Alte Musik mit René Clemencic

Klingende Kathedralen

Der Dirigent, Komponist und Musikforscher René Clemencic
Der Dirigent, Komponist und Musikforscher René Clemencic © Daniela Klemencic/privat
08.03.2015
Musik des 15. Jahrhunderts? Der heute berühmteste Komponist dieser Epoche ist Josquin Desprez. Sein jüngerer Zeitgenosse Jacob Obrecht war bislang vor allem unter Musikwissenschaftlern beliebt. Der Wiener Dirigent und Musiker René Clemencic holt ihn auf die Bühne zurück.
Trotz einer florierenden Alte-Musik-Szene und trotz des großen Interesses an der Kunst der Renaissance sind Aufführungen und Einspielungen der Werke von Jacob Obrecht (ca. 1458-1505) selten.
Dem gegenüber steht ein ausgeprägtes Interesse der Musikwissenschaft: Einer der berühmtesten Fachvertreter, Ludwig Finscher, widmete Obrecht immerhin fünfzehn Spalten in der Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart". Obrechts Werke, darunter 29 gesichert von ihm stammende Messvertonungen, sind in verschiedenen zeitgenössischen Drucken überliefert - und bereits 1908 entstand die erste Obrecht-Gesamtausgabe. Doch warum wird Obrecht so selten aufgeführt?
René Clemencic, eine Autorität für die Interpretation der Musik des Mittelalters und der Renaissance, kann sich das nicht erklären. Aber seine Antwort ist einfach: Die beste Reaktion auf diesen Missstand ist eine gute Aufführung! So widmete er im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins, wo er seit Jahrzehnten eine eigene Konzertreihe veranstaltet, Obrecht einen ganzen Abend. Im Mittelpunkt des Programms stand die faszinierende Messe „sub tuum presidium confugimus", die Obrecht vermutlich 1503 für Kaiser Maximilian I. schrieb. Symbolisch wird dem Ensemble hier Satz für Satz eine Stimme hinzugefügt, bis das Finale in strahlender Siebenstimmigkeit erklingt.
Eingeleitet wurde das Konzert, in dem sieben Sänger und drei Bläsersolisten mitwirkten, mit verschiedenen kleineren Werken Obrechts, die überwiegend auf der Volksmusik seiner flämischen Heimat beruhen. René Clemencic, der in diesen Tagen seinen 87. Geburtstag feiert, ist hier auch als Solist an dem Nachbau eines spätgotischen Orgelpositivs zu erleben: Eine musikhistorische Fernreise mit einer stillen Größe der historischen Aufführungspraxis.
Musikverein Wien, Brahms-Saal
Aufzeichnung vom 15. Februar 2015
Klingende Kathedralen – Komponistenporträt Jacob Obrecht (ca. 1458-1505)
Missa „sub tuum presidium confugimus, vocum septem" und andere Werke
Olaf Wilhelmer im Gespräch mit René Clemencic
Clemencic Consort
Leitung und Orgelpositiv: René Clemencic