Alternativen zur "Festung Europa"
Wie Deutschland mit Menschen umgeht, die unter Lebensgefahr ihr Land verlassen und zu uns flüchten, wurde auf dem Kirchentag diskutiert. Auch, wie unsere Gesellschaft mit einem Europa ohne Grenzkontrollen aussehen würde.
Das Motorschiff Anton liegt festgemacht im Traditionsschiffhafen in der Hamburger Hafencity. Ein Kutter, gerade mal 15 Meter lang. An Deck stehen drei Dutzend stumme, dunkelgraue Figuren, schauen den Besuchern direkt in die Augen. Männer, Frauen und Kinder mit dünnen Decken über den Schultern, Flüchtlinge auf dem Meer, in Bronze gegossen vom dänischen Bildhauer Jens Galschiöt.
Vor dem Schiff beginnt bei Sonnenschein und blauem Himmel der "Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge". Organisiert von der "Diakonischen Basisgemeinschaft Brot und Rosen" aus Hamburg. "Brot und Rosen" bietet von Abschiebung bedrohten Menschen ein Zuhause. Einen Schutzraum und Unterstützung beim Kampf um Asyl. Der Kreuzweg führt vom Ponton in der Hafencity zum Rathausplatz. Zur ersten Station, zum Flüchtlingsschiff ist auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs gekommen:
"Was mich am meisten bedrückt, ist, das die Situation der Flüchtlinge in den Medien, in gesellschaftlichen Foren so gut wie gar nicht vorkommt. Dass der Skandal, der täglich passiert vor den Grenzen Europas, dass der scheinbar immer nur zu denen durchdringt, die ohnehin engagiert sind."
Flüchtlinge in Deutschland blieben viel zu oft unsichtbar für den Rest der Gesellschaft. Immer noch regierten tief sitzende Vorurteile, so die Bischöfin:
"Ich frage mich immer, wie das kommt, dass Menschen, die auf der Flucht sind, unterstellt bekommen, das seien reine Wirtschaftsflüchtlinge oder es sei nicht verbunden mit einer dringlichen Not, die Leib und Leben betrifft. Und was sich eigentlich ändern muss in dieser Gesellschaft, dass diese Art der Inhumanität aufhört. Das beschäftigt mich und ich glaube, dass das ein wichtiges Zeichen ist, diesen Kreuzweg zu gehen und immer wieder ganz konsequent dafür einzustehen, dass Flüchtlinge human behandelt werden. Das heißt von dem Moment an, wo sie in Europa, an den Grenzen Europas ankommen, bis dahin, dass es in den Unterkünften eine menschenwürdige Unterbringung gibt."
Die Bischöfin muss weiter, zum nächsten Termin: der findet ein paar Meter weiter statt. Kirsten Fehrs begrüßt Ralf Lorenzo von der Hamburger Flüchtlingsgruppe Karawane. Und die 20 jungen Afrikaner, die der Libyen-Krieg übers Mittelmeer nach Italien und von dort nach Deutschland getrieben hat. Die Bischöfin sitzt umringt von ihnen auf einem der typischen Kirchentagssitzkartons, nimmt sich Zeit, hört zu:
"Wir haben keine Schlafplatz, wir schlafen draußen. Und wir müssen sehen, wo wir was zu Essen herbekommen. Unser Leben ist so wertlos und deshalb bitten wir die verantwortlichen Stellen, die europäischen Stellen, uns wahrzunehmen! Der Libyen-Krieg hat uns hierher gebracht. Was sollen wir hier machen? Doch nicht mit Drogen dealen oder stehlen… Wir wollen uns hier integrieren!"
Zusammen mit 150 anderen Kriegsflüchtlingen lebt der junge Mann in Hamburg auf der Straße. Die italienischen Behörden haben ihnen eine so genannte EU-weit gültige Daueraufenthaltserlaubnis ausgestellt. Und sie dann aus dem Land geschickt. Angekommen in Hamburg konnten sie in den Winternotunterkünften der Stadt wohnen. Aber schon seit Wochen sind diese Quartiere geschlossen und sie müssen draußen leben. Die Stadt Hamburg wusste schon vor Monaten von den Problemen. Reagiert hat sie nicht.
Vor dem Schiff beginnt bei Sonnenschein und blauem Himmel der "Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge". Organisiert von der "Diakonischen Basisgemeinschaft Brot und Rosen" aus Hamburg. "Brot und Rosen" bietet von Abschiebung bedrohten Menschen ein Zuhause. Einen Schutzraum und Unterstützung beim Kampf um Asyl. Der Kreuzweg führt vom Ponton in der Hafencity zum Rathausplatz. Zur ersten Station, zum Flüchtlingsschiff ist auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs gekommen:
"Was mich am meisten bedrückt, ist, das die Situation der Flüchtlinge in den Medien, in gesellschaftlichen Foren so gut wie gar nicht vorkommt. Dass der Skandal, der täglich passiert vor den Grenzen Europas, dass der scheinbar immer nur zu denen durchdringt, die ohnehin engagiert sind."
Flüchtlinge in Deutschland blieben viel zu oft unsichtbar für den Rest der Gesellschaft. Immer noch regierten tief sitzende Vorurteile, so die Bischöfin:
"Ich frage mich immer, wie das kommt, dass Menschen, die auf der Flucht sind, unterstellt bekommen, das seien reine Wirtschaftsflüchtlinge oder es sei nicht verbunden mit einer dringlichen Not, die Leib und Leben betrifft. Und was sich eigentlich ändern muss in dieser Gesellschaft, dass diese Art der Inhumanität aufhört. Das beschäftigt mich und ich glaube, dass das ein wichtiges Zeichen ist, diesen Kreuzweg zu gehen und immer wieder ganz konsequent dafür einzustehen, dass Flüchtlinge human behandelt werden. Das heißt von dem Moment an, wo sie in Europa, an den Grenzen Europas ankommen, bis dahin, dass es in den Unterkünften eine menschenwürdige Unterbringung gibt."
Die Bischöfin muss weiter, zum nächsten Termin: der findet ein paar Meter weiter statt. Kirsten Fehrs begrüßt Ralf Lorenzo von der Hamburger Flüchtlingsgruppe Karawane. Und die 20 jungen Afrikaner, die der Libyen-Krieg übers Mittelmeer nach Italien und von dort nach Deutschland getrieben hat. Die Bischöfin sitzt umringt von ihnen auf einem der typischen Kirchentagssitzkartons, nimmt sich Zeit, hört zu:
"Wir haben keine Schlafplatz, wir schlafen draußen. Und wir müssen sehen, wo wir was zu Essen herbekommen. Unser Leben ist so wertlos und deshalb bitten wir die verantwortlichen Stellen, die europäischen Stellen, uns wahrzunehmen! Der Libyen-Krieg hat uns hierher gebracht. Was sollen wir hier machen? Doch nicht mit Drogen dealen oder stehlen… Wir wollen uns hier integrieren!"
Zusammen mit 150 anderen Kriegsflüchtlingen lebt der junge Mann in Hamburg auf der Straße. Die italienischen Behörden haben ihnen eine so genannte EU-weit gültige Daueraufenthaltserlaubnis ausgestellt. Und sie dann aus dem Land geschickt. Angekommen in Hamburg konnten sie in den Winternotunterkünften der Stadt wohnen. Aber schon seit Wochen sind diese Quartiere geschlossen und sie müssen draußen leben. Die Stadt Hamburg wusste schon vor Monaten von den Problemen. Reagiert hat sie nicht.
Vorbilder in den USA
Ortswechsel. Ein unscheinbares Wohnhaus in der Hamburger Fabriciusstraße. Der Autoverkehr rauscht auf vier Spuren vorbei. In dem Haus lebt die "Diakonische Basisgemeinschaft Brot und Rosen". 20 Menschen, davon acht Flüchtlinge, denen die Abschiebung droht, deren Verfahren aber noch laufen, die noch auf einen positiven Bescheid hoffen dürfen.
Seit 15 Jahren gibt es die so genannte "Basisgemeinschaft Brot und Rosen". Katholische Wurzeln hat das Projekt, es geht zurück auf das "Catholic Worker Movement" aus den USA. In den 1930er Jahren entsteht die Bewegung und zieht seitdem immer neue Generationen an. Dietrich Gerstner, einer der Gründer von "Brot und Rosen", lehnt sich nach dem Essen auf dem breiten Sofa zurück und erzählt von seiner Zeit in den USA Mitte der 80er:
"Gelebt habe ich länger in Atlanta, Georgia. In einer Gemeinschaft, die wiederum ein so genannter protestantischer Catholic Worker ist. Will heißen: eine Gemeinschaft, die auch protestantische Wurzeln hat und trotzdem dieser christlich-anarchistischen Laienbewegung angehört, die eben den Namen "katholisch" trägt. Weil sie katholische Wurzeln hat."
Gerstner trägt die Haare kurz, der Dreitagebart schon etwas grau. Wache Augen.
So lange die Verfahren laufen, dürfen die Flüchtlinge in der Lebensgemeinschaft wohnen. Aber wenn Asylanträge abgelehnt werden und kein Widerspruch mehr möglich ist, endet auch das Zusammenleben am Hamburger Stadtrand. Diese Abschiede fallen allen Bewohnern schwer, aber es gibt auch Fälle, die Gerstner Mut machen:
"Und dann stellt sich heraus, dass sich in mehreren Fällen, die wir im Haus hatten, mit Zeit und vielleicht auch mit einem neuen Anwalt, mit dem Blick einer Beratungsstelle darauf, aus scheinbar verlorenen rechtlichen Fällen komplettes Asyl geworden ist, also: Asylanerkennung!"
Gerstner winkt rüber zu seiner Frau, steht auf. Uta Gerstner steht im Türrahmen, ist auf dem Weg zum abendlichen Gottesdienst im Nebenraum, wie jeden Montag. Noch sind die im Kreis aufgestellten Stühle leer. Liedzettel liegen auf den Sitzflächen. Gerstner setzt sich und bevor es losgeht, erklärt er, wie ihm sein Glauben beim Leben und dem Engagement für die Flüchtlinge hilft:
"Es geht nicht drum, durch Beten sich die dunklen Wolken rosa anzumalen. Ich glaube, es geht mehr darum, dass man sich rückbesinnt auf Wesentliches. Für was kämpfen wir eigentlich? Wir kämpfen für Menschenrechte, wir kämpfen für faire Aufnahmebedingungen, wir kämpfen für Grundwerte, Grundrechte. Die Wut in Kraft verwandeln, das ist da das Richtige!"
Zurück auf dem Kirchentag, auf dem Rathausmarkt. Der letzten Station des Kreuzwegs für die Flüchtlinge. 50 Menschen sind mit gegangen, gebetet und gesungen. Ein einfaches Holzkreuz aus zwei Latten vor sich hergetragen.
Dietrich Gerstner packt die Lautsprecher ein, gibt eine Einschätzung dazu, was der Kirchentag für die Rechte der Flüchtlinge leisten kann:
"Das ist schon ein Dilemma des Kirchentags: Wir sind alle unglaublich nett! Und jeder versteht alles! Was die Flüchtlinge angeht: Einfach nur zu sagen ´Wir brauchen was`, das wird nicht genug sein. Sie müssen es vielleicht einfach tun."
Seit 15 Jahren gibt es die so genannte "Basisgemeinschaft Brot und Rosen". Katholische Wurzeln hat das Projekt, es geht zurück auf das "Catholic Worker Movement" aus den USA. In den 1930er Jahren entsteht die Bewegung und zieht seitdem immer neue Generationen an. Dietrich Gerstner, einer der Gründer von "Brot und Rosen", lehnt sich nach dem Essen auf dem breiten Sofa zurück und erzählt von seiner Zeit in den USA Mitte der 80er:
"Gelebt habe ich länger in Atlanta, Georgia. In einer Gemeinschaft, die wiederum ein so genannter protestantischer Catholic Worker ist. Will heißen: eine Gemeinschaft, die auch protestantische Wurzeln hat und trotzdem dieser christlich-anarchistischen Laienbewegung angehört, die eben den Namen "katholisch" trägt. Weil sie katholische Wurzeln hat."
Gerstner trägt die Haare kurz, der Dreitagebart schon etwas grau. Wache Augen.
So lange die Verfahren laufen, dürfen die Flüchtlinge in der Lebensgemeinschaft wohnen. Aber wenn Asylanträge abgelehnt werden und kein Widerspruch mehr möglich ist, endet auch das Zusammenleben am Hamburger Stadtrand. Diese Abschiede fallen allen Bewohnern schwer, aber es gibt auch Fälle, die Gerstner Mut machen:
"Und dann stellt sich heraus, dass sich in mehreren Fällen, die wir im Haus hatten, mit Zeit und vielleicht auch mit einem neuen Anwalt, mit dem Blick einer Beratungsstelle darauf, aus scheinbar verlorenen rechtlichen Fällen komplettes Asyl geworden ist, also: Asylanerkennung!"
Gerstner winkt rüber zu seiner Frau, steht auf. Uta Gerstner steht im Türrahmen, ist auf dem Weg zum abendlichen Gottesdienst im Nebenraum, wie jeden Montag. Noch sind die im Kreis aufgestellten Stühle leer. Liedzettel liegen auf den Sitzflächen. Gerstner setzt sich und bevor es losgeht, erklärt er, wie ihm sein Glauben beim Leben und dem Engagement für die Flüchtlinge hilft:
"Es geht nicht drum, durch Beten sich die dunklen Wolken rosa anzumalen. Ich glaube, es geht mehr darum, dass man sich rückbesinnt auf Wesentliches. Für was kämpfen wir eigentlich? Wir kämpfen für Menschenrechte, wir kämpfen für faire Aufnahmebedingungen, wir kämpfen für Grundwerte, Grundrechte. Die Wut in Kraft verwandeln, das ist da das Richtige!"
Zurück auf dem Kirchentag, auf dem Rathausmarkt. Der letzten Station des Kreuzwegs für die Flüchtlinge. 50 Menschen sind mit gegangen, gebetet und gesungen. Ein einfaches Holzkreuz aus zwei Latten vor sich hergetragen.
Dietrich Gerstner packt die Lautsprecher ein, gibt eine Einschätzung dazu, was der Kirchentag für die Rechte der Flüchtlinge leisten kann:
"Das ist schon ein Dilemma des Kirchentags: Wir sind alle unglaublich nett! Und jeder versteht alles! Was die Flüchtlinge angeht: Einfach nur zu sagen ´Wir brauchen was`, das wird nicht genug sein. Sie müssen es vielleicht einfach tun."