Alzheimer - ein Näschen für Buntes

Von Udo Pollmer · 07.02.2010
Demenzerkrankungen nehmen zu. Natürlich wollen wir alle gerne alt werden, allerdings wollen wir auch gegen die Malaisen des Alters etwas tun. Deshalb gibt es jetzt von namhaften Herstellern Nahrungsmittel, die laut Werbung vor Alzheimer schützen sollen. Was ist da dran?
Natürlich will der Mensch Krankheiten wie Alzheimer vermeiden. Leider hat die Medizin in diesem Falle bis heute keine befriedigenden Antworten parat. Und wenn die Medizin nicht mehr weiterweiß, dann muss eben gesunde Ernährung her. Was die Pharmaindustrie trotz großer Anstrengungen bis heute nicht kann, das schafft ein Drink - hoppladihopp - Mit einer belanglosen Studie und mit viel Anti-Alzheimer-Werbung. Aber was taugen diese Versprechen?

Nun: Bei einer Krankheit, deren Ursache bis heute nicht geklärt ist, ist jede Art von Vorbeugung naturgemäß spekulativ. Zweitens: Die Vorstellung, man könne durch den Verzehr teurer Nahrungsmittel Alterserscheinungen im Hirn vermeiden, ist gewagt. Schließlich wird das Gehirn durch die sogenannte Bluthirnschranke aufwendig vor den meisten Inhaltsstoffen aus der Nahrung geschützt, damit nicht irgendetwas durchrutscht, was im Kopf nix verloren hat. So wundert es überhaupt nicht, dass die Gabe der üblichen Vitamine an Patienten mit Demenz keinerlei positive Wirkung hatte.

Und Drittens: Bei einer Erkrankung, die im höheren Alter auftritt, können schwerlich aussagekräftige Studien existieren, die zeigen, dass der Verzehr von Joghurt oder Johannisbeeren in der Jugend später im hohen Alter vor Alzheimer schützt. Denn bis wirklich zuverlässige Daten vorliegen, vergehen ein paar Jahrzehnte. Insofern ist der Verkäufer immer auf der sicheren Seite. Ihm bleibt Zeit genug, sich damit seine Brötchen zu verdienen. In diesem Falle ist von einem Milliardenmarkt die Rede. Er wird viele anlocken, die auf das schnelle Geld hoffen. Je größer die Angst, desto höher die Preise.

Viertens deuten die vorliegenden Daten gerade nicht auf einen Mangel angeblich lebenswichtiger Stoffe hin sondern eher auf die Anwesenheit von Substanzen, die womöglich schaden. Die interessantesten Theorien, die ich in den vergangenen Jahrzehnten zu Gesicht bekam, legen einen Zusammenhang nahe mit der Aufnahme von Algentoxinen und verwandten Verbindungen sowie mit ausgewählten Infektionserregern und - mit Aluminium. Dabei müssen die fraglichen Objekte mitnichten über die Nahrung aufgenommen werden.

Auffällig ist ja, dass bei den Demenzerkrankungen meistenteils das Riechhirn des Menschen schwer geschädigt ist, sodass Probleme bei der Wahrnehmung von Gerüchen von erheblichem diagnostischem Wert sind. Denn das Gehirn hat neben dem Blut noch einen zweiten Zugang: Es gibt da eine Art Transportband, das Fremdstoffe aller Art ungefiltert ins Gehirn geraten lässt: Es ist der Bulbus olfactorius, der Riechkolben, also der Riechnerv in der Nase. Über ihn geraten Aluminumstaub, Quecksilber, PCB, Nanoteilchen, Viren oder auch Prionen ungehindert bis ins Riechhirn. Insofern wär's mal interessant, den Inhalt von Parfüms oder von Deosprays zu untersuchen. Oder von Aromen. Vielleicht haben sie sogar eine Schutzwirkung? Wer weiß. Welche Rolle spielen Stäube am Arbeitsplatz? Was bewirken Nanopartikel? Vielleicht wäre da und dort ein Filter wichtiger als ein Napf voller Joghurt.

Doch zurück zum unseren Lebensmitteln. Denn da gibt es neuerdings einen ganz kuriosen Trend. Bei der Entwicklung von Medikamenten gegen die Demenz setzt man große Hoffnungen auf eine Stoffgruppe, von der man es am wenigsten erwarten würde: Es sind die künstlichen Farbstoffe. Nicht umsonst war es ein künstlicher Farbstoff, der die moderne Neurologie begründete. Vor gut 100 Jahren war es dem Arzt Paul Ehrlich gelungen, mit Methylenblau die Nervenfasern anzufärben und sie dadurch sichtbar zu machen. Und natürlich wurden synthetische Farbstoffe auch gegen eine Reihe neurologischen Krankheiten oder Sepsis eingesetzt.

Heute werden erneut künstliche Farbstoffe, die unseren Lebensmittelfarbstoffen verblüffend ähneln, als Nervenschutzstoffe am Patienten erprobt. Wer also keine teuren Anti-Alzheimer-Drinks kaufen mag, kann es ja auch mit den vielen bunten Schokopillen probieren. Das wäre zumindest ein plausibler Ansatz. Mahlzeit!

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