Als die Antike Abendland wurde
Er wurde der Abtrünnige genannt und gilt als einer der umstrittensten römischen Herrscher: Kaiser Julian. Er wurde christlich erzogen, versuchte aber die Ausbreitung der neuen Religion zu stoppen. Der Historiker Klaus Rosen zeigt in "Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser" den Regenten als Figur des Übergangs, als Symbol des Beginns und gleichzeitigen Untergangs.
Julian war und ist unaussprechbar, schillernd uneindeutig: War er Verräter oder Befreier, Rebell oder Reaktionär, Heiliger oder Hippie, Grieche oder Römer? Dieser Vielfältigkeit versucht Rosen in seinem Buch gerecht zu werden. Jeder Teilpersönlichkeit Julians widmet er ein Kapitel, etwa: Der Waisenknabe, Der Caesar, Der Verlierer, Der Umstrittene und so weiter.
Rosen fächert dabei den historischen Zusammenhang auf, und das macht er detailreich und fundiert. Das Buch ist gelehrt und bringt zugleich die Vitalität Julians zum Ausdruck. Er war schillernd, hochgebildet, sicher auch widersprüchlich und für seine Zeitgenossen verwirrend. Damit ist er ein beispielhafter Zeit-Charakter.
Denn Julian markiert einen Wendepunkt, den Übergang vom Polytheismus, also einer Religionsauffassung, die viele Götter zulässt, zum Monotheismus, zum Christentum. Julian war ein Kaiser, der zu beiden Religionen, die ja auch Weltanschauungen verkörpern, Zugang hatte und am Ende versuchte, den Vormarsch des Christentums zu stoppen.
Wenn Abendland Christentum bedeutet, dann beginnt mit Julians Scheitern im Kampf der Kulturen die eigentliche abendländische Geschichte. Nach seinem Tod, 363 nach Christus, sind alle Römischen Kaiser bis 1806, bis zu Kaiser Franz II, dem Habsburger, Christen. Das macht Julian zu einer zentralen historischen Figur, zu einem Symbol des Übergangs, des Beginns und zugleich des Untergangs.
Julian wurde damals "Apostata" genannt, ein Beiname wie ein Schimpfwort. Apostata, der Abtrünnige. Nach Julians Tod entstand über Jahrhunderte ein Deutungskrieg. Die Heiden erhoben ihn zum Gott, die Christen wiederum meinten in seinem frühen Tod die Rache des Herrn zu erkennen und sahen Julian in der Hölle schmoren. Gleichwohl waren die Übergänge vom Heidentum zum Christentum fließend und oszillierend, und das zeigt sich am deutlichsten bei Julian selbst.
Er war christlich erzogen, seitenweise konnte er aus dem Alten und dem Neuen Testament zitieren. Und auch, wenn er später durchaus spitzzüngige Reden gegen die Christen hielt, ging es bei ihm keineswegs um eine Gefühlsaufwallung, den Affekt des Hasses, sondern vielmehr um eine politische, eine ideologische, ja eine philosophische Haltung. Denn die große Frage an jeden römischen Kaiser lautete: Wie hält er das Reich stabil, außenpolitisch gegenüber Feinden und Bündnispartnern, aber auch innenpolitisch. Diesbezüglich sah Julian im Polytheismus ein größeres Potential.
Die Fragen, die Julian damals stellte, sind heute wieder moderne Fragen in einer Welt, die globalisiert und multikulturell geworden ist. Erinnern wir uns daran, wie vielfältig der Polytheismus damals war: Die antike Welt bestand aus hunderten von Göttern, persischen, römischen, griechischen, ägyptischen, und alle konnten verträglich nebeneinander bestehen.
Plötzlich gibt es nur noch einen Gott, den jüdischen, erst in der einen, der christlichen Version, dann, knapp drei Jahrhunderte später, in einer zweiten Version, der islamischen. Danach ist die Welt gespalten, alles ist entweder oder, wahr oder falsch, heilig oder herätisch. Dieser Konflikt währt bis heute.
Eigentlich sind es zwei Konflikte: der zwischen Christentum und Islam und der zwischen Liberalismus und Fundamentalismus. Und wenn wir den Liberalismus als die säkularisierte Version des Polytheismus sehen, also als Multioptionsgesellschaft, dann sind wir heute in der gleichen Situation wie Julian damals und müssen uns die gleiche Frage stellen: Wie wollen wir leben? Wofür entscheiden wir uns? Für die eine unerbittliche Wahrheit oder für viele, vielleicht verwirrende Wahrheiten?
So ist das Buch von Rosen nicht nur ein interessanter und spannender Einblick in eine Epoche, die uns fern ist, sondern zugleich ein hochaktueller Kommentar zur Gegenwart. Das Buch ist liebevoll gestaltet, enthält zahlreiche Abbildungen von Münzen, Karten, Bildern, Statuen, außerdem ein umfangreiches Quellenverzeichnis, ein Namensregister und ein Orts- und Sachregister.
Man merkt, dass auch Klaus Rosen dem Charme und dem Charisma dieser Figur erliegt, ohne je die Distanz des Wissenschaftlers zu verlieren. Das Buch wartet nicht mit straffen Thesen auf, sondern ermöglicht es dem Leser, in eine Epoche einzutauchen wie in ein römisches Bad. In der Fülle historischer Details kann sich der Leser gelegentlich verirren, aber auch gern verirren. Das ist vielleicht kein Buch, das sich schnell wegliest, aber es bereichert den Leser nachhaltig.
Klaus Rosen: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006
569 Seiten, 32 Euro
Rosen fächert dabei den historischen Zusammenhang auf, und das macht er detailreich und fundiert. Das Buch ist gelehrt und bringt zugleich die Vitalität Julians zum Ausdruck. Er war schillernd, hochgebildet, sicher auch widersprüchlich und für seine Zeitgenossen verwirrend. Damit ist er ein beispielhafter Zeit-Charakter.
Denn Julian markiert einen Wendepunkt, den Übergang vom Polytheismus, also einer Religionsauffassung, die viele Götter zulässt, zum Monotheismus, zum Christentum. Julian war ein Kaiser, der zu beiden Religionen, die ja auch Weltanschauungen verkörpern, Zugang hatte und am Ende versuchte, den Vormarsch des Christentums zu stoppen.
Wenn Abendland Christentum bedeutet, dann beginnt mit Julians Scheitern im Kampf der Kulturen die eigentliche abendländische Geschichte. Nach seinem Tod, 363 nach Christus, sind alle Römischen Kaiser bis 1806, bis zu Kaiser Franz II, dem Habsburger, Christen. Das macht Julian zu einer zentralen historischen Figur, zu einem Symbol des Übergangs, des Beginns und zugleich des Untergangs.
Julian wurde damals "Apostata" genannt, ein Beiname wie ein Schimpfwort. Apostata, der Abtrünnige. Nach Julians Tod entstand über Jahrhunderte ein Deutungskrieg. Die Heiden erhoben ihn zum Gott, die Christen wiederum meinten in seinem frühen Tod die Rache des Herrn zu erkennen und sahen Julian in der Hölle schmoren. Gleichwohl waren die Übergänge vom Heidentum zum Christentum fließend und oszillierend, und das zeigt sich am deutlichsten bei Julian selbst.
Er war christlich erzogen, seitenweise konnte er aus dem Alten und dem Neuen Testament zitieren. Und auch, wenn er später durchaus spitzzüngige Reden gegen die Christen hielt, ging es bei ihm keineswegs um eine Gefühlsaufwallung, den Affekt des Hasses, sondern vielmehr um eine politische, eine ideologische, ja eine philosophische Haltung. Denn die große Frage an jeden römischen Kaiser lautete: Wie hält er das Reich stabil, außenpolitisch gegenüber Feinden und Bündnispartnern, aber auch innenpolitisch. Diesbezüglich sah Julian im Polytheismus ein größeres Potential.
Die Fragen, die Julian damals stellte, sind heute wieder moderne Fragen in einer Welt, die globalisiert und multikulturell geworden ist. Erinnern wir uns daran, wie vielfältig der Polytheismus damals war: Die antike Welt bestand aus hunderten von Göttern, persischen, römischen, griechischen, ägyptischen, und alle konnten verträglich nebeneinander bestehen.
Plötzlich gibt es nur noch einen Gott, den jüdischen, erst in der einen, der christlichen Version, dann, knapp drei Jahrhunderte später, in einer zweiten Version, der islamischen. Danach ist die Welt gespalten, alles ist entweder oder, wahr oder falsch, heilig oder herätisch. Dieser Konflikt währt bis heute.
Eigentlich sind es zwei Konflikte: der zwischen Christentum und Islam und der zwischen Liberalismus und Fundamentalismus. Und wenn wir den Liberalismus als die säkularisierte Version des Polytheismus sehen, also als Multioptionsgesellschaft, dann sind wir heute in der gleichen Situation wie Julian damals und müssen uns die gleiche Frage stellen: Wie wollen wir leben? Wofür entscheiden wir uns? Für die eine unerbittliche Wahrheit oder für viele, vielleicht verwirrende Wahrheiten?
So ist das Buch von Rosen nicht nur ein interessanter und spannender Einblick in eine Epoche, die uns fern ist, sondern zugleich ein hochaktueller Kommentar zur Gegenwart. Das Buch ist liebevoll gestaltet, enthält zahlreiche Abbildungen von Münzen, Karten, Bildern, Statuen, außerdem ein umfangreiches Quellenverzeichnis, ein Namensregister und ein Orts- und Sachregister.
Man merkt, dass auch Klaus Rosen dem Charme und dem Charisma dieser Figur erliegt, ohne je die Distanz des Wissenschaftlers zu verlieren. Das Buch wartet nicht mit straffen Thesen auf, sondern ermöglicht es dem Leser, in eine Epoche einzutauchen wie in ein römisches Bad. In der Fülle historischer Details kann sich der Leser gelegentlich verirren, aber auch gern verirren. Das ist vielleicht kein Buch, das sich schnell wegliest, aber es bereichert den Leser nachhaltig.
Klaus Rosen: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006
569 Seiten, 32 Euro