"Platzprojekt" ist Paradies für Gründer
Wer eine gute Idee hat, aber nichts von Business-Plänen hält, könnte mal nach Hannover fahren. Dort probieren Menschen selbstorganisiertes Wirtschaften aus. Sie machen Fehler, lernen, verwerfen, starten neu - und verdienen Geld damit.
"Ich habe jetzt hier verschiedene Wasserrohre und Ventile – das muss ich jetzt alles zusammen bauen und dann kann man hier schön kalt duschen."
Tim Göbel müht sich mit dem Duschkopf ab. Noch braucht das kleine Badezimmer mit Kaltwasserdusche und Bio-Klo noch viele Handgriffe, bis es fertig ist. Eine mobile Wanderhütte mit eigener Wasser- und Stromversorgung, mitten im Wald abstellbar, nachhaltig und dennoch mit gewissem Komfort – diesen Traum verfolgt der 30-jährige im schwarzen Kapuzenpulli schon seit seiner Jugend. Seit gut einem Jahr bastelt Tim Göbel am Prototypen: ein Überseecontainer bietet für das "Trekkers Hus" die Grundlage, zwei weitere dienen als Werkstatt. Verziert mit buntem Graffiti stehen sie auf dem Gelände des Platzprojektes, einem Brutkasten für unkonventionelle Ideen in einem Industriegebiet am Rande Hannovers.
"Hier ist es halt wirklich so, man hat halt ne Idee und bei dem einen wird’s halt was und bei dem anderen vielleicht auch nicht. Es muss ja nicht alles gelingen, es muss auch nicht alles perfekt sein. Der Platz ist ja auch für Leute, die halt keine fertigen Business-Plan haben, wo genau am Ende steht: Das funktioniert! Sondern es geht halt hier darum: Probier dich aus, wenn du Hilfe brauchst, frag uns und wenn’s halt nichts wird, ist ja auch nicht schlimm. Dann kannst Du Dir ja was Neues ausdenken."
Europas größte Selfmade-Anlage
Einfach mal was ausprobieren ohne Angst vor dem Scheitern. Das ist das Ziel des selbstorganisierten Platzprojektes. Auf der brachliegenden Gewerbefläche, die einem Handelsunternehmen gehört, setzen in fast 50 ausrangierten Containern Jungunternehmer, aber auch Initiativen und Vereine hier für Hannover frische Ideen um. Darunter: Ein Surfbrettbauer, ein alternatives Bestattungsunternehmen, eine Mikro-Brauerei, ein Do-it-yourself-Tättowierstudio oder eine Leihstube für Kleidung.
Robin Höning, 27 Jahre alt und angehender Architekt, gehört zu den Projektgründern. Das hier war die Keimzelle, sagt der schlaksige blonde Mann und zeigt auf den angrenzenden Skaterplatz. Zunächst in einer Nacht- und Nebel-Aktion illegal errichtet, wurde nach Absprache mit dem Besitzer inzwischen daraus Europas größte Selfmade-Anlage und aus den blutjungen Skatebordfahrern hauptberufliche Skateparkbauer.
"Damals kam uns dann irgendwann die Idee, dass das – weil es so gut geklappt hat – es auch bei anderen Leuten funktionieren kann. Nur, dass wir ja damals sozusagen das Gesetz gebrochen haben, dass das für viele vielleicht ein Hindernis darstellt. Das war auch ein bisschen die Idee vom Platzprojekt, dass wir die Infrastruktur herstellen, die Rahmenbedingungen mit der Fläche klären, dass wir auch wieder einen Verein gründen, Versicherungen abschließen, Strom, Abwasser, Toiletten, ein bisschen Werkzeug kaufen. Und der Rest sollte sich projektorientiert entwickeln."
"Wir wollen hier alle Geld verdienen"
Wer eine Idee umsetzen will und den Trägerverein davon überzeugt hat, kann für 60 Euro im Monat einen Stellplatz mieten. Container – ab 500 Euro aufwärts – werden selbst besorgt und bezahlt. Hier muss sich niemand hoch verschulden, um ein Start-up zu gründen. Beim Umsetzen der Ideen können sich die jungen Kreativunternehmer außerdem auf ihre Platzprojektnachbarn verlassen. Die einen helfen bei Holzarbeiten, andere kennen sich mit Elektronik oder Öffentlichkeitsarbeit aus. Auch Gemeinschaftsprojekte wie ein Garten oder Kulturveranstaltungen werden umgesetzt. Eine Mischung, die den Platz höchst anziehend macht, erzählt Benjamin Grudzinski, der zum Organisationsteam gehört.
"Nicht, dass wir hier alle Hippies sind und von Luft und Liebe leben wollen, nein, wir wollen hier alle Geld verdienen. Aber wir wollen nicht in den festgefahrenen Strukturen der Vergangenheit leben."
"Nicht, dass wir hier alle Hippies sind und von Luft und Liebe leben wollen, nein, wir wollen hier alle Geld verdienen. Aber wir wollen nicht in den festgefahrenen Strukturen der Vergangenheit leben."
Starthilfe gab es über das Bundesförderprogramm "Jugend.Stadt.Labor": Die 120.000 Euro flossen in die Infrastruktur. Inzwischen ist die Förderung ausgelaufen, das Projekt finanziert sich nun vor allem über Mieteinnahmen und Spenden. Die Stadt Hannover unterstützt zum Beispiel bei der Suche nach Projektsponsoren und hat zugesagt, das Gelände kaufen zu wollen, sollte der Pachtvertrag vom Besitzer gekündigt werden. Eine Win-Win-Situation, denn längst ist das Platzprojekt zum Aushängeschild für die niedersächsische Landeshauptstadt geworden. Gründer, die etwa in Berlin, keine Möglichkeit finden, ihre Träume zu verwirklichen, kommen jetzt nach Hannover.