Alte und neue Schatten
Das Militär als Retter der Revolution – so sahen es viele Ägypter im Frühjahr nach dem Sturz Mubaraks. Doch die Unterstützung für die Armee brökelt. Hunderttausende Demonstranten fordern den Rücktritt des Militärrates - und hoffen auf die kommenden Parlamentswahlen.
Die Bilder erinnern an den Beginn der Proteste gegen das Regime von Präsident Hosni Mubarak im Februar: Mit brutaler Gewalt gehen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vor - mit Knüppeln, Tränengas und Plastikmunition. Pflastersteine fliegen, in Notlazaretten rund um den Tahrir-Platz in Kairo werden Verletzte behandelt. Mehr als drei Dutzend Menschen sind allein in der Hauptstadt getötet worden; auch in anderen Städten des Landes wie Alexandria und Suez gab es Tote und Verletzte.
Die Politikwissenschaftlerin Rabab el-Mahdi, die schon im Frühjahr auf dem Tahrir-Platz den Sturz des Mubarak-Regimes forderte, ist auch in diesen Tagen wieder auf dem Platz, um gegen den Obersten Militärrat, das "Supreme Council of Armed Forces" - kurz Scaf, zu demonstrieren.
"Worüber wir jetzt reden, ist die Fortführung der Revolution vom Januar, das ägyptische Volk hat verstanden, dass der Oberste Militärrat, der SCAF, nur die Fortsetzung der Mubarak-Herrschaft ist. Die Militärs sind unter ihm mächtig geworden, sie wurden von ihm ins Amt gebracht. Und wir können dieses Regime nur beenden, wenn wir die Herrschaft des Obersten Militärrats über Ägypten beenden."
Im Obersten Militärrat Ägyptens – dem Kopf des ägyptischen Militärs sitzen die wichtigsten Generäle unter Leitung von Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi. 20 Jahre lang war er unter Mubarak Verteidigungsminister. Den "Pudel Mubaraks" nennen viele Ägypter den 76-Jährigen respektlos - wegen seiner engen Freundschaft zu Mubarak. Seit dem 11. Februar leitet der Rat der Generäle unter seiner Führung die Geschicke des Landes.
Das Militär als Retter der Revolution – so sahen das viele im Frühjahr, "Militär und Volk sind eine Hand", hieß einer der beliebten Schlachtrufe der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Mubarak-Schlägertrupps auf der einen und den Demonstranten auf der anderen Seite hielt sich das Militär zurück. Erst spät schritt die Armee ein. Inzwischen vermuten viele Demokratieaktivisten dahinter eine Taktik. Das Militär habe Mubarak geopfert, um die Macht im Land nicht zu verlieren und die eigenen Privilegien zu sichern, meint diese Frau, die bei einer der Demonstrationen gegen den Militärrat teilnimmt.
"Der Militärrat hat Mubarak gezwungen, zurückzutreten, um seine eigene Agenda durchzusetzen. Die Revolution hat den Militärs nur geholfen, ihr Ziel zu erreichen. Darum sind wir alle verärgert."
Dabei kann das Militär auf die Unterstützung der großen Mehrheit der Ägypter zählen. Der Militärdienst ist für Ägypter verpflichtend, jeder hat Freunde und Familienangehörige in der Armee. Wer die Armee angreift, sagt Hassan Abu Taleb vom Al Ahram Zentrum für Politische und Strategische Studien in Kairo, kann nicht auf große Unterstützung hoffen.
"Die meisten Ägypter respektieren die Armee, sie unterscheiden nicht zwischen der Armee und dem Militärrat, in der Wahrnehmung der meisten Ägypter ist das eine Einheit. Wenn einer der Aktivisten den Militärrat demütigt, dann fühle ich mich persönlich gedemütigt, dann demütigt er das Land und jeden Soldaten. Das lehne ich also ab. Wer kann eine positive Rolle spielen, um den Menschen Sicherheit zu gewährleisten? Das kann nur die Armee, wir sollten respektieren, was die Armee für uns tut."
Aber die Unterstützung für die Armee bröckelt. Amr Shalakany ist Jura-Professor an der Amerikanischen Universität Kairo.
"Die Armee regiert Ägypten seit 60 Jahren. Ende Januar ist die zivile Fassade der Armee gefallen und jetzt ist klar, dass wir nun auch offiziell von der Armee regiert werden, und sie ist schlimmer als das frühere Regime, Zivilisten werden vor Militärgerichten abgeurteilt - das gab es vorher nicht -, während Mubarak und seine Clique alle Annehmlichkeiten ziviler, ägyptischer Gerichte genießen, die Notstandsgesetze sind wieder in Kraft gesetzt worden und dann natürlich kürzlich die Bekanntgabe der neuen Verfassungsprinzipien in den vergangenen Wochen, die im Wesentlichen die Armee über die Demokratie und das Recht stellen."
Freitag, 18. November. Die Ägypter erobern sich die Straßen zurück. Es ist der "Freitag der einen Forderung": Der Oberste Militärrat, der das Land seit Mubaraks Rücktritt faktisch regiert, solle so bald als möglich die Macht an eine zivile, demokratisch gewählte Regierung abgeben, so die Forderung der Demonstranten.
"Ich bin hier, um den Pfad der Revolution zu korrigieren, um für den Sturz des Militärrats zu demonstrieren. Haben wir einen Polizeistaat gestürzt, nur um dann von einem anderen regiert zu werden?"
Der ehemalige Parlamentsabgeordnete Abdel Aziz el Ashry spricht vielen aus dem Herzen, die an diesem Tag wieder auf den Tahrir-Platz in Kairo, in das Zentrum der Revolution zurückgekehrt sind.
"Feldmarschall, hol dir deine Befehle vom Tahrir!", rufen die aufgebrachten Demonstranten. Im Fokus der Kritik steht Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi."
Vor allem die Muslimbruderschaft konnte ihre Anhängerschaft mobilisieren, auch streng-religiöse Gruppierungen wie die Salafisten. Sie hoffen, dass sie bei den ersten freien und demokratischen Wahlen im Land die Mehrheit der Parlamentssitze erreichen können. Das würde ihnen auch einen entscheidenden Einfluss auf die neue Verfassung sichern, die von einer Parlamentskommission erstellt werden soll. Doch der Militärrat hat wenige Tage zuvor Verfassungsgrundsätze veröffentlichen lassen, die dem Militär weitreichende Privilegien und einen dauerhaften Einfluss auf die Politik des Landes zusichert.
So soll der Militärhaushalt ziviler Kontrolle entzogen bleiben, außerdem behält sich der Militärrat vor, die Regierung und den Präsidenten zu bestätigen. Kamal Habib, Kandidat der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, es ist der politische Arm der Muslimbruderschaft, geht in seiner Rede auf dem Tahrir-Platz noch einen Schritt weiter. Er fordert, die Militärherrschaft in Ägypten zu beenden.
"Wir sind heute gekommen, um nein zu sagen zu Militärprozessen gegen Zivilisten, Schluss mit der Militarisierung Ägyptens, wir wollen nicht, dass weiter wichtige Posten in der Gesellschaft von Militärs oder von Polizeiangehörigen übernommen werden, wie Gouverneursposten und hohe Stellungen an den Universitäten. Wir wollen für Ägypten eine zivile Regierung und das heißt: kein Militärregime."
Unter den Demonstranten ist auch eine Gruppe, die sich besonders dafür einsetzt, dass die Militärprozesse gegen Zivilisten eingestellt werden. 12.000 Menschen sollen seit dem Frühjahr vor Militärgerichten abgeurteilt worden sein, ohne fairen Prozess. So der Blogger Maikel Nabil Sanad, der wegen Beleidigung des Militärs und Verbreitung falscher Informationen verhaftet wurde. Er hatte in seinem Internetblog versucht, das Märchen vom Militär als "Retter der Revolution" zu entlarven. Er postete Videos, die belegen, dass Soldaten wie zu Mubaraks Zeiten foltern; das Militär habe Mubarak lediglich geopfert, um die eigenen Vorrechte zu retten, so Maikel in seinem Internetblog.
Rund 200 Demonstranten ziehen am 18. November vom Tahrir-Platz vor das Gebäude des ägyptischen Staatsfernsehens und skandieren Sprüche gegen den Militärrat. Sie tragen T-Shirts mit dem Porträt von Alaa Abdel Fattah. Der Blogger Alaa wurde im Oktober festgenommen. Aus Protest gegen den Militärprozess verzichtet Alaa bisher auf eine Verteidigung; seine Mutter Leila Seif ist in einen Hungerstreik getreten.
"Ich mache mir nicht so sehr Sorgen um meinen Sohn. - Doch, ich mach mir offengestanden schreckliche Sorgen. Aber wenn es den Militärs gelingt, uns klein zu kriegen und Alaa im Gefängnis zu behalten, dann wird das der Beginn einer ganzen Verhaftungswelle gegen junge Leute sein. Es geht hier nicht nur um die Verhaftung meines Sohnes. Es geht um all die jungen Leute, die jetzt im Gefängnis sind."
Während einer Wahlkampfveranstaltung der Revolutionsjugend in einem Ort in Oberägypten sind plötzlich Schläger des alten Regimes aufgetaucht, haben die Aktivisten bedroht und Randale gemacht. "Das Land gehört uns", sollen sie geschrien haben, "ihr habt hier keine Zukunft!" Mohammed Abbas kandidiert für die Allianz der Revolutionsjugend.
"Ich habe keine Angst, dass Kandidaten tricksen. Ich mache mir aber Sorgen um mein Land, das unter Militärherrschaft steht, in dem Notstandsgesetze gelten und Militärprozesse stattfinden. Was soll ich tun? Wie soll ich keine Angst haben um meine Freiheit und um meine Arbeitsstelle? Soll ich mir keine Sorgen machen um die Sicherheit bei den Wahlen und darum, dass sie fair sein werden? Wahlen unter Notstandsgesetzen und Militärprozessen können nicht transparent und fair sein."
Darum haben auf dem Tahrir-Platz in den Tagen vor der Wahl Hunderttausende gegen den Militärrat protestiert und einen Rückzug des Militärrats gefordert. Der Militärrat hat reagiert, zuerst mit Tränengas und Gummigeschossen, schließlich mit Zugeständnissen. Immerhin hat der Militärrat den Rücktritt des Kabinetts von Ministerpräsident Essam Sharraf akzeptiert. Bis Juli 2012 sollen die Präsidentschaftswahlen abgeschlossen sein und das Militär will sich aus der politischen Verantwortung zurückziehen. In einer Fernsehansprache kündigte Feldmarschall Tantawi die weiteren Pläne des Militärrats an und er lobte die Disziplin der Armee. Die Soldaten hätten niemals aggressiv reagiert, auch wenn sie angegriffen und beleidigt wurden. Der Militärrat habe kein Interesse daran, den Demokratisierungsprozess im Land hinauszuzögern, wie ihm von Kritikern vorgeworfen werde, so Tantawi.
"Die Vorwürfe gegen den Militärrat haben nur das Ziel, unsere Kräfte und unsere Entschiedenheit zu schwächen. Sie wollen nur das große Vertrauen zwischen dem Volk und dem Militär zerstören, das über Jahre aufgebaut wurde. Sie wollen sogar die ganze ägyptische Nation zerstören."
Auch nach Tantawis Fernsehansprache gingen Sicherheitskräfte in Kairo in der Nähe des Innenministeriums und in Alexandria, der zweitgrößten Stadt Ägyptens, mit Tränengas gegen Demonstranten vor. Viele Ägypter befürchten, dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen auch während der Wahlen weitergehen.
Ahmed Maher, einer der wichtigen Initiatoren der Proteste im Frühjahr, die zum Sturz von Hosni Mubarak führten, ist allerdings guter Dinge, wenn er an die Zukunft seines Landes denkt.
"Es liegen viele Schwierigkeiten vor uns, aber ich bin optimistisch. Wenn wir uns den Wandel in Osteuropa anschauen: Es brauchte nach der Revolution dort auch vier, fünf, sechs Jahre, um eine neue Regierung, neue Nationen aufzubauen. In Ägypten ist das anders: Wir haben den Militärrat, der alles kontrolliert und der das alte Regime verteidigt. Aber ich bin optimistisch, denn der neue Präsident wird nicht regieren können, wie das Mubarak getan hat, die neue Regierung, das neue Parlament, sie werden nicht regieren können wie zu Mubaraks Zeiten, weil die Mentalität der Menschen auf der Straße sich gewandelt hat. Sie werden Demokratie fordern und sie werden die Revolution beschützen."
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Die Politikwissenschaftlerin Rabab el-Mahdi, die schon im Frühjahr auf dem Tahrir-Platz den Sturz des Mubarak-Regimes forderte, ist auch in diesen Tagen wieder auf dem Platz, um gegen den Obersten Militärrat, das "Supreme Council of Armed Forces" - kurz Scaf, zu demonstrieren.
"Worüber wir jetzt reden, ist die Fortführung der Revolution vom Januar, das ägyptische Volk hat verstanden, dass der Oberste Militärrat, der SCAF, nur die Fortsetzung der Mubarak-Herrschaft ist. Die Militärs sind unter ihm mächtig geworden, sie wurden von ihm ins Amt gebracht. Und wir können dieses Regime nur beenden, wenn wir die Herrschaft des Obersten Militärrats über Ägypten beenden."
Im Obersten Militärrat Ägyptens – dem Kopf des ägyptischen Militärs sitzen die wichtigsten Generäle unter Leitung von Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi. 20 Jahre lang war er unter Mubarak Verteidigungsminister. Den "Pudel Mubaraks" nennen viele Ägypter den 76-Jährigen respektlos - wegen seiner engen Freundschaft zu Mubarak. Seit dem 11. Februar leitet der Rat der Generäle unter seiner Führung die Geschicke des Landes.
Das Militär als Retter der Revolution – so sahen das viele im Frühjahr, "Militär und Volk sind eine Hand", hieß einer der beliebten Schlachtrufe der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Mubarak-Schlägertrupps auf der einen und den Demonstranten auf der anderen Seite hielt sich das Militär zurück. Erst spät schritt die Armee ein. Inzwischen vermuten viele Demokratieaktivisten dahinter eine Taktik. Das Militär habe Mubarak geopfert, um die Macht im Land nicht zu verlieren und die eigenen Privilegien zu sichern, meint diese Frau, die bei einer der Demonstrationen gegen den Militärrat teilnimmt.
"Der Militärrat hat Mubarak gezwungen, zurückzutreten, um seine eigene Agenda durchzusetzen. Die Revolution hat den Militärs nur geholfen, ihr Ziel zu erreichen. Darum sind wir alle verärgert."
Dabei kann das Militär auf die Unterstützung der großen Mehrheit der Ägypter zählen. Der Militärdienst ist für Ägypter verpflichtend, jeder hat Freunde und Familienangehörige in der Armee. Wer die Armee angreift, sagt Hassan Abu Taleb vom Al Ahram Zentrum für Politische und Strategische Studien in Kairo, kann nicht auf große Unterstützung hoffen.
"Die meisten Ägypter respektieren die Armee, sie unterscheiden nicht zwischen der Armee und dem Militärrat, in der Wahrnehmung der meisten Ägypter ist das eine Einheit. Wenn einer der Aktivisten den Militärrat demütigt, dann fühle ich mich persönlich gedemütigt, dann demütigt er das Land und jeden Soldaten. Das lehne ich also ab. Wer kann eine positive Rolle spielen, um den Menschen Sicherheit zu gewährleisten? Das kann nur die Armee, wir sollten respektieren, was die Armee für uns tut."
Aber die Unterstützung für die Armee bröckelt. Amr Shalakany ist Jura-Professor an der Amerikanischen Universität Kairo.
"Die Armee regiert Ägypten seit 60 Jahren. Ende Januar ist die zivile Fassade der Armee gefallen und jetzt ist klar, dass wir nun auch offiziell von der Armee regiert werden, und sie ist schlimmer als das frühere Regime, Zivilisten werden vor Militärgerichten abgeurteilt - das gab es vorher nicht -, während Mubarak und seine Clique alle Annehmlichkeiten ziviler, ägyptischer Gerichte genießen, die Notstandsgesetze sind wieder in Kraft gesetzt worden und dann natürlich kürzlich die Bekanntgabe der neuen Verfassungsprinzipien in den vergangenen Wochen, die im Wesentlichen die Armee über die Demokratie und das Recht stellen."
Freitag, 18. November. Die Ägypter erobern sich die Straßen zurück. Es ist der "Freitag der einen Forderung": Der Oberste Militärrat, der das Land seit Mubaraks Rücktritt faktisch regiert, solle so bald als möglich die Macht an eine zivile, demokratisch gewählte Regierung abgeben, so die Forderung der Demonstranten.
"Ich bin hier, um den Pfad der Revolution zu korrigieren, um für den Sturz des Militärrats zu demonstrieren. Haben wir einen Polizeistaat gestürzt, nur um dann von einem anderen regiert zu werden?"
Der ehemalige Parlamentsabgeordnete Abdel Aziz el Ashry spricht vielen aus dem Herzen, die an diesem Tag wieder auf den Tahrir-Platz in Kairo, in das Zentrum der Revolution zurückgekehrt sind.
"Feldmarschall, hol dir deine Befehle vom Tahrir!", rufen die aufgebrachten Demonstranten. Im Fokus der Kritik steht Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi."
Vor allem die Muslimbruderschaft konnte ihre Anhängerschaft mobilisieren, auch streng-religiöse Gruppierungen wie die Salafisten. Sie hoffen, dass sie bei den ersten freien und demokratischen Wahlen im Land die Mehrheit der Parlamentssitze erreichen können. Das würde ihnen auch einen entscheidenden Einfluss auf die neue Verfassung sichern, die von einer Parlamentskommission erstellt werden soll. Doch der Militärrat hat wenige Tage zuvor Verfassungsgrundsätze veröffentlichen lassen, die dem Militär weitreichende Privilegien und einen dauerhaften Einfluss auf die Politik des Landes zusichert.
So soll der Militärhaushalt ziviler Kontrolle entzogen bleiben, außerdem behält sich der Militärrat vor, die Regierung und den Präsidenten zu bestätigen. Kamal Habib, Kandidat der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, es ist der politische Arm der Muslimbruderschaft, geht in seiner Rede auf dem Tahrir-Platz noch einen Schritt weiter. Er fordert, die Militärherrschaft in Ägypten zu beenden.
"Wir sind heute gekommen, um nein zu sagen zu Militärprozessen gegen Zivilisten, Schluss mit der Militarisierung Ägyptens, wir wollen nicht, dass weiter wichtige Posten in der Gesellschaft von Militärs oder von Polizeiangehörigen übernommen werden, wie Gouverneursposten und hohe Stellungen an den Universitäten. Wir wollen für Ägypten eine zivile Regierung und das heißt: kein Militärregime."
Unter den Demonstranten ist auch eine Gruppe, die sich besonders dafür einsetzt, dass die Militärprozesse gegen Zivilisten eingestellt werden. 12.000 Menschen sollen seit dem Frühjahr vor Militärgerichten abgeurteilt worden sein, ohne fairen Prozess. So der Blogger Maikel Nabil Sanad, der wegen Beleidigung des Militärs und Verbreitung falscher Informationen verhaftet wurde. Er hatte in seinem Internetblog versucht, das Märchen vom Militär als "Retter der Revolution" zu entlarven. Er postete Videos, die belegen, dass Soldaten wie zu Mubaraks Zeiten foltern; das Militär habe Mubarak lediglich geopfert, um die eigenen Vorrechte zu retten, so Maikel in seinem Internetblog.
Rund 200 Demonstranten ziehen am 18. November vom Tahrir-Platz vor das Gebäude des ägyptischen Staatsfernsehens und skandieren Sprüche gegen den Militärrat. Sie tragen T-Shirts mit dem Porträt von Alaa Abdel Fattah. Der Blogger Alaa wurde im Oktober festgenommen. Aus Protest gegen den Militärprozess verzichtet Alaa bisher auf eine Verteidigung; seine Mutter Leila Seif ist in einen Hungerstreik getreten.
"Ich mache mir nicht so sehr Sorgen um meinen Sohn. - Doch, ich mach mir offengestanden schreckliche Sorgen. Aber wenn es den Militärs gelingt, uns klein zu kriegen und Alaa im Gefängnis zu behalten, dann wird das der Beginn einer ganzen Verhaftungswelle gegen junge Leute sein. Es geht hier nicht nur um die Verhaftung meines Sohnes. Es geht um all die jungen Leute, die jetzt im Gefängnis sind."
Während einer Wahlkampfveranstaltung der Revolutionsjugend in einem Ort in Oberägypten sind plötzlich Schläger des alten Regimes aufgetaucht, haben die Aktivisten bedroht und Randale gemacht. "Das Land gehört uns", sollen sie geschrien haben, "ihr habt hier keine Zukunft!" Mohammed Abbas kandidiert für die Allianz der Revolutionsjugend.
"Ich habe keine Angst, dass Kandidaten tricksen. Ich mache mir aber Sorgen um mein Land, das unter Militärherrschaft steht, in dem Notstandsgesetze gelten und Militärprozesse stattfinden. Was soll ich tun? Wie soll ich keine Angst haben um meine Freiheit und um meine Arbeitsstelle? Soll ich mir keine Sorgen machen um die Sicherheit bei den Wahlen und darum, dass sie fair sein werden? Wahlen unter Notstandsgesetzen und Militärprozessen können nicht transparent und fair sein."
Darum haben auf dem Tahrir-Platz in den Tagen vor der Wahl Hunderttausende gegen den Militärrat protestiert und einen Rückzug des Militärrats gefordert. Der Militärrat hat reagiert, zuerst mit Tränengas und Gummigeschossen, schließlich mit Zugeständnissen. Immerhin hat der Militärrat den Rücktritt des Kabinetts von Ministerpräsident Essam Sharraf akzeptiert. Bis Juli 2012 sollen die Präsidentschaftswahlen abgeschlossen sein und das Militär will sich aus der politischen Verantwortung zurückziehen. In einer Fernsehansprache kündigte Feldmarschall Tantawi die weiteren Pläne des Militärrats an und er lobte die Disziplin der Armee. Die Soldaten hätten niemals aggressiv reagiert, auch wenn sie angegriffen und beleidigt wurden. Der Militärrat habe kein Interesse daran, den Demokratisierungsprozess im Land hinauszuzögern, wie ihm von Kritikern vorgeworfen werde, so Tantawi.
"Die Vorwürfe gegen den Militärrat haben nur das Ziel, unsere Kräfte und unsere Entschiedenheit zu schwächen. Sie wollen nur das große Vertrauen zwischen dem Volk und dem Militär zerstören, das über Jahre aufgebaut wurde. Sie wollen sogar die ganze ägyptische Nation zerstören."
Auch nach Tantawis Fernsehansprache gingen Sicherheitskräfte in Kairo in der Nähe des Innenministeriums und in Alexandria, der zweitgrößten Stadt Ägyptens, mit Tränengas gegen Demonstranten vor. Viele Ägypter befürchten, dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen auch während der Wahlen weitergehen.
Ahmed Maher, einer der wichtigen Initiatoren der Proteste im Frühjahr, die zum Sturz von Hosni Mubarak führten, ist allerdings guter Dinge, wenn er an die Zukunft seines Landes denkt.
"Es liegen viele Schwierigkeiten vor uns, aber ich bin optimistisch. Wenn wir uns den Wandel in Osteuropa anschauen: Es brauchte nach der Revolution dort auch vier, fünf, sechs Jahre, um eine neue Regierung, neue Nationen aufzubauen. In Ägypten ist das anders: Wir haben den Militärrat, der alles kontrolliert und der das alte Regime verteidigt. Aber ich bin optimistisch, denn der neue Präsident wird nicht regieren können, wie das Mubarak getan hat, die neue Regierung, das neue Parlament, sie werden nicht regieren können wie zu Mubaraks Zeiten, weil die Mentalität der Menschen auf der Straße sich gewandelt hat. Sie werden Demokratie fordern und sie werden die Revolution beschützen."
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Ein Demonstrant hebt die ägyptische Flagge vor dem Hintergrund brennender Fahrzeuge auf dem Tahrirplatz in Kairo.© picture alliance / dpa / Ahmed Assadya