Alte Windkraftanlagen vor dem Aus

Rückschlag für die Energiewende

08:22 Minuten
Ein Luftbild einer Drohne zeigt eine eine Windkraftanlage, deren Turbinen durch neue, leistungsstärkere ersetzt werden.
Ohne "Repowering" von Windkraftanlagen werde Deutschland es schwer haben, seine Klimaziele zu erreichen, warnen Vertreter der Branche Erneuerbare Energien. © picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul
Von Dietrich Mohaupt · 30.08.2021
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Mit weniger Windkraftanlagen mehr Energie erzeugen: Das geht, wenn alte Anlagen durch neue, leistungsstärkere ersetzt werden. Doch bei der Umsetzung dieses "Repowering" hapert es, denn es fehlt an Flächen und Genehmigungen.
Es ist ein sonniger Tag in Ostfriesland, eine kräftige Brise treibt ein paar Wolken über den Himmel – ideale Voraussetzungen für eine reiche Stromernte aus den vielen Windkraftanlagen, die hier in der Nähe des Städtchens Norden unweit der Nordseeküste das Landschaftsbild prägen. Für einen Teil der Anlagen ist Servicetechniker Dirk Roolfs zuständig.
"Wir haben hier sieben Anlagen der Firma Enercon – Typ E70 mit insgesamt 14 MW Leistung", erklärt er.
Moderne Anlagen mit einer Nabenhöhe von maximal 98 Metern, jedes der drei Rotorblätter ist etwa 35 Meter lang. Seit 2005 gibt es diesen Windpark, damals wurden noch viel kleinere Anlagen gebaut.
"Hier standen früher alte Anlagen des Typs E40 Enercon und die wurden dann aufgrund der leistungsstärkeren und effizienteren Anlagen ersetzt. Die Generatoren sind größer geworden, die Blätter sind größer geworden – somit hat eine Anlage quasi bei 2 MW vier kleine Anlagen ersetzt."

Der Repowering-Boom währte nur kurz

Für dieses Repowering, also den Austausch von alten Windrädern durch neue, leistungsstärkere Anlagen, gewährte das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, von 2004 bis 2014 finanzielle Anreize, unter anderem eine Verlängerung der erhöhten Anfangsvergütung und zeitweise auch einen Bonus von einem halben Cent pro Kilowattstunde zusätzlich zu der Anfangsvergütung.
Diese zusätzlichen Vorteile sind seit 2014 aber bereits wieder Geschichte – und damit auch der damals ausgelöste kurze Repowering-Boom. Für die Klimaschutzziele der Bundesregierung und der EU sei das ein herber Rückschlag, kritisiert die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter, bei einem Branchentreffen im ostfriesischen Aurich:
"Repowering ist ein sehr zentraler Schlüssel für den Klimaschutz, weil Windenergie Masseträger ist – das heißt, sie produziert viel Energie, die brauchen wir im gesamten Erneuerbare-Energien-Mix!"

Mit weniger Anlagen mehr Energie erzeugen

Nicht, wie bisher geplant, 40 sondern 55 Prozent CO2-Emissionen will die EU bis 2030 einsparen – so eine der Zielsetzungen des European Green Deal, den die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen im Dezember 2019 vorgestellt hat. Auch die Bundesregierung hat im Juni dieses Jahres neue Zielmarken festgelegt. Danach sollen die Emissionen des Treibhausgases in Deutschland bis 2030 um 65 Prozent sinken. Dieses Ziel werde man aber ohne zusätzliche Anstrengungen deutlich verfehlen, heißt es in einem kürzlich öffentlich gewordenen internen Bericht des Bundesumweltministeriums.
Umso wichtiger sei es, dass die Bundesregierung jetzt zügig auch eine konkrete Strategie für das Repowering von Windkraftanlagen vorlege, fordert Simone Peter.
"Jetzt scheiden nach 20 Jahren immer mehr Anlagen aus der Vergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus – und da braucht es Nachfolgemöglichkeiten. Man kann die teilweise noch ein bisschen weiter betreiben, aber sinnvoller ist es natürlich heute, neue Technik einzusetzen, das heißt, mit weniger Anlagen am selben Standort mehr Energie zu liefern und damit auch mehr zum Klimaschutz beizutragen."
Konkret geht es um bis zu 16 Gigawatt installierter Windenergieleistung, die in den nächsten vier Jahren aus der EEG-Förderung herausfallen. Das sind aktuell 28 Prozent der gesamten Windkraftkapazität an Land in Deutschland. Zwei Drittel davon stehen an Standorten, die wegen neuer Abstandsregeln zu Wohnhäusern zum Beispiel oder wegen anderer Auflagen nicht mehr für die Windkraft nutzbar sind.
Es drohe ein fataler Rückschlag für die gesamte Energiewende, so Simone Peter. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2021 wurden nur 240 Onshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 971 MW neu errichtet – schon das reicht nicht aus, um die im EEG festgelegte Zielvorgabe von vier Gigawatt Zubau pro Jahr und das angestrebte Einsparziel von 65 Prozent der CO2-Emissionen bis 2030 zu erfüllen. Deshalb seien alle Entscheidungsebenen gefragt, um das im Repowering schlummernde Potenzial auch wirklich zu heben.
"Das ist der Bund mit Gesetzgebungen, die ja über alle Bundesländer greifen, zum Beispiel die Hürden und Hemmnisse aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz rauszunehmen und mit den Ländern zusammen diskutieren, wie wir Flächen und Genehmigungen bereitstellen – also zwei Prozent einer jeden Landesfläche – und auch Genehmigungsverfahren, die deutlich kürzer sind als mehrere Jahre. Da müssen dann die Länder auch in die Bresche springen mit ihren Genehmigungsbehörden und sie müssen das mit den Kommunen besprechen, weil viel Gesetzgebung im Naturschutz zum Beispiel oder in der Flächenausweisung in der Kommune stattfindet."

Gemeinden sollen Repoweringflächen ausweisen

Auch Horst Mangels, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energie Niedersachsen/Bremen, sieht in erster Linie die Länder in der Pflicht, über die Landesraumordnung und den Windenergieerlass die Rahmenbedingungen für ein klares Repoweringkonzept zu schaffen. Und am Ende seien natürlich auch die Kommunen gefragt.
"Gerade die Kommunen, wo relativ viele Altanlagen stehen, dort muss es einfach eine Möglichkeit geben, außerhalb der Vorrangzonen, die im Flächennutzungsplan dargestellt sind, Anlagen zu repowern", mahnt der Bremer Unternehmer, der in ganz Norddeutschland Windparks projektiert und auch selbst betreibt.
Eine kleine E-40 Windturbine liegt auf einer Fläche, im Hintergrund sind zahlreiche Windräder zu sehen.
Der Repowering-Boom währte in Deutschland nur kurz.© imago images / Joerg Boethling
Grundsätzlich sei es zwar wünschenswert, für das Repowering bereits genehmigte, erschlossene und von der Bevölkerung in der Regel auch akzeptierte Standorte von Altanlagen zu erhalten. Wenn das aber nach neuen Standards einfach nicht zumutbar sei, dann müsse die Gemeinde mitentscheiden dürfen, ob und wo – zusätzlich zu ganz neuen Windeignungsflächen – auch "Repoweringflächen" ausgewiesen werden. Vorrangiges Ziel müsse es sein, die bisher schon für Windkraftanlagen genutzte Fläche in der Summe zu erhalten, so Horst Mangels.
"Ich glaube, Akzeptanz hängt immer mit Beteiligung zusammen – und wenn ich von außerhalb komme und will den Leuten irgendwas überstülpen, habe ich keine Akzeptanz. Das ist ja aber bei diesen ganzen Altstandorten nicht der Fall. Wir haben oftmals ortsansässige Betreibergesellschaften oder als Einzelanlagenbetreiber Landwirte. Und wenn die sich zusammenschließen, um letztendlich fünf Anlagen abzubauen und dafür irgendwo an anderer Stelle eine neue aufzubauen, dann haben wir in der Regel auch die Akzeptanz in der Bevölkerung dafür."

Weitere Verzögerungen gefährden die Klimaziele

Die Rechnung sei eigentlich ganz einfach, meint Horst Mangels. Wenn Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen wolle, dann könne man sich einfach keine weiteren Verzögerungen oder gar Rückschläge beim Ausbau der erneuerbaren Energien leisten – vor allem nicht bei der Windenergie. Repowering sei dabei ein ganz entscheidender Baustein, der am Ende auch dem Landschaftsbild zugute komme könne.
"Wenn ich also eine neue 4-MW-Anlage bauen will, dann muss ich eben acht Altanlagen à 500 KW – das ist so die Anlagengeneration, die jetzt repowered wird – die muss ich dann einsammeln. Und wenn du dir überlegst, dass wir das Landschaftsbild entlasten, indem wir acht Altanlagen zurückbauen und dafür eine neue Anlage an geeigneter Stelle mit entsprechenden Abständen zur Wohnbebauung wieder neu aufbauen, dann ist das für alle eine Win-win-Situation. Wir verlieren keine installierte Leistung und in der Regel verdoppeln wir noch den Ertrag."
Eigentlich hätte die Politik schon im Jahr 2000, als das EEG in Kraft trat, über Nachfolgeregelungen für die nach 20 Jahren aus der Anfangsförderung fallenden Windkraftanlagen nachdenken müssen, meint Simone Peter. Das sei aber damals und auch in den vergangenen Jahren nicht geschehen – jetzt sei es wirklich höchste Zeit, die entsprechenden Korrekturen vorzunehmen, fordert die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien.
"Jetzt nach vorne schauen, nachbessern, eine Repowering-Strategie entwerfen für die Bundesrepublik und mit den Ländern eben dazu kommen, wie kriegen wir die Flächen und Genehmigungen dafür bereitgestellt. Das muss jetzt angegangen werden – am besten in den ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung!"
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