Analystin über Kim Jong-un

Warum Nordkorea für die CIA "das härteste aller harten Ziele" ist

04:39 Minuten
Kim Jong-un, 19. Juli, 2020.
"Kim Jong-un ist extrem ungeduldig", sagt die Nordkorea-Expertin Jung Pak über den Diktator. © picture alliance / YNA
Von Nana Brink  · 21.07.2020
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Sie berichtete für die CIA zu Zeiten der Obama-Regierung über Nordkorea. Nun hat Jung Pak mit "Kim Jong-un" ein Buch über den Diktator des Landes vorgelegt. Sie versucht, hinter die Wand aus bizarrer Propaganda und Falschmeldungen zu dringen.
Der erste Handshake zwischen Donald Trump und Kim Jong-un war CNN eine mehrstündige Live-Sendung wert. Vor zwei Jahren, am 12. Juni 2018, hält die Welt den Atem an, sagt der Reporter und seine Stimme überschlägt sich fast.
Monate zuvor nur haben der amerikanische Präsident und der nordkoreanischen Machthaber die Welt an den Rand eines nuklearen Abgrundes gebracht. Jung Pak, renommierte Nordkorea-Spezialistin, sieht den Handschlag im Fernsehen. "Ich wusste", sagt sie heute aus ihrem Homeoffice in Washington am Telefon: "Das wird nicht funktionieren."
"Trump wollte diese Gipfeldiplomatie, aber die Durchführung war schlecht organisiert. Der Präsident hat gepostet, dass er sich nicht vorbereitet hat und er ist dann auch in die Falle getappt. Wenn man jemandem in die Augen sieht, heißt das nicht, dass er die Wahrheit spricht. Trumps Unilateralismus in Bezug auf Nordkorea und das Atomprogramm hat nicht funktioniert."

Von Kritikern als Standardwerk bejubelt

Ihr Buch "Kim Jong-un", das im April in den USA und jetzt auf Deutsch erschienen ist, wird von amerikanischen Kritikern schon als Standardwerk bejubelt. Wer ist dieser Diktator eines abgeschotteten 25-Millionen-Volkes, der mal als "Riesenbaby" verspottet oder als "Raketenmann" gefürchtet wird?
Die ehemalige CIA-Analystin Jung Pak beschäftigt sich seit Jahren mit ihm. Zuständig für Nordkorea, hat sie sowohl Präsident Obama wie die Führungsriege der damaligen US-Regierung informiert. Ihre Warnung: Kim Jong-un zu unterschätzen, ist ein großer Fehler.
"Was ich in der Vergangenheit gesehen habe, war erstens: Er ist extrem ungeduldig. Das ist typisch für jemanden, der nur gehätschelt wird und privilegiert aufwächst. Alle tanzen nach seiner Pfeife. Zweitens: Er beharrt auf seinem Standpunkt. Also wenn Präsident Trump sagt, wir heben die Sanktionen nicht auf, sagt er: Gut, dann eben nicht. Als Trump ihn 2017 mit einem Militärschlag gedroht hat, hat er noch eins draufgesetzt: Mach es!"

"Das härteste aller harten Ziele"

Sich über den Personenkult um die Dynastie der Kims lustig zu machen, ist einfach, meint Jung Pak, die heute für die Brookings Institution, einen der größten Think Tanks in Washington, arbeitet. Viel schwieriger sei es, hinter die Wand aus bizarrer Propaganda und Falschmeldungen zu dringen.
"Nordkorea ist 'das härteste aller harten Ziele' bei der CIA", sagt sie, "weil das Regime eine robuste Gegenspionage hat, eine immense Geheimdienstbürokratie, die jeden überwacht. Und es ist wirklich schwer, die Absichten und Möglichkeiten des Regimes zu erfassen."
Und genau das reizt Jung Pak. Sie ist ehrgeizig. Die erste Generation, die in den USA aufwächst. Ihre Eltern, eingewandert aus Südkorea, haben eine kleine Schneiderei in Manhattan. Die Tochter schafft es auf eine Elite-Universität – eine amerikanische Tellerwäscher-Geschichte.

Das Geheimdienstleben hat seinen Preis

Sie studiert ein Jahr in Seoul, heuert bei der CIA an. Zum Schluss koordiniert sie die CIA-Analysen für Nordkorea beim National Intelligence Council, eine Art Think Tank der amerikanischen Geheimdienste. Aber – und am Telefon hört man ihr Zögern – es hat einen Preis.
"Du bist immer am Abgrund, du bist zu Hause, du denkst, alles ist erledigt und dann kommt dieser Anruf. Dein Chef, es passiert gerade was, kannst du ins Büro kommen, der Präsident braucht etwas. Dann packst du deine Kinder ins Bett und rast ins Büro. Das ist aufregend, aber es verlangt auch eine ungeheure Widerstandsfähigkeit. Und wenn du falsch liegst, könnten Menschenleben in Gefahr sein."
2016 verlässt Jung Pak die CIA. Ob die Wahl von Donald Trump dazu beigetragen hat, lässt sie diplomatisch offen. Bei Brookings, wo sie als Senior Fellow arbeitet, genießt sie vor allem eines:
"Der größte Unterschied zwischen einem Think Tank und der CIA ist: Bei der CIA machen wir keine Politikberatung, wir machen Analysen", erklärt sie. "Aber bei einem Think Tank kannst du sagen: Die USA sollten das machen! Das war ein No-Go beim Geheimdienst."

Den CIA-Sitz noch nicht ganz vergessen

So ist ihr Buch über Kim Jong-un eine ziemlich gelungene Mischung aus historischem Abriss über das System Kim sowie ein detailreiches Porträt des nicht mehr ganz so mysteriösen Diktators.
"Was wir von Kim gesehen haben, ist traurigerweise ziemlich übereinstimmend mit den Geheimdienstinformationen", sagt sie. "Er wird seine Atomwaffen nicht aufgeben, außer er spürt, sie machen sein Überleben weniger sicher."
Ganz kühle Analytikerin, beschreibt sie ausführlich in ihrem Buch, wie amateurhaft die derzeitige US-Regierung mit dem Phänomen Nordkorea umgeht. Ganz allerdings, sagt Jung Pak mit hörbarem Lächeln in der Stimme, könne sie Langley, den Sitz der CIA, eben nicht vergessen.
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