls zufällig platziert. Kramer erläutert das Prinzip.
„Denn für so eine Wand, egal wie groß sie ist, muss eigentlich nur ein schachbrettartiges Grid auf die Wand gezeichnet werden. Das macht man ganz einfach mit Blue Tape. Das wird durchnummeriert, und dann wird ausgelost, welches Objekt, welches Bild, welche Zeichnung, welches Relief an welches Feld auf die Wand platziert wird. Und das gleiche machst du mit den fast 20 Objekten im Raum.“ 

Niko Kovacs Anzug

Man glaubt es kaum: Entstanden ist ein wunderbar herausforderndes Kuriositätenkabinett, mit einer Gruppe von Telefonkabelschafen als weihnachtlichem Eyecatcher in der Mitte des Raums. Mit ihren Schafsköpfen aus grauen Telefonhörern scheinen sie über die Fortschritte menschlicher Kommunikation nachzusinnen. Kein Wunder: Sie entstammen dem entsprechenden Museum. 
Die Schafe sind da, die Krippe fehlt noch. Dafür haben sich eine Korbpresse zur Apfelweinproduktion, ein depressiv grauer Fahrkartenautomat von 1974, eine Marmorbüste des Mediziners und Zoologen Ernst Haeckel und ein schwarzer Anzug mit Krawatte eingefunden.
"Die Frankfurter Eintracht hat 2018 das Pokalfinale gewonnen, noch dazu gegen Bayern München, 3:1", liefert Kramer als Erklärung. "Und an jenem Tag trug der damalige Trainer Niko Kovac diesen Anzug. Und der befindet sich heute in der Sammlung des Eintracht-Museums. Und zufälligerweise wurde dieser Anzug ausgewählt“.

Wie aus fürstlichen Kuriositätenkabinetten

Diese herrlich entspannende Ausstellung - keine Hierarchie, keine Chronologie, keine mühsam zu dechiffrierende Botschaft - wirkt wie eine leicht derangierte Chorprobe der Vorweihnachtszeit. Und wie zufällig erinnert sie an die Herkunft unserer abendländischen Museumslandschaft aus den fürstlichen Wunderkammern und Kuriositätenkabinetten.
Jedes der hier versammelten Objekte hat eine – oft kuriose – Geschichte zu erzählen. Wie das Tierpräparat der Taube Charly, die 1999 mithalf, den „Thomy-Erpresser“ ausfindig zu machen, der vergiftete Lebensmittel in Supermärkten ausgelegt hatte.
Das Lösegeld sollte in Form von Diamanten in ihren Brustbeutel gesteckt werden, die Polizei versah die Taube mit einem Peilsender, der schließlich auf ein bestimmtes Gartengrundstück verwies. Die Polizisten im verfolgenden Hubschrauber brauchten den Täter nur noch verhaften.

Charmant, überraschend, demokratisch

Was ist das Museum? Ein Ort der gesammelten Objekte, die pausenlos Geschichten über uns, unsere Geschichte, unsere Gesellschaft, unsere Psyche, unsere pathologischen Zustände erzählen.
Das macht diese Frankfurter Ausstellung auf charmante, überraschende und äußerst demokratische Weise klar. Und tut dabei so, als sei das alles rein zufällig ans Licht gekommen. 

Die Ausstellung "John Cage. Museumcircle" ist bis zum 20. März 2022 am Standort Zollamt des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main zu sehen.

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