Ambitioniert und erfolgreich

Von Sigrid Brinkmann |
Wenn man Komponisten fragt, ob sie lieber Musik für Jungenchöre schreiben oder für Mädchenchöre, dann fällt die Wahl eindeutig zugunsten des weiblichen Geschlechts aus. Besonders viele Kompositionen in Auftrag gegeben hat der Mädchenchor Hannover, bei dem die Proben alles andere als bequem sind. Schließlich wollen die Sängerinnen auch in Zukunft erste Preise bei internationalen Wettbewerben holen.
Alfred Koerppens "Die Rohre". Der MädchenChor Hannover hat die ironische Chorerzählung bei der EXPO 2000 uraufgeführt. Koerppen ist einer der vielen namhaften Komponisten, die für die jungen Sängerinnen Werke schreiben. Über die Chorleiterin Gudrun Schröfel sagt er: "Ihr außerordentlicher Perfektionstrieb imponiert mir."

Schröfel: "Ich höre zu sehr "pre". Zwischen dem "p" und dem "r" noch ein Vokal, pre. Bisschen mehr Zwerchfell! Ja, gleichmäßig in der Lautstärke zupacken. Lisa muss ein bisschen mehr geben. Ja, jetzt trotzdem insgesamt wieder mehr piano. Öffnen, das ist ein schwerer Einsatz."

Geprobt wird in der Aula eines Gymnasiums; heute, am späten Abend, nur in kleiner Besetzung, denn einige Mädchen wohnen weit außerhalb von Hannover - in Loccum, Gifhorn oder Uelzen. Bis zu 80 Kilometer Zugfahrt nehmen sie in Kauf, um ihre Stimme auszubilden und das Repertoire ständig zu erweitern. Jannike ist 15.

Jannike: "Die Gemeinschaft im Chor ist unglaublich. Ich glaube gerade in unserem Chor ist das was ganz Besonderes. Immer, wenn wir Konzerte machen, wächst die Gemeinschaft mehr zusammen. Und das erlöst einen dann auch irgendwie so den Stress vom Alltag."

Die Proben für die Uraufführung des zwölf Minuten langen Werkes "Sereno" von Marcus Aydintan verlaufen angespannt. Der Premierentermin ist in greifbarer Nähe, und der erst 25-jährige Komponist hat genaue Vorstellungen von der Klangführung.

Iris: "Bei mir war es so, dass ich es anfangs sehr schwer fand und sehr anstrengend, dass sie immer wieder einsetzt und noch mal und noch mal, man teilweise eine Stelle 20 Mal probt, aber man bleibt einfach dabei und merkt, dass es wirklich was bringt vom Klang her."

Schröfel: "Ich kriege Euch nicht in dieses schnelle Tempo. Wir fangen hier an: "doppa lascia ne", das ist bei Euch zu langsam. Ok? Nochmal... Traut Euch! Gut!"

Die Finger der Dirigentin, die als Professorin Musikerziehung an der Hochschule lehrt, streben in alle Richtungen. Blitzschnell kann ein Finger gezielt in Richtung eines Mädchens schnellen, als wollte sie ihm so helfen, den Mund noch weiter zu öffnen. Gudrun Schröfel wird als Expertin für Stimmbildung und Chorleitung häufig in die USA, nach Israel und Japan eingeladen. Überhaupt geht auch der Chor regelmäßig auf Konzertreise. 80 Mädchen stehen bei Auftritten auf der Bühne. Sie sind zwischen 12 und 20 Jahre alt. Die größte Altersgruppe bilden die 15-Jährigen. Esther ist 17.

Esther: "Wir haben beim Deutschen Chorwettbewerb von Pärt "zwei beter" gesungen. Das ist ein geistliches Stück, und es war total ruhig, und man hat so gemerkt, dass jeder jedes einzelne Wort verstanden hat, und als wir aufgehört haben zu singen, war es einfach nur wow - genial."

Zu den jüngsten Entdeckungen der Chorleiterin Gudrun Schröfel gehören Motetten, die im 17. Jahrhundert in italienischen Klöstern von Nonnen geschrieben wurden. Spielend wechseln die Stimmen der Mädchen zwischen einem warmen und dramatisch kräftigen Ausdruck.

Schröfel: "Die Mädchen sind wirklich alle selbst daran interessiert, Musik zu machen. Die Musik steht ja eigentlich erst hinter den Noten, und dann ergibt sich einfach eine Ernsthaftigkeit, die natürlich auch manchmal in den Proben durchbrochen wird durch ein Gelächter, das aus gar keinem Grund plötzlich erwächst."

Esther: "Die Schwingungen gehen über den Körper, und das tut unheimlich gut. Das befreit die Seele, und man lässt halt doch was raus über den Mund."

Jannike: "Wir wissen auch alle Übersetzungen von den Stücken, damit wir überhaupt wissen, was wir singen und damit wir auch das so rüberbringen können, dass es gut wirkt, und dass wir es auch verkörpern können."

Schröfel: "Wir haben überhaupt keine Nachwuchssorgen. Wir machen einmal im Jahr Aufnahmeprüfungen, und da kommen um die hundert Leute. Wir können 30,40 nehmen, und es ist auch nicht so, dass wir besonders talentiert aussuchen, sondern wir suchen die Leute aus, die eine gesunde, funktionsfähige Stimme haben und bei uns lernen und sich weiterentwickeln."

"Traumberuf Primadonna" heißt das Programm, das der MädchenChor zusammen mit Studierenden und professionellen Opernsängern zusammengestellt hat.

Anna: "Mit fünf hab’ ich mir vorgenommen, Opernsängerin zu werden, und das hat sich gehalten: Ich finde es halt schön, wenn man das Singen zum Beruf machen kann, weil ich daran nur Gutes finden kann!"