An Verdi wagt sie sich noch nicht heran

Von Patricia Hofmann · 12.09.2007
Als ihre Verwandten während eines gemeinsamen Opernabends anfangen zu weinen, ist es ihr furchtbar peinlich. Doch schon kurze Zeit später entwickelt Nadja Loschky selbst eine große Leidenschaft für die Oper- und wird Regisseurin für Musiktheater. Mittlerweile hat sie schon Erfahrungen mit eigenen Inszenierungen gesammelt, doch vor Verdi-Opern hat sie immer noch Respekt.
Sie ist 24 Jahre alt und stammt vom Lande. In der Nähe von Kaiserslautern ist sie aufgewachsen, war immer von Natur, Hunden und Katzen umgeben. Das vermisst sie, seitdem sie in Berlin Musiktheaterregie studiert. Joggen im Tiergarten ist da kein Ersatz – Nadja Loschky empfindet das nur als langweilig:

"Ich hab eigentlich immer gedacht: `Mann ich möchte was auf vier Pfoten, was neben mir her höppelt, haben`."

So begleitet sie nun immer ein kleiner Terrier, auch bei den Proben im Theater, und Nadja Loschky hat endlich den Ausgleich, den sie braucht.

"Ich lauf` wirklich morgens meine zwei Stunden und krieg den Kopf ganz anders frei. Diese ganzen Knoten lösen sich mal. Das ist echt gut."

Nadja Loschky ist ein sportlicher Typ: sehr groß, sehr schlank, mit fast breiten Schultern – dichte, dunkelblonde, glatte Haare fassen ein offenes Gesicht. Man spürt, dass Nadja Loschky in sich ruht und überzeugt ist von ihrer Arbeit als Opernregisseurin. Begonnen hatte eigentlich alles mit Puccini:

"Ich hatte da so ein Erlebnis. Da saß die komplette weibliche Verwandtschaft über 30 bei Puccinis 'Madame Butterfly' und heulte. Und mir war das tierisch peinlich. Ich war echt dazwischen und dachte: 'Oh, ist das furchtbar.' Und irgendwann bei einer 'Boheme' war es dann so, dass es etwas aufgemacht hatte bei mir und ich auf einmal dachte: `Oper ist doch echt spannend`."

Puccini ist ein Lieblingskomponist geblieben, die Italiener vielleicht überhaupt. Monteverdi hat sie jetzt entdeckt – seine "Poppea" würde Loschky gerne als Abschlussarbeit für ihr Studium der Musiktheaterregie machen. Absoluter Favorit bleibt aber Giuseppe Verdi.

"Das ist echt `ne Musik, die bei mir alle Knöpfe dreht sozusagen."

Doch an Verdi will sie sich jetzt noch nicht heran wagen – das soll warten. Da ist der Respekt zu groß. Nach Inspiration sucht Nadja Loschky überall: geht viel ins Konzert, ins Theater – lieber als in die Oper, sieht sich Filme an, hört Radio oder stürzt sich in die Klangwelt des französischen Chansons oder des Jazz.

"Ich lese viel, Fotos. Manchmal sieht man ein Plakat irgendwo hängen und denkt:`Oh`. Oder bei Lafayette `ne komische Dekoration mit irgendeiner Schaufensterpuppe, wo man auf einmal denkt: `Mensch, das ist es für die und die Szene`."

Schon während der Schulzeit hospitierte Nadja Loschky an der städtischen Oper in Kaiserslautern – allerdings zuerst in der Dramaturgie. Dann zur Abiturzeit kam ihre erste Regieassistenz.

"Wo ich eigentlich auch ziemlich schnell nach ein paar Proben wusste: `Oh scheiße, das will ich auch machen.` Also, wo ich auch gemerkt habe, dass ich Ideen hatte und Bilder, die hat man damals natürlich noch überhaupt nicht irgendwie bewertet, sondern es war halt einfach da, und man hat so rumgesponnen. Und so kam das. Eigentlich wollte ich Tierärztin werden - vorher. Naja."

Regie führte damals Carin Marquardt – eine wichtige Begegnung für Nadja Loschky. Denn drei Jahre später ist Carin Marquardt neue Chefdramaturgin in Osnabrück und holt sich ihre junge Regieassistentin von damals mit ins Team.

Als erstes selbständiges Projekt in Osnabrück inszeniert Nadja Loschky dann eine Oper für Jugendliche: "Das Tagebuch der Anne Frank" – ein Soloabend für eine Sängerin des Komponisten Grigori Frid. Loschky lässt hier ihre Solistin zu bewegender und auch humorvoller Intensität aufspielen – nicht ohne Grund wurde ihre Arbeit dieses Jahr zum Kinder- und Jugendtheatertreffen "Augenblick Mal" nach Berlin eingeladen.

Im Mai hatte ihre letzte Inszenierung in Osnabrück und in München Premiere, die Kinderoper "Rotkäppchen LAUF" – ein großer Erfolg. Jetzt zeigt Nadja Loschky im Rahmen des Festivals "Spieltriebe" in Osnabrück Szenen aus der frisch entstandenen Oper "Bruno" des jungen Komponisten Jakub Sarwas.

"Da geht’s irgendwie um einen jungen Mann, der jahrelang einfach im Keller, vor dem Fernseher gesessen hat, der sich so der Gesellschaft komplett verweigert hat, ausgestiegen ist, vor diesem Fernseher sitzt, von seiner Mutter eben mit Nahrung versorgt wird und vor diesem Fernseher stückchenweise immer mehr verfällt."

Ganz wichtig ist für Nadja Loschky die intensive Zusammenarbeit mit ihrem Team. Sie ist dankbar für einen kritischen Blick, denn nur so kann sie weiter wachsen. Doch der Abend der Premiere, wo die Kritik des Publikums spürbar werden kann, ist dann immer mehr als nur die Präsentation einer fertigen Arbeit.

"Über ein paar Wochen wächst halt was heran, was im Idealfall sehr viel von einem selbst hat, und dann ist es natürlich schon ein Moment, der nicht so einfach ist, wenn man dann das hinstellt. Aber andererseits habe ich irgendwie festgestellt bei den Sachen, die ich jetzt gemacht habe, dass ich ganz gut loslassen konnte."