Amnesty kritisiert Menschenrechtslage in China
Amnesty international Deutschland hat sich gegen eine Aufhebung des Waffenembargos gegen China ausgesprochen und die Verschiebung der EU-Entscheidung darüber begrüßt. Unter Menschenrechts-Gesichtspunkten wäre eine Aufhebung des Embargos ein "völlig falsches Signal", so die Generalsekretärin Barbara Lochbihler.
Sagenschneider: Guten Morgen, Frau Lochbihler.
Lochbihler: Guten Morgen.
Sagenschneider: Ich nehme an, Sie haben das Verschieben der EU-Entscheidung mit Genugtuung zur Kenntnis genommen?
Lochbihler: Wir von der Menschenrechtsseite her können ja nicht feststellen, dass es in China zu Verbesserungen gekommen ist und wenn also China keine Anstrengungen macht, die Situation zu verändern, dann haben wir auch keinen Grund gesehen, hier mit so einer Aufhebung des Waffenembargos ein völlig falsches Signal zu geben, dass jetzt alles in Ordnung sei. In die Diskussion um dieses Waffenembargo muss einfließen, dass die Regierung etwas tut und zwar, dass es konkrete Verbesserungen für die Chinesinnen und Chinesen gibt vor Ort. Da kann sie eine Menge tun, wenn sie das möchte, zum Beispiel die Straftatbestände für die Todesstrafe eingrenzen, Folter und Misshandlungen zurückdrängen. Da gibt es sehr viel.
Sagenschneider: Das heißt, Sie widersprechen dem Chefdiplomaten der EU, Javier Solana, der ja nun gestern noch gesagt hat, China hätte durchaus auch Fortschritte gemacht in Sachen Menschenrechte?
Lochbihler: In einzelnen Bereichen ja, aber die sind nicht weitreichend genug. Es gibt Veränderungen, die sehen auch wir. Zum Beispiel gibt es mehr Menschen in China, die sich konkret für Menschenrechtsverbesserungen vor Ort einsetzen, wir bezeichnen die als Menschenrechtsverteidiger. Das ist eine positive Entwicklung, dass das nicht von außen nur kommt. Aber wie mit diesen Menschen umgegangen wird, dass sie teilweise verschwinden, dass sie eingesperrt werden, dass sie hohe Haftstrafen bekommen nur weil sie über Missstände reden, das ist noch kein richtiger Fortschritt. Genau diese Ansätze muss man unterstützen, die muss auch jemand wie Herr Solana unterstützen und sicher hat er dann eine andere politische Agenda, die er bedient, als eine Menschenrechtsorganisation. Aber wir werden ihn und auch andere Politiker daran erinnern.
Sagenschneider: Diese Stimmen in China selbst, die Sie erwähnt haben, die haben sich ja auch lautstark bemerkbar gemacht, denn chinesische Oppositionelle haben gegen das Waffenembargo mobil gemacht mit einem offenen Brief an die Europäische Union, in dem es eben heißt, dass der chinesische Staat immer noch in einem hohen Maße repressiv sei. Das, glauben Sie, ist sehr hilfreich, da es eben auch aus dem Land selbst kommt?
Lochbihler: Natürlich. Eine Veränderung kommt auch immer aus dem Land selber. Wir als internationale Organisation, die wir sehr lange schon zu der Situation in China arbeiten, wir können das natürlich unterstützen mit dem Wissen und den Dokumenten, die wir haben. Aber hier ist die Zusammenarbeit sehr wichtig. Auch können wir, ohne dass wir dafür sanktioniert werden oder bedroht werden, ganz offen das in die internationale Debatte tragen. Die Menschenrechtsverteidiger im Land, die müssen ja auch immer damit rechnen, verhaftet oder bedroht zu werden.
Sagenschneider: Nun kann man sich ja fragen, ob es nicht tatsächlich ehrlicher wäre, das Embargo aufzuheben, weil ja doch auch zahlreiche Staaten der Europäischen Union in den letzen Jahren Waffen und Rüstungstechnologie an China geliefert haben?
Lochbihler: Ich würde jetzt von einem Menschenrechtsstandpunkt aus sagen, das ist einfach nicht ehrlicher, das sind einfach andere Kriterien, die man angelegt hat. Wir schauen nur, ob es der Menschenrechtssituation nützt und das können wir eigentlich nicht sehen.
Sagenschneider: Es ist ja, glaube ich, viel Heuchelei und auch doppelte Moral dabei, darauf weißt natürlich auch Herr Solana hin, wenn er, die USA habe ich schon erwähnt, wenn er den USA vorwirft, in ihrer Haltung nicht besonders stringent zu sein. Er fragt und ja auch nicht ganz zu Unrecht, warum Washington in der Menschenrechtskommission nicht längst eine Resolution zur Lage der Menschenrechte in China eingebracht hat. So gesehen: Konsequenz gegenüber China scheint ja niemandem so recht zu gelingen?
Lochbihler: Da haben Sie Recht. Wenn man schaut, was oft Auslöser ist, um so eine Resolution vorzubereiten, dann ist das sehr fragwürdig. Wir wussten lange nicht, ob die US-Regierung dieses Jahr bei der jetzt tagenden Menschenrechtskommission so eine Resolution vorbereitet und die Auskunft war, na ja wenn es zur Freilassung einzelner Dissidenten kommt, was jetzt auch geschehen ist bei dem Besuch der US-Außenministerin, dann wird man davon Abstand nehmen. Das ist natürlich keine konsequente Politik.
Sagenschneider: Das hat natürlich auch viel mit dem Gremium selbst zu tun, der Menschenrechtskommission. Das möchte UNO-Generalsekretär Kofi Annan, wenn die Reformen durchkommen, die er plant, er möchte künftig einen Menschenrechtsrat einführen, der effizienter sein soll, ein bisschen überschaubarer, möglicherweise auch nur mit Vertretern von Staaten besetzt, die demokratisch orientiert sind und die Menschenrechte beachten. Ich nehme an, das liegt ja auf der Hand, dass es ein Projekt ist, das sie arg unterstützen?
Lochbihler: Zum einen ist der Vorschlag sehr weitreichend und das finden wir sehr gut, weil es jetzt wirklich den Staaten die Möglichkeit gibt, hier ein transparentes und objektives Gremium zu schaffen, das mehr Kompetenzen hat. Es liegt aber jetzt auch an den Staaten, das konstruktiv zu diskutieren und umzusetzen. Wie das dann genau aussehen wird, da müssen wir uns schon in die Diskussion noch einmischen, weil es auch durchaus Stärken der Menschenrechtskommission gibt, die man jetzt nicht unter den Tisch kehren darf. Zum Beispiel dass man in der Menschenrechtskommission konkret über einzelne Länder sprechen darf, viele Regierungen wollen das ja nicht, das muss man also beibehalten. Es gibt eine Reihe von guten, leistungsstarken Instrumenten, wie unabhängige Experten, Sonderberichterstatter, die auch beibehalten werden müssen.
Reflektieren sollte man aber auch über die Schwächen der MRK, um solche auch zukünftig zu vermeiden. Weil es nicht nur an der UNO liegt, dass es ein schwaches Gremium ist, es liegt vor allem auch an den Regierungen, die sich oft in dieses Gremium wählen lassen, um Kritik am eigenen Land abzuwenden oder Kritik zu vermeiden und eben nicht, was sie eigentlich dort tun sollen, sich konkret mit Menschenrechtsverletzungen zu beschäftigen. Deshalb muss man schauen, wie man diesen Schwächen vorbeugen kann. Da denke ich, sollte man eine regelmäßige Bewertung der Empfehlungen des Menschenrechtsrats vornehmen, man muss alle Länder, also jetzt nicht nur die, in Anführungszeichen, die mit den schwersten Menschenrechtsverletzungen in die Diskussion bringen, wirklich alle. Deshalb halte ich auch nicht so viel von dem Vorschlag, dass jetzt nur die Guten in diesen Menschenrechtsrat kommen, die dann unter sich sind, ich denke, man braucht den Dialog, der muss aber etwas offener und ehrlicher geführt werden. Deshalb auch eine Überlegung, man sollte den Analyseteil, also wie es de facto in einem Land aussieht, trennen von den Empfehlungen, dann wäre das auch schon ein bisschen weniger verkrampft. Natürlich muss es adäquat finanziell ausgestattet werden, weil man sonst die ganzen Ansprüche, die man hat, gar nicht bearbeiten kann.
Sagenschneider: Barbara Lochbihler war das, die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International.
Lochbihler: Guten Morgen.
Sagenschneider: Ich nehme an, Sie haben das Verschieben der EU-Entscheidung mit Genugtuung zur Kenntnis genommen?
Lochbihler: Wir von der Menschenrechtsseite her können ja nicht feststellen, dass es in China zu Verbesserungen gekommen ist und wenn also China keine Anstrengungen macht, die Situation zu verändern, dann haben wir auch keinen Grund gesehen, hier mit so einer Aufhebung des Waffenembargos ein völlig falsches Signal zu geben, dass jetzt alles in Ordnung sei. In die Diskussion um dieses Waffenembargo muss einfließen, dass die Regierung etwas tut und zwar, dass es konkrete Verbesserungen für die Chinesinnen und Chinesen gibt vor Ort. Da kann sie eine Menge tun, wenn sie das möchte, zum Beispiel die Straftatbestände für die Todesstrafe eingrenzen, Folter und Misshandlungen zurückdrängen. Da gibt es sehr viel.
Sagenschneider: Das heißt, Sie widersprechen dem Chefdiplomaten der EU, Javier Solana, der ja nun gestern noch gesagt hat, China hätte durchaus auch Fortschritte gemacht in Sachen Menschenrechte?
Lochbihler: In einzelnen Bereichen ja, aber die sind nicht weitreichend genug. Es gibt Veränderungen, die sehen auch wir. Zum Beispiel gibt es mehr Menschen in China, die sich konkret für Menschenrechtsverbesserungen vor Ort einsetzen, wir bezeichnen die als Menschenrechtsverteidiger. Das ist eine positive Entwicklung, dass das nicht von außen nur kommt. Aber wie mit diesen Menschen umgegangen wird, dass sie teilweise verschwinden, dass sie eingesperrt werden, dass sie hohe Haftstrafen bekommen nur weil sie über Missstände reden, das ist noch kein richtiger Fortschritt. Genau diese Ansätze muss man unterstützen, die muss auch jemand wie Herr Solana unterstützen und sicher hat er dann eine andere politische Agenda, die er bedient, als eine Menschenrechtsorganisation. Aber wir werden ihn und auch andere Politiker daran erinnern.
Sagenschneider: Diese Stimmen in China selbst, die Sie erwähnt haben, die haben sich ja auch lautstark bemerkbar gemacht, denn chinesische Oppositionelle haben gegen das Waffenembargo mobil gemacht mit einem offenen Brief an die Europäische Union, in dem es eben heißt, dass der chinesische Staat immer noch in einem hohen Maße repressiv sei. Das, glauben Sie, ist sehr hilfreich, da es eben auch aus dem Land selbst kommt?
Lochbihler: Natürlich. Eine Veränderung kommt auch immer aus dem Land selber. Wir als internationale Organisation, die wir sehr lange schon zu der Situation in China arbeiten, wir können das natürlich unterstützen mit dem Wissen und den Dokumenten, die wir haben. Aber hier ist die Zusammenarbeit sehr wichtig. Auch können wir, ohne dass wir dafür sanktioniert werden oder bedroht werden, ganz offen das in die internationale Debatte tragen. Die Menschenrechtsverteidiger im Land, die müssen ja auch immer damit rechnen, verhaftet oder bedroht zu werden.
Sagenschneider: Nun kann man sich ja fragen, ob es nicht tatsächlich ehrlicher wäre, das Embargo aufzuheben, weil ja doch auch zahlreiche Staaten der Europäischen Union in den letzen Jahren Waffen und Rüstungstechnologie an China geliefert haben?
Lochbihler: Ich würde jetzt von einem Menschenrechtsstandpunkt aus sagen, das ist einfach nicht ehrlicher, das sind einfach andere Kriterien, die man angelegt hat. Wir schauen nur, ob es der Menschenrechtssituation nützt und das können wir eigentlich nicht sehen.
Sagenschneider: Es ist ja, glaube ich, viel Heuchelei und auch doppelte Moral dabei, darauf weißt natürlich auch Herr Solana hin, wenn er, die USA habe ich schon erwähnt, wenn er den USA vorwirft, in ihrer Haltung nicht besonders stringent zu sein. Er fragt und ja auch nicht ganz zu Unrecht, warum Washington in der Menschenrechtskommission nicht längst eine Resolution zur Lage der Menschenrechte in China eingebracht hat. So gesehen: Konsequenz gegenüber China scheint ja niemandem so recht zu gelingen?
Lochbihler: Da haben Sie Recht. Wenn man schaut, was oft Auslöser ist, um so eine Resolution vorzubereiten, dann ist das sehr fragwürdig. Wir wussten lange nicht, ob die US-Regierung dieses Jahr bei der jetzt tagenden Menschenrechtskommission so eine Resolution vorbereitet und die Auskunft war, na ja wenn es zur Freilassung einzelner Dissidenten kommt, was jetzt auch geschehen ist bei dem Besuch der US-Außenministerin, dann wird man davon Abstand nehmen. Das ist natürlich keine konsequente Politik.
Sagenschneider: Das hat natürlich auch viel mit dem Gremium selbst zu tun, der Menschenrechtskommission. Das möchte UNO-Generalsekretär Kofi Annan, wenn die Reformen durchkommen, die er plant, er möchte künftig einen Menschenrechtsrat einführen, der effizienter sein soll, ein bisschen überschaubarer, möglicherweise auch nur mit Vertretern von Staaten besetzt, die demokratisch orientiert sind und die Menschenrechte beachten. Ich nehme an, das liegt ja auf der Hand, dass es ein Projekt ist, das sie arg unterstützen?
Lochbihler: Zum einen ist der Vorschlag sehr weitreichend und das finden wir sehr gut, weil es jetzt wirklich den Staaten die Möglichkeit gibt, hier ein transparentes und objektives Gremium zu schaffen, das mehr Kompetenzen hat. Es liegt aber jetzt auch an den Staaten, das konstruktiv zu diskutieren und umzusetzen. Wie das dann genau aussehen wird, da müssen wir uns schon in die Diskussion noch einmischen, weil es auch durchaus Stärken der Menschenrechtskommission gibt, die man jetzt nicht unter den Tisch kehren darf. Zum Beispiel dass man in der Menschenrechtskommission konkret über einzelne Länder sprechen darf, viele Regierungen wollen das ja nicht, das muss man also beibehalten. Es gibt eine Reihe von guten, leistungsstarken Instrumenten, wie unabhängige Experten, Sonderberichterstatter, die auch beibehalten werden müssen.
Reflektieren sollte man aber auch über die Schwächen der MRK, um solche auch zukünftig zu vermeiden. Weil es nicht nur an der UNO liegt, dass es ein schwaches Gremium ist, es liegt vor allem auch an den Regierungen, die sich oft in dieses Gremium wählen lassen, um Kritik am eigenen Land abzuwenden oder Kritik zu vermeiden und eben nicht, was sie eigentlich dort tun sollen, sich konkret mit Menschenrechtsverletzungen zu beschäftigen. Deshalb muss man schauen, wie man diesen Schwächen vorbeugen kann. Da denke ich, sollte man eine regelmäßige Bewertung der Empfehlungen des Menschenrechtsrats vornehmen, man muss alle Länder, also jetzt nicht nur die, in Anführungszeichen, die mit den schwersten Menschenrechtsverletzungen in die Diskussion bringen, wirklich alle. Deshalb halte ich auch nicht so viel von dem Vorschlag, dass jetzt nur die Guten in diesen Menschenrechtsrat kommen, die dann unter sich sind, ich denke, man braucht den Dialog, der muss aber etwas offener und ehrlicher geführt werden. Deshalb auch eine Überlegung, man sollte den Analyseteil, also wie es de facto in einem Land aussieht, trennen von den Empfehlungen, dann wäre das auch schon ein bisschen weniger verkrampft. Natürlich muss es adäquat finanziell ausgestattet werden, weil man sonst die ganzen Ansprüche, die man hat, gar nicht bearbeiten kann.
Sagenschneider: Barbara Lochbihler war das, die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International.