Altmeister der Neuen Frankfurter Schule

Von Volkhard App · 05.05.2009
Zusammen mit Zeichnern wie F.W. Bernstein oder F.K. Waechter bildete Hans Traxler "die neue Frankfurter Schule" der Karikatur und war Mitbegründer der Satirezeitschriften "Pardon" und "Titanic". Immer wieder demontierte Traxler lustvoll die Großen aus Kunst, Philosophie und Politik. Eine Auswahl seiner Werke ist jetzt in Frankfurt zu sehen.
"Löhleins Katze" wird zurecht im Ausstellungstitel gewürdigt, handelt es sich doch um ein äußerst charakterstarkes Tier. Denn auf dem dazugehörigen Cartoon von Hans Traxler hat sich das kleine Vieh genüsslich ins große Bett des Herrchens gelegt und duldet niemanden neben sich. Das Herrchen, dieser Herr Löhlein, muss unterdessen im Kratz- und Kletterbaum der Katze übernachten.

Unzählige solcher Cartoons hat Traxler gezeichnet und gemalt: locker konturiert, gefällig koloriert, die Bildidee wird pointensicher präsentiert. Mit 17 Jahren verkaufte er seine erste humoristische Zeichnung an eine Illustrierte und ließ sich seither nicht mehr von seiner Profession abbringen. Längst verkörpert dieser Mann Cartoon- und Mediengeschichte, war in den frühen Sechzigern Mitbegründer der Satirezeitschrift "Pardon". Und '79 hob er mit den Freunden von der "Neuen Frankfurter Schule" die "Titanic" aus der Taufe:

"‘Pardon‘ ist damals auf seine sehr bigotte, sehr enge Gesellschaft gestoßen, die Adenauer-Zeit. Als junger Mensch hatte man es damals schwer, da ist man automatisch zur antiautoritären Richtung gestoßen. Bei ‘Titanic‘ war der Fall ein bisschen anders. Da ging es um das große Thema Nachrüstung, die von Schmidt entdeckte Raketenlücke. Das hätte mit den Raketen in beiden Teilen Deutschlands und dem vielfachen Overkill schief gehen können. Dies war die Meinung nicht nur von jungen Menschen, die dagegen protestiert haben. Wir haben in der Zeit versucht, das unsere zu tun, mit unseren Waffen: der Möglichkeit, lächerlich zu machen."

Kein Mangel an subversiven Tönen. "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche"- zu diesem Zweizeiler von F. W. Bernstein malte Traxler das passende Tier. Dieser Elch wurde zum Maskottchen des illustren Kreises, dieser "Neuen Frankfurter Schule":

"Der Begriff ist von uns anfangs nicht so ganz ernst genommen worden, aber er wurde von den Medien sehr gerne aufgegriffen, und das ist bis zum heutigen Tage so. Ich fühle mich den anderen Zeichnern sehr verbunden - die meisten sind ja nicht mehr am Leben. Es war eine schöne Zeit, die wir zusammen hatten. Wir hatten eine gemeinsame Aufgabe, vor allem die 'Titanic‘. Und selbst als ich dort '88 ausgestiegen bin, weil ich etwas anderes machen wollte, ist die Freundschaft geblieben."

Immer wieder demontierte Traxler lustvoll die Großen aus Kunst, Philosophie und Politik: "Herr Goethe stand in Rom ständig unter Strom".

Traxlers Figuren gingen sogar in Serie: Papst Paul und vor allem der nach großem französischen Karikaturen-Vorbild zur Birne gekürte Kanzler Kohl. Fragt sich nur, ob Traxler darin rückblickend einen Höhepunkt seiner Cartoonisten-Laufbahn sieht oder doch eher eine lässliche Sünde:

"Es war ganz sicher nicht der Höhepunkt, was meine Zeichenkunst anbelangt. Es war damals angemessen. Später habe ich ganz andere Dinge gezeichnet. Irgendwann fängt alles an zu langweilen, vor allem die politischen Inhalte, die sich in Zyklen wiederholen. Langsam hat also das Interesse an den innenpolitischen Themen nachgelassen, und bei mir war der Wunsch sehr stark, Zeichnungen zu machen, die man auch nach 10, 20 oder 30 Jahren noch komisch finden kann."

In der Schau des Caricatura-Museums steht nicht so sehr der politische Künstler im Mittelpunkt, sondern der sanfte, stilistisch virtuose Cartoonist- mit seinen ironischen Kommentaren zum Alltag, diesen skurrilen Beiträgen zu unserer Kultur- und Sittengeschichte. Dabei zeigt sich Traxler durchaus auf der Höhe der Zeit: den vier apokalyptischen Reitern hat er einen fünften hinzugefügt - "hohe Handykosten" steht auf dem Hinterteil dieses Pferdes.

In Vitrinen wird an die Wissenschaftssatire Traxlers erinnert, die das Fachpublikum staunen ließ, wurde doch in Buchform die "Wahrheit über Hänsel und Gretel" versprochen.

Überraschungen kann man in Frankfurt am Main aber auch bieten: den Ölmaler Hans Traxler. Denn der hat, anknüpfend an seine frühe Kunstausbildung, ganz ohne Pointenzwang Landschaften dargestellt - hohe Berge, Hütten und Seen auf kleinen Formaten. Mit leichter Abstraktion, im ganzen eher konventionell:

"Die Ölbilder sind eigentlich aus einer Notsituation heraus entstanden. Ich hatte ja für alle deutschen Magazine irgendwann mal gezeichnet, neun Jahre lang für das der ‘Zeit‘, dann für die ‘Süddeutsche Zeitung‘. Plötzlich hatten die Magazine kein Geld mehr für solche Cartoons oder sie wurden eingestellt. Da war ich dann ein Jahr lang ohne Abdruckplatz. Zurück zu ‘Titanic‘ wollte ich nicht mehr. Und so nahm ich meine Staffelei und bin ins Engerdin gegangen und habe dort angefangen, wie die Maler im 19. Jahrhundert vor der Natur zu malen. Das habe ich mit einer ungeheuren Befriedigung gemacht. Diese Ölbilder stelle ich hier zum ersten Mal aus - und zum letzten Mal, denn sie sind mein Privatvergnügen."

Sich selbst fühlt er trotz dieser Ausstellung keineswegs ins Museum abgeschoben. Noch immer arbeitet er intensiv, hat sich aber aufs Illustrieren großer Literatur verlegt. Demnächst soll ein "Shakespeare für Kinder" erscheinen. Um seine Zunft macht er sich keine Sorgen: nie zuvor hätten die Cartoons auf einem so hohen Niveau gestanden. Sie seien wirklich Teil der Kunst geworden

Mit der Bilanz seiner eigenen Tätigkeit hält er sich merklich zurück. Nur dies teilt er uns mit:

"Es hätte schlimmer kommen können."