Amnesty International gegen Folter bei Verbrechensbekämpfung in Deutschland

Die Vorstandssprecherin der deutschen Sektion von Amnesty International (ai), Anja Mihr, hat die Anwendung von Folter bei der Verbrechensbekämpfung in Deutschland scharf kritisiert.
Es sei nicht tolerierbar, wenn die Polizei in Deutschland brutal gegen in Haft genommene Menschen vorgehe, sagte Mihr im Deutschlandradio Kultur. Der in diesem Zusammenhang bekannt gewordene Fall des Frankfurter Vize-Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner sei kein Einzelfall. Das zeige ein Bericht, den Amnesty International im vergangenen Jahr herausgegeben habe.

Vorfälle von Folter und schwerer Misshandlung finden in Polizeigewahrsam statt. Das dürfe nicht akzeptiert werden. Mihr weiter:

"Wir hoffen natürlich, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sich dieser Meinung anschließt, indem sie auch begreift, was das für Konsequenzen haben kann, wenn Folter als Mittel zum z.B. Geständniserpressung etc. benutzt werden kann."

Die Vorstandssprecherin der ai in Deutschland findet es bedauerlich, dass die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den EU-Mitgliedstaaten nicht immer befolgt werden. Es diene nicht der Rechtskultur, wenn Regierungen für sich selbst Ausnahmen machen – wie beispielsweise die Bundesregierung im Carolinen-Urteil.

Auf die Einschätzung des Straßburger Gerichtshofes über das Öcalan-Urteil vor sechs Jahren angesprochen, sagte Mihr:

"Ich sehe das Urteil des Straßburger Gerichtshofes als Anfang, um die Diskussion über Menschenrechte voranzutreiben. Es ist sicherlich gut für die Rechtskultur in der Türkei, wenn dieser Prozess noch einmal aufgerollt wird und Fakten auf die Tagesordnung kommen und besprochen werden."

Die Vorstandssprecherin der deutschen Sektion von Amnesty International vermisst in Deutschland eine intensive Diskussion über Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen. Zwar gebe es ein Bewusstsein dafür, was Recht und Unrecht sei. Aber häufig sei nicht bekannt, was in der unmittelbaren Umgebung an Unrecht und damit auch an Menschenrechtsverletzungen passiere. Mihr weiter:

"Das fängt in unserem Arbeitsleben an mit gleichen Gehältern oder Löhnen, Arbeitsbedingungen, das Recht auf Gesundheit, auf einen angemessenen Wohnraum – alles Rechte, die in diesem Land verletzt werden können."