Alte Wunden

Von Stephan Ozsvath |
Die Verfassung Kroatiens sieht vor, dass Ortstafeln in lateinischer und kyrillischer Schrift angebracht werden müssen: wenn mehr als ein Drittel der Bewohner einer kroatischen Gemeinde Serben sind. Allerdings ist das Verfahren umstritten - besonders in Vukovar.
Vukovar – der Name der kleinen kroatischen Grenzstadt an der Donau –steht für ein Martyrium: Drei Monate lang belagert die jugoslawische Armee – im Bund mit serbischen Freischärlern – 1991 die slawonische Stadt. Die Bewohner leisten erbitterten Widerstand. 1400 Menschen sterben bei den Kämpfen.

Am Ende fällt die Stadt. Die Tschetniks massakrieren mehr als 200 Menschen in einer ehemaligen Schweinefarm. Bis heute ist die Umgebung minenverseucht, Kriegsspuren sieht man auch an vielen Häuserfassaden. Und auch das Zusammenleben von Kroaten und Serben funktioniert bis heute nur leidlich. Jetzt drohen neue Spannungen. Die Serben pochen auf ein verbrieftes Verfassungsrecht. Der stellvertretende Bürgermeister, Srdjan Milakovic, ein Serbe, sagt:

"Wir verlangen nur, dass das die durch die Verfassung garantierten Minderheitenrechte bezüglich Sprache und Schrift in der Republik Kroatien angewandt werden."

Das heißt konkret: "Vukovar" soll auch in kyrillischer Schrift auf den Ortsschildern stehen, auch die Ämterbezeichnungen soll es doppelt geben: lateinisch und kyrillisch. Das ist gesetzlich garantiert, wenn mindestens 30 Prozent der Einwohner Serben sind. Für diesen Serben ist das wichtig:

"Das bedeutet mir viel, denn in diesem Vorort leben praktisch nur Serben, nur wenige Kroaten."

Die linksliberale Tageszeitung "Jutarnij List" aus Zagreb kommentiert: Kroaten hätten ja nicht gegen die Serben und ihre Kultur und Schrift gekämpft, sondern gegen eine großserbische Expansionspolitik. Deshalb stünden den Serben ihre Rechte zu. Das Gebot der Stunde sei Versöhnung. Das sieht auch Zeljko Sabo so. Er ist der Bürgermeister von Vukovar.

Der Sozialdemokrat hat kein Problem mit der Regelung, obwohl er im Krieg selbst die Stadt gegen die Serben verteidigt hat und in ein Gefangenenlager kam:

"Laut Volkszählung sind 35 Prozent der Einwohner Serben. Und das heißt: Laut Verfassung, vor 10 Jahren verabschiedet, haben sie das Recht auf ihre Sprache und Schrift. Und wer darf über dem Gesetz stehen? Insbesondere wenn es um die Verfassung geht?"

Doch die Kommunalwahl im Mai wirft schon ihre Schatten voraus. Die Nationalisten von der HDZ machen deshalb Front gegen die mehrsprachigen Ortstafeln. Damir Barna, der örtliche HDZ-Chef, zweifelt einfach die Daten der letzten Volkszählung an:

"Wir haben etwa 33.000 registrierte Wähler in Vukovar, aber nur knapp 28.000 Einwohner. Daher denke ich, dass die Ergebnisse der Volkszählung in Vukovar noch einmal streng überprüft werden müssen."

Eine andere kleine rechtsnationale Splitterpartei sammelt jetzt Unterschriften, um zu erreichen, dass zehn Jahre lang Vukovar nicht auf Kyrillisch auf den Ortsschildern steht. Die Nationalisten wissen die Veteranenverbände hinter sich. Sie fordern, aus "symbolischen Gründen" keine kyrillische Schrift im Stadtbild zu verwenden.

""Kyrillisch sollte nicht sein, nur lateinische Schrift","

sagt diese Kroatin aus Vukovar. Die Botschaft soll sein: Vukovar ist eine kroatische Stadt. Eine künstliche Debatte sei der Schriftenstreit, kommentiert dagegen eine 35-jährige, arbeitslose Bloggerin aus Vukovar. Die Politiker schafften es einfach nicht, die wirklichen Probleme zu lösen: nämlich Jobs zu schaffen, schreibt sie.
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