Altweibersommer

Von Käthe Jowanowitsch und Stephanie Rapp · 10.10.2009
"Eines Tages habe ich mir gesagt: Ich bin 40 Jahre alt. Als ich mich von diesem Schock erholt hatte, war ich 50. Die Betroffenheit, die mich damals überfiel, hat sich nicht gegeben", schrieb Simone der Beauvoir in den 60er-Jahren. Damit hat sie das Dilemma der älter werdenden Frau beschrieben.
Wechseljahre – Zeit des Umbruchs, aber auch Zeit der Chancen. Kaum vorzustellen, dass noch im 19. Jahrhundert die Wechseljahre mit der Lebenserwartung der Frau zusammenfielen. Heute setzen sich viele Frauen in dieser Phase zum ersten Mal mit dem Älterwerden auseinander.

Der Körper verändert sich: Die Regelblutung bleibt aus, das Gesicht zeigt Falten, das Gewicht nimmt zu, Schlaflosigkeit, Hitzewallungen und Depressionen stellen sich ein. Es ist ein langsamer, schleichender, aber unaufhaltsamer Prozess, den "man" gern verdrängt und mit hohem Aufwand aufzuhalten versucht. Seit rund 30 Jahren helfen Hormone, typische Beschwerden zu lindern. Sind sie die ultima ratio oder gibt es "natürliche" Alternativen? Wie lässt sich dem Terror des Jugendwahns begegnen? Und wie sieht es aus mit Sex und Erotik im reifen Alter?

Die Menopause erzwingt einen neuen Umgang mit dem eigenen Körper, sie fordert aber auch eine mentale Neubesinnung: Wer bin ich? Wo stehe ich? Was will ich? Die Trauer über schwindende Jugend und unerfüllte Träume muss verarbeitet und bewältigt werden. Dann kann sich der Blick weiten.

Das Loslassen gibt Raum für eine geistige Neuorientierung. Mit den Wechseljahren beginnt eine Zukunft, die gestaltet werden will. Wie gut das gelingt, hängt auch vom Umfeld ab, von Partner und Familie, Freunden und Kollegen. Beziehungen müssen neu definiert, Erwartungen überprüft und korrigiert werden. Das geht oft nicht ohne Konflikte. Denn trotz Emanzipation und Frauenbewegung hält unsere Gesellschaft für ältere Frauen bisher nicht sehr viele attraktive soziale Rollen bereit.

Was im Körper passiert
Anstelle äußerer Zwänge aber kann eine innere Freiheit treten, die es erleichtert, für eine Veränderung des gesellschaftlichen Status zu kämpfen: Ich weiß, wer ich bin. Ich weiß, wo ich stehe. Ich weiß, was ich will. "Was aber werde ich am Ende dieses langen Ganges finden? Vielleicht das ruhige Glück, mein Los erfüllt zu haben. Und alles, was ich litt, wird dann vergessen sein."

Professor Ludwig Kiesel, Direktor der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Münster, ist auch Vorsitzender der Deutschen Menopause-Gesellschaft– und damit sozusagen der Fachmann für die Wechseljahre.

"Die Wechseljahre sind eigentlich ein unscharfer Begriff. Genau genommen nimmt man einen Zeitpunkt als Eckpfeiler, das ist die letzte Periode bei der Frau. Das kann man aber nur ermitteln, indem man sozusagen im Nachhinein ein Jahr lang keine Periode mehr hatte. Und das wird als letzte Periode genommen. Aber die Wechseljahre sind die Jahre um diese Phase herum, wo also verschiedene Abläufe sind, körperliche, psychische, soziale Abläufe, und das ist meistens zwischen 50 und 52, wo die letzte Periode eintritt. Aber die Wechseljahre selbst kommen ja natürlich schon vorher mit Umwälzungen der Hormonbildung und damit auch natürlich Empfinden und auch körperliche Veränderungen, sodass man auch schon die Jahre davor zählen muss. Da sind also ab etwa 45 Veränderungen, die mit dem Zyklus einher gehen, sodass man das auch als Wechseljahre zählen muss. Und das geht eben bis zu dem Zeitpunkt, wo die Periode ausbleibt und vielleicht kurz danach."


Die Gesundheitsberaterin Inke Kruse hat einen alternativen Erklärungsansatz.

"Das Gleichgewicht von Yin und Yang, das wäre zum Beispiel Aktivität und Ruhe, Wärme und Kälte, verschiebt sich in den Wechseljahren, und wenn der Lebensstil entsprechend ist oder sehr starke Belastungen da waren oder das Verhältnis von Aktivität und Ruhe nicht stimmte über die letzten zehn, zwanzig Jahre, dann macht sich das in den Wechseljahren bemerkbar."

"Den Drachen reiten"- Ausgeglichen durch die Wechseljahre

Thomas Mann: "Ängstliche Wallungen, Unruhe des Herzens, Tage der Schwermut"

Ausgerechnet ein Mann, der Schriftsteller Thomas Mann, hat in seiner Novelle "Die Betrogene" die Gefühlslage von Frauen in den Wechseljahren einfühlsam beschrieben.

"Im Frühling geboren, ein Maienkind, hatte Rosalie ihr fünfzigstes Wiegenfest mit ihren Kindern und zehn oder zwölf Hausfreunden begangen und war fröhlich mit den Fröhlichen – nicht ganz ohne Anstrengung; denn seit längerem schon, und so gerade an diesem Abend, litt ihr Wohlbefinden unter organisch-kritischen Vorgängen ihrer Jahre, dem stockenden, bei ihr unter seelischen Widerständen sich vollziehenden Erlöschen ihrer physischen Weiblichkeit. Es schuf ihr ängstliche Wallungen, Unruhe des Herzens, Kopfweh, Tage der Schwermut und einer Reizbarkeit, die ihr auch an jenem Festabend einige der ihr zu Ehren gehaltenen launigen Herrenreden als unleidlich dumm hatten erscheinen lassen."

Die Schweizer Erfolgsautorin und Feministin Julia Onken hat in ihren Büchern "Feuerzeichenfrau" und ""Eigentlich ist alles schief gelaufen" die Veränderungen in der Lebensmitte zum Thema gemacht. Sie betrachtet vor allem die psychologische Komponente

Diese Frage hat unsere Gesellschaft schon seit Jahren beschäftigt: wie weit ist das tatsächlich ein Problem an sich, oder ist es von der Natur – so wie Sie sagen – vorgesehen, dass es so eintritt. Man muss natürlich sagen: tatsächlich soll die Eierstocksfunktion, wenn man es nach der Natur sieht, tatsächlich im Alter von etwa 50 schon deutlich nachlassen. Und damit ist das ein in Anführungsstrichen natürlicher Vorgang der Frau.

Körperliche Veränderungen

Professor Ludwig Kiesel: "Also, man glaubt, dass im Wesentlichen Folgendes passiert: die Eierstöcke der Frau bilden ja Hormone, die das Wohlbefinden und viele andere Abschnitte und Veränderungen steuern im Körper. Und wenn diese Eierstockfunktion langsam im Körper abnimmt, dann wird dieser Hormonentzug – das ist ja die Folge dann – als unangenehm teilweise empfunden. Also es gibt Frauen, die das wenig bemerken oder gar nicht, andere, die bemerken das deutlich und andere haben wiederum sehr, sehr große Probleme damit."

Typische Beschwerden
Hitzewallungen
Schlafstörungen
Stimmungsschwankungen
Antriebsschwäche

Bis vor einigen Jahrzehnten galt: Was fehlt, wird ersetzt. Die Hormontherapie war das Mittel der Wahl. Sie sollte nicht nur akute Beschwerden dämpfen, sondern wurde als Jungbrunnen und Anti-Aging-Mittel gepriesen. Die Ernüchterung kam, als internationale Studien darauf hinwiesen, dass die Hormontherapiedas Risiko für Brustkrebs, Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfall womöglich erhöht.


Silvia Bovenschen, Älter werden
Fischer Verlag

"Wenn ich Leute wie mich, deren unkorrekte Wahrnehmung, in Betracht ziehe, kann ich die Frauen verstehen, die zum Chirurgen rennen und raffen, straffen und absaugen lassen, was das Zeug hält. Wäre ich gesund, wohlhabend und angstfrei, würde ich es wahrscheinlich auch in tun. Was gewönne ich denn? Einige Jahre, in denen ich mir und anderen besser gefalle. Aber das ist doch was im kurzen Leben. Wäre es im Aufwand und im Risiko dem Zahnersatz vergleichbar, machten es dann nicht alle?


Bis zu meinem fünfundvierzigsten Lebensjahr hat mich das Älterwerden nicht weiter gekümmert. In meiner eigenen Jugend war ich ästhetisch und erotisch nicht strikt auf Jugend abonniert. Nicht, dass ich kein Auge für den Schmelz des Jungen gehabt hätte – das Frische, das Glatte, das Straffe hat visuell durchaus mein Wohlgefallen gefunden -, indes erotisch war ich nicht darauf reduziert (mehr so eine Sache für Statuen auf Kaminsimsen). Der Jugendkult bahnte sich in der Werbung dieser Zeit schon an. Ich nahm nicht teil. Auch mit Devisen wie "Trau keinem über dreißig" machte ich mich nicht schuldig. Die Menschen die ich liebte, waren in der Regel etwas älter als ich. Du wirst es unter dieser Vorgabe mit dem Älterwerden einmal nicht so schwer haben, das dachte ich damals. Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. War ich in jüngeren Jahren für einen bestimmten Zeitraum vielleicht einmal in der Lage gewesen, Ältere einer annähernd souveränen (soll heißen: einigermaßen altersunabhängigen) Betrachtung zu unterziehen, so sah ich mich, selbst auf die Fünfzig zugehend, mehr und mehr durch die Brille allgemeinen Dafürhaltens alt werden. In dem Blick, den ich nun auf mich selbst richtete, war der der andren. Gerade im Blick auf mich selbst steigerte sich dessen Grausamkeit. Ich habe den Eindruck, dass mit dem zunehmenden Alter mein Blick auf andere milder, der auf mich selbst aber erbarmungsloser geworden ist."



Die Schriftstellerin Erica Jong fasst es deutlich zusammen:

"Es geht hier um Sterblichkeit und nicht um Gesichtslifting. Können wir unsere Sterblichkeit umarmen, sie sogar zu lieben lernen? Können wir unser Wissen an unsere Kinder weitergeben und dann dahinscheiden in dem Bewusstsein, dass dieses Dahinscheiden die richtige Ordnung der Dinge ist? Das ist das Problem, vor dem ich und alle meine Altersgenossen mit fünfzig stehen. Wir haben die spirituelle Hohlheit unseres Lebens satt. Ohne geistigen Sinn ist es unmöglich, sich dem Altern und dem Tod zu stellen."


Gerade Frauen sind laut der Altersforscherin und ehemaligen Bundesfamilienministerin Ursula Lehrvom demografischen Wandel betroffen. Neben Beruf und Familienplanung kümmern sie sich häufig auch um die Eltern.

Irene Disches autobiografischem Roman "Großmama packt aus"

Carmen A. Kirstgen: Für immer jung? Wechseljahre aus ganzheitlicher Sicht
Klett-Cotta Verlag, 2009

Dr. Ingeborg Lackinger Karger: Wechseljahre
Graefe und Unzer Verlag

Internetportal Gut durch die Wechseljahre