Analyse einer Bilderfabrik
Eine Schau im Pariser Jeu de Paume zeigt Hunderte teilweise zum ersten Mal gezeigte Filmausschnitte, Zeichnungen und historische Dokumente von Federico Fellinis Werk. Die Schau rückt einige Wahrheiten in ihren historischen Kontext und analysiert seine Bilderfabrik.
Federico Fellini. Kaum ist sein Name über die Lippen getreten, bestürmen uns schon Bilderfluten von prallen Frauen, sinnlichen Gelüsten und unterdrückten Trieben. In "Rom, offene Stadt" inszenierte Fellini 1946 eine beißende Modenschau für die Würdenträger der katholischen Kirche: Nonnenhütte mit Engelsflügeln, strapazierfähige Kutten für Krisengebiete und in rote Seide gewandete Pfaffen auf Rollschuhen, damit sie schneller den Weg ins Paradies finden.
Fellinis Filme gleichen einem Defilee menschlicher Absichten und Abgründe, meint Sam Stourdzé, der sich als Kurator Fellinis "Grosse Parade" ausgedacht hat:
"In seinen Filmen kommen ständig Defilees vor: Defilees der Prostituierten, der Motorradfahrer, der Faschisten. Fellini, das ist eine extravagante Welt, zwischen Bettlerhof und groteskem Defilee. Das ist Zirkus, Clown, Music-Hall ... Insofern erschien mir 'Die Große Parade' ein angemessener Titel."
Drei Jahre lang hat Stourdzé über 30 Film-Ausschnitte, 400 Fotografien, Zeichnungen, Plakate und Dokumente zusammengetragen. Er rückt Fellinis Filmgenie thematisch auf den Leib, offenbart uns, wie sehr der Maestro sein Image in den Medien kontrollierte. Gleichzeitig arbeitete er überaus volksnah.
In Rimini ließ Fellini regelmäßig per Kleinanzeige Darsteller suchen und erstellte anschließend keine Verbrecher- sondern eine Charakter-Kartei fellinischer Art. Allein das Casting für die passenden Pobacken konnte Tage dauern. Liebe zum Detail, Ausdauer und ein genialer Blick fürs filmisch Fassbare als Zutaten für Fellinis Wunderrezept:
"Die größte Herausforderung dieser Ausstellung besteht darin, seine Bilderfabrik zu verstehen, wie er die Bilder konstruiert hat, wie die Bilder zirkulieren. Er hat sich vorher immer sehr viel angesehen, viele Zeitschriften, er war ein aufmerksamer Beobachter und vor allem hatte er ein unglaubliches Talent, alles aufzuspüren, was als Material fürs Kino verwendet werden könnte. Er hat das alles sich einverleibt und in seinen Filmen zum Ausdruck gebracht."
Die Schau ist als Schwindel erzeugendes Hin und Her konzipiert. Der ständige Wechsel zwischen Perspektive und Gegenperspektive verwirrt unsere Sinne. Wenn wir vor einer Leinwand stehen und Fellinis Kultfilm "8 ½" genießen, dann drehen wir gerade einer der wichtigsten Entdeckungen der Ausstellung den Rücken zu, den farbigen Standbildern von Paul Ronalds:
"Wir entdecken auf einmal einen von Fellinis Kultfilmen "8 1/2", den wir nur schwarzweiß kannten, als Film, der in Farbe erdacht und konzipiert worden ist. Das ist nur ein kleiner Auftakt dafür, was man zur Farbe bei Fellini sagen könnte. Diese Fotografien von Paul Ronalds sind jedenfalls ein Must."
Fellini hatte als talentierter Karikaturist bei der Zeitung angefangen und dann als umstrittener Filmemacher Karriere gemacht. Für "La Strada" – "Das Lied der Strasse" erntet er bei der Kirche Beifall, die Neorealisten rund um Rosselini regen sich furchtbar über das naive Märchen auf. Bei "Dolce Vita" schreit die Kirche Skandal und die Neorealisten finden ihn wunderbar.
Eine von vielen Dingen, die wir erst dank der Ausstellung wissen: die Auftaktszene - als ein Hubschrauber eine monumentale Christus-Figur in Schlepptau nimmt - ist keine gotteslästerliche Erfindung Fellinis:
"Es ist interessant, dass diese Hubschrauber-Szene tatsächlich stattgefunden hat. Nämlich vier Jahre vor dem Filmdreh. Damals ist in Mailand ein Hubschrauber auf einem Marktplatz gelandet, mit einer Christus-Statue an Bord. Fellini hat diese Bilder gesehen und anschließend für seinen Film rekonstruiert.
Das Gleiche gilt für die berühmte Szene von Marcello Mastroianni und Anita Ekberg am Trevi-Brunnen. Zwei Jahre vorher gibt es bereits Fotos von Ekberg allein im Trevi-Brunnen. Fellini sieht diese Aufnahmen und möchte sie rekonstruieren."
Seit sein Psychotherapeut ihn zum Zeichnen anhielt, transportierte Fellini seine Traumwelten von der Seele aufs Papier und weiter zum Film. In vielerlei Hinsicht bleibt Fellinis Selbstbekenntnis als großer Lügner bis heute brennend aktuell: sein Umgang mit der Medienwelt, wie er Dinge darstellt und repräsentiert. Ein 1981 als farbige Zeichnung festgehaltener Traum könnte als Manifest der Ausstellung dienen:
"Wir sehen eine recht üppige Frau, am anderen Ende Fellini, neben einem Filmprojektor. Tatsächlich entdecken wir, dass es sich bei der Frau um ein projiziertes Bild handelt.
Fellinis Kommentar zu diesem Traumbild: Diese Bilder sind echter als die Wahrheit selbst. Es geht nicht mehr um DIE Wirklichkeit oder DIE Wahrheit, sondern nur um seine Wahrheit und seine Wirklichkeit."
Fellinis Filme gleichen einem Defilee menschlicher Absichten und Abgründe, meint Sam Stourdzé, der sich als Kurator Fellinis "Grosse Parade" ausgedacht hat:
"In seinen Filmen kommen ständig Defilees vor: Defilees der Prostituierten, der Motorradfahrer, der Faschisten. Fellini, das ist eine extravagante Welt, zwischen Bettlerhof und groteskem Defilee. Das ist Zirkus, Clown, Music-Hall ... Insofern erschien mir 'Die Große Parade' ein angemessener Titel."
Drei Jahre lang hat Stourdzé über 30 Film-Ausschnitte, 400 Fotografien, Zeichnungen, Plakate und Dokumente zusammengetragen. Er rückt Fellinis Filmgenie thematisch auf den Leib, offenbart uns, wie sehr der Maestro sein Image in den Medien kontrollierte. Gleichzeitig arbeitete er überaus volksnah.
In Rimini ließ Fellini regelmäßig per Kleinanzeige Darsteller suchen und erstellte anschließend keine Verbrecher- sondern eine Charakter-Kartei fellinischer Art. Allein das Casting für die passenden Pobacken konnte Tage dauern. Liebe zum Detail, Ausdauer und ein genialer Blick fürs filmisch Fassbare als Zutaten für Fellinis Wunderrezept:
"Die größte Herausforderung dieser Ausstellung besteht darin, seine Bilderfabrik zu verstehen, wie er die Bilder konstruiert hat, wie die Bilder zirkulieren. Er hat sich vorher immer sehr viel angesehen, viele Zeitschriften, er war ein aufmerksamer Beobachter und vor allem hatte er ein unglaubliches Talent, alles aufzuspüren, was als Material fürs Kino verwendet werden könnte. Er hat das alles sich einverleibt und in seinen Filmen zum Ausdruck gebracht."
Die Schau ist als Schwindel erzeugendes Hin und Her konzipiert. Der ständige Wechsel zwischen Perspektive und Gegenperspektive verwirrt unsere Sinne. Wenn wir vor einer Leinwand stehen und Fellinis Kultfilm "8 ½" genießen, dann drehen wir gerade einer der wichtigsten Entdeckungen der Ausstellung den Rücken zu, den farbigen Standbildern von Paul Ronalds:
"Wir entdecken auf einmal einen von Fellinis Kultfilmen "8 1/2", den wir nur schwarzweiß kannten, als Film, der in Farbe erdacht und konzipiert worden ist. Das ist nur ein kleiner Auftakt dafür, was man zur Farbe bei Fellini sagen könnte. Diese Fotografien von Paul Ronalds sind jedenfalls ein Must."
Fellini hatte als talentierter Karikaturist bei der Zeitung angefangen und dann als umstrittener Filmemacher Karriere gemacht. Für "La Strada" – "Das Lied der Strasse" erntet er bei der Kirche Beifall, die Neorealisten rund um Rosselini regen sich furchtbar über das naive Märchen auf. Bei "Dolce Vita" schreit die Kirche Skandal und die Neorealisten finden ihn wunderbar.
Eine von vielen Dingen, die wir erst dank der Ausstellung wissen: die Auftaktszene - als ein Hubschrauber eine monumentale Christus-Figur in Schlepptau nimmt - ist keine gotteslästerliche Erfindung Fellinis:
"Es ist interessant, dass diese Hubschrauber-Szene tatsächlich stattgefunden hat. Nämlich vier Jahre vor dem Filmdreh. Damals ist in Mailand ein Hubschrauber auf einem Marktplatz gelandet, mit einer Christus-Statue an Bord. Fellini hat diese Bilder gesehen und anschließend für seinen Film rekonstruiert.
Das Gleiche gilt für die berühmte Szene von Marcello Mastroianni und Anita Ekberg am Trevi-Brunnen. Zwei Jahre vorher gibt es bereits Fotos von Ekberg allein im Trevi-Brunnen. Fellini sieht diese Aufnahmen und möchte sie rekonstruieren."
Seit sein Psychotherapeut ihn zum Zeichnen anhielt, transportierte Fellini seine Traumwelten von der Seele aufs Papier und weiter zum Film. In vielerlei Hinsicht bleibt Fellinis Selbstbekenntnis als großer Lügner bis heute brennend aktuell: sein Umgang mit der Medienwelt, wie er Dinge darstellt und repräsentiert. Ein 1981 als farbige Zeichnung festgehaltener Traum könnte als Manifest der Ausstellung dienen:
"Wir sehen eine recht üppige Frau, am anderen Ende Fellini, neben einem Filmprojektor. Tatsächlich entdecken wir, dass es sich bei der Frau um ein projiziertes Bild handelt.
Fellinis Kommentar zu diesem Traumbild: Diese Bilder sind echter als die Wahrheit selbst. Es geht nicht mehr um DIE Wirklichkeit oder DIE Wahrheit, sondern nur um seine Wahrheit und seine Wirklichkeit."