"ALM 96/8558" lebt - wieder
Eine säuberlich gestochene Grube, drei mal vier Meter weit, 1,50 Meter tief: Auf ihrem Grund stecken 200 Menschenknochen zwischen Holzresten im Torf, darunter ganz kleine wie von einem Fötus - und ein Pferdehuf. Zum ersten Mal haben Archäologen in Mitteleuropa ein Schlachtfeld der Bronzezeit entdeckt - im Tollense-Tal.
Der Schädel des jungen Mannes ist durch die lange Zeit im Moor dunkelbraun und weist mitten auf der Stirn ein golfballgroßes Loch auf, sein Gebiss allerdings ist noch fast vollständig erhalten. Kein Karies konnte es zerstören, dafür ist er wohl zu jung gestorben. ALM 96/8558, so haben ihn die Wissenschaftler, die ihn gefunden haben, genannt, muss eines gewaltsamen Todes gestorben sein. Vermutlich von einem Rechtshänder hat "ALM 96/8558" mit einem "stumpfen Gegenstand" einen heftigen Schlag über den Schädel bekommen, vor rund 3300 Jahren. "ALM 96/8558" wird den Hieb kaum mehr als zehn Tage überlebt haben. Ein Schlag von vorne, geführt mit einer brutalen Entschlossenheit. So weit legen sich die Anthropologen und Gerichtsmediziner fest. Sein Grab - das malerische Tollensetal. Kilometerlang und friedvoll plätschert die Tollense in zahllosen Schleifen durch eine weitgehend unberührte Niederung, mit sanft ansteigenden Weiden auf beiden Seiten des klaren Wassers. Nichts deutet auf den ersten Blick auf ein Verbrechen hin, doch die friedliche Gegend nahe der Kleinstadt Altentreptow muss blutige Zeiten erlebt haben. Vor 3300 Jahren könnte sich hier ein ganz anderes, ein kämpferisches Szenario abgespielt haben.
"Das heißt, das ganze Ausmaß unseres Fundplatzes deutet darauf hin, mit inzwischen schon über 50 Individuen, die da gefunden wurden, ohne dass wir groß gegraben hätten, zeigt, dass da eine große Zahl von Individuen liegt, die Datierung spricht dafür, dass ein kurzer Zeithorizont erfasst ist und das sind erste Hinweise darauf, dass schon das Ausmaß überrascht, in dem Maße wie hier Menschenreste an einem Ort offensichtlich in kurzer Zeit hingekommen sind, die in verschiedener Hinsicht auch Spuren von massiver Gewalt zeigen."
Erst im Frühjahr letzten Jahres hat ein Forscherteam um den Historiker Thomas Terberger und den Archäologen Detlef Jantzen begonnen, das Flusstal bei Altentreptow systematisch zu untersuchen. Seit Mitte der 90er-Jahre hatten sich Meldungen von Knochenfunden in der Gegend gehäuft. Wichtigstes Indiz für das mörderische Geschehen sind menschliche Überreste mit martialischen Verletzungen, die Wissenschaftler über mehrere hundert Meter entlang des Flusses gefunden haben: pfeildurchbohrte Armknochen, gebrochene Wirbel. Um 1250 vor Christus hat sich hier ein Gemetzel zugetragen, so viel scheint sicher. Die Forscher haben, unterstützt von Studenten und Freiwilligen, am Flüsschen schon mehr als 2000 Knochen aus der Bronzezeit eingesammelt.
"Letzten Endes in der Archäologie steht ja auch der Mensch im Mittelpunkt immer und wir haben hier eine der ganz wenigen Möglichkeiten, mal Menschen aus dieser Zeit so nahe zu kommen."
Zunächst analysierten die Forscher die bereits gefundenen Menschenknochen, datierten sie mit Hilfe von Radiokarbon-Analysen und schickten im Sommer schließlich Taucher in den Fluss, die tatsächlich zahlreiche viele weitere Funde machten. Die meisten der Opfer waren Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, aber auch junge Frauen und Kinder waren darunter, viele wiesen Anzeichen von Gewalt auf. Pfeilspitzen im Oberarmknochen, gebrochene Oberschenkelknochen, gespaltene Schädel.
"Das sind ja keine Dinge, die als Jagdunfall mal so nebenbei passieren in dieser Frequenz, dazu kommen Schädelverletzungen, die nicht durch einen Unfall zu erklären sind."
Die Funde sind ein Glücksfall, eine Laune der Natur. Der Torf zu beiden Seiten des Flusses hat die Knochen bewahrt. Bis zu drei Meter dicke Lagen des organischen Sediments bildeten sich, als der steigende Meeresspiegel der rund 80 Kilometer entfernten Ostsee die Tollense zurückstaute. Nun gibt der Boden die Knochen langsam frei, zum Beispiel wenn grasende Kühe die Böschung zum Wasser herunter trampeln oder im Herbst nach der Ernte.
"Wir müssen erst mal die ganze Landschaft da besser verstehen zur Zeit der Bronzezeit, damit wir verstehen, was könnten die Anlässe gewesen sein, dass gerade in diesem Tal vielleicht es zu diesen schwerwiegenden Konflikten gekommen ist vor über 3000 Jahren."
Damals muss es eine unwirtliche Gegend gewesen sein, in der sich kaum Tiere aufhielten, denn die Knochen weisen keinerlei Fraßspuren auf. Oder das Tal war überschwemmt. Was aber machten dann die Menschen dort?
"Wie kommen die dahin, wie ist diese Menschengruppe zusammengesetzt, sind die verwandt, was verbindet sie überhaupt, wo kommen sie her ..."
Die meisten der jungen Erwachsenen, das kann man wohl sagen, waren schlecht ernährt, es fehlte ihnen wohl vor allem Fleisch. Viele Schädel sind porös. Das weist auf Eisenmangel hin.
"Sie sehen das hier zum Beispiel, dass die Zähne sehr stark abgekaut sind, das sind also Menschen, die Brot gegessen haben von Getreide, das auf Steinmühlen gemahlen wurde und durch diesen feinen Abrieb sind dann auch die Zähne sehr stark abgenutzt. Das sind dann offensichtlich Getreideesser, was nicht ungewöhnlich ist in dieser Zeit."
War es ein Kampf um Rohstoffe, ein Nachbarschaftsstreit, oder ein ganz harmloses Ereignis, das irgendwann eskalierte. War "ALM 96/8558" mit all den anderen "Leichen" verwandt? Wenn nein, sind sie vielleicht wirklich bei einer Schlacht umgekommen? Wenn ja, sind sie vielleicht als wehrlose Eindringliche von Einheimischen niedergemetzelt worden? Mit DNA-Analysen der Knochen wollen die Forscher die Familien- und Sippenverhältnisse klären helfen. DNA-Analysen an 3000 Jahre alten Knochen.
"Das ist zum Beispiel möglich in den Langknochen, und auch da kommt uns der technische Fortschritt zu Hilfe. Wenn wir das vor zehn Jahren versucht hätten, hätte es wahrscheinlich zu keinem Ergebnis geführt aber inzwischen ist die Wissenschaft auch da so weit, dass sich selbst aus diesen Knochen verwertbare DNA extrahieren lässt."
Aber es gibt auch noch andere Erklärungen. Vier Thesen haben die Forscher bis heute entwickelt.
"Es kommt zum Beispiel auch immer wieder die Frage, kann das nicht auch ein ganz regulärer Friedhof sein. Die Frage kann man relativ klar mit nein beantworten. Wir kennen ja die Bestattungsrituale, das waren zivilisierte Menschen, die haben ihre Toten anständig behandelt, ihnen auch aufwändige Gräber gebaut, solche Gräber sind es mit Sicherheit nicht. Dann kommt immer wieder die Frage, kann es nicht auch ne Siedlung sein, das können wir auch weitestgehend ausschließen, weil eine Siedlung da im Tal nicht bestanden haben kann schon wegen der Überschwemmungsgefahr, und es gibt bis jetzt auch keinerlei hinweise auf irgendwelche Baustrukturen, die mit einer Siedlung in Zusammenhang gebracht werden können."
War es dann also ein Schlachtfeld? Aus der Bronzezeit? Das wäre in Mitteleuropa ein bislang einzigartiger Fund. Die Vermutung liegt nahe und wirft doch gleichzeitig neue Fragen auf:
"Die Vorstellung, dass Menschen auch schon in der Vergangenheit auch in der Bronzezeit Konflikte hatten ist ja naheliegend - aber man muss bedenken, einmal einen Fundplatz zu entdecken, der tatsächlich solche eine Schlacht oder so etwas erhalten hat, die sind verschwindend gering. Und wir haben jetzt einen Fundplatz, an dem wir erstmals, nach unserer Meinung , zeigen können, wie solche Schlachten, welches Ausmaß sie gehabt haben können."
Allein, dass es eine Schlacht solchen Ausmaßes gegeben haben könnte, ist schon eine kleine Sensation. Hatte man bislang doch vermutet, dass frühere Funde von Waffen aus Bronze für den Träger eher als Prestigeobjekt galten. Dass es noch keine großen sozialen Unterschiede gab und die Menschen weitgehend friedlich miteinander umgegangen sind. Die Funde in Mecklenburg-Vorpommern scheinen der Beweis zu sein, dass es nicht so war.
"Was die Sozialstrukturen der Bronzezeit angeht, haben wir schon immer geahnt, weil in dieser Zeit doch Gräber mit Waffenfunden auftreten, dass es hier zu einer Differenzierung der in der Gesellschaft gerade im zweiten Jahrtausend kommt. Dass wir nun aber auch hier Holzwaffen finden, ist der Hinweis darauf, dass wir ein gesamtes Bild der Gesellschaft, wenn Sie so wollen, bekommen, das, was wir normalerweise nicht haben."
Auch Pferdeknochen und Schmuckstücke kamen bei den Ausgrabungen ans Licht. Das könnte, so die Wissenschaftler, für berittene Krieger sprechen oder Beleg für die unfreundlichen Absichten von ALM968558 sein. Die Anthropologen konnten Oberschenkelfrakturen nachweisen, wie sie heute nach Skiunfällen auftreten. Oder nach einem Sturz vom Pferd. Was für eine Wanderung notleidender Menschen in eine neue Heimat spräche. Kamen sie aus dem Süden, um neues Terrain zu erobern?
"Das ist auf jeden Fall hochgradig spannend, weil das gerade die Zeit ist wo das Pferd in Europa als Reittier überhaupt in Gebrauch kommt."
Geologen und Botaniker sollen helfen, ein Bild von dieser Kulturlandschaft während der Bronzezeit zu entwickeln. Egal, welches Bild sich in ein paar Jahren ergibt - Detlef Jantzen und seine Kollegen sind sich einig, dass ihnen ein sensationeller archäologischer Fund gelungen ist.
"Wir haben hier etwas ganz neues, dass das Bild erweitert, dass wir über diese Zeit haben. Traditionell hat sich die Wissenschaft mit Aspekten wie Trachtform, wie Waffenform, die zeitlich einzuordnen, oder wo lagen die Siedlungsplätze, mit welchen Partnern haben sie getauscht, wo haben sie ihre Rohstoffe herbekommen und so weiter. Das wir hier nun in die Lage versetzt werden, ein ganz konkretes zwischenmenschliches Problem auf diesem Niveau zu untersuchen, dass ist ein Novum und ich denke da werden wir noch spannende Ergebnisse zu Tage fördern."
Die Funde im Tollensetal haben ein Fenster in die geheimnisvolle Bronzezeit aufgestoßen. Und "ALM 96/8558", so die Forscher, könnte in die Geschichtsbücher eingehen.
"Das heißt, das ganze Ausmaß unseres Fundplatzes deutet darauf hin, mit inzwischen schon über 50 Individuen, die da gefunden wurden, ohne dass wir groß gegraben hätten, zeigt, dass da eine große Zahl von Individuen liegt, die Datierung spricht dafür, dass ein kurzer Zeithorizont erfasst ist und das sind erste Hinweise darauf, dass schon das Ausmaß überrascht, in dem Maße wie hier Menschenreste an einem Ort offensichtlich in kurzer Zeit hingekommen sind, die in verschiedener Hinsicht auch Spuren von massiver Gewalt zeigen."
Erst im Frühjahr letzten Jahres hat ein Forscherteam um den Historiker Thomas Terberger und den Archäologen Detlef Jantzen begonnen, das Flusstal bei Altentreptow systematisch zu untersuchen. Seit Mitte der 90er-Jahre hatten sich Meldungen von Knochenfunden in der Gegend gehäuft. Wichtigstes Indiz für das mörderische Geschehen sind menschliche Überreste mit martialischen Verletzungen, die Wissenschaftler über mehrere hundert Meter entlang des Flusses gefunden haben: pfeildurchbohrte Armknochen, gebrochene Wirbel. Um 1250 vor Christus hat sich hier ein Gemetzel zugetragen, so viel scheint sicher. Die Forscher haben, unterstützt von Studenten und Freiwilligen, am Flüsschen schon mehr als 2000 Knochen aus der Bronzezeit eingesammelt.
"Letzten Endes in der Archäologie steht ja auch der Mensch im Mittelpunkt immer und wir haben hier eine der ganz wenigen Möglichkeiten, mal Menschen aus dieser Zeit so nahe zu kommen."
Zunächst analysierten die Forscher die bereits gefundenen Menschenknochen, datierten sie mit Hilfe von Radiokarbon-Analysen und schickten im Sommer schließlich Taucher in den Fluss, die tatsächlich zahlreiche viele weitere Funde machten. Die meisten der Opfer waren Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, aber auch junge Frauen und Kinder waren darunter, viele wiesen Anzeichen von Gewalt auf. Pfeilspitzen im Oberarmknochen, gebrochene Oberschenkelknochen, gespaltene Schädel.
"Das sind ja keine Dinge, die als Jagdunfall mal so nebenbei passieren in dieser Frequenz, dazu kommen Schädelverletzungen, die nicht durch einen Unfall zu erklären sind."
Die Funde sind ein Glücksfall, eine Laune der Natur. Der Torf zu beiden Seiten des Flusses hat die Knochen bewahrt. Bis zu drei Meter dicke Lagen des organischen Sediments bildeten sich, als der steigende Meeresspiegel der rund 80 Kilometer entfernten Ostsee die Tollense zurückstaute. Nun gibt der Boden die Knochen langsam frei, zum Beispiel wenn grasende Kühe die Böschung zum Wasser herunter trampeln oder im Herbst nach der Ernte.
"Wir müssen erst mal die ganze Landschaft da besser verstehen zur Zeit der Bronzezeit, damit wir verstehen, was könnten die Anlässe gewesen sein, dass gerade in diesem Tal vielleicht es zu diesen schwerwiegenden Konflikten gekommen ist vor über 3000 Jahren."
Damals muss es eine unwirtliche Gegend gewesen sein, in der sich kaum Tiere aufhielten, denn die Knochen weisen keinerlei Fraßspuren auf. Oder das Tal war überschwemmt. Was aber machten dann die Menschen dort?
"Wie kommen die dahin, wie ist diese Menschengruppe zusammengesetzt, sind die verwandt, was verbindet sie überhaupt, wo kommen sie her ..."
Die meisten der jungen Erwachsenen, das kann man wohl sagen, waren schlecht ernährt, es fehlte ihnen wohl vor allem Fleisch. Viele Schädel sind porös. Das weist auf Eisenmangel hin.
"Sie sehen das hier zum Beispiel, dass die Zähne sehr stark abgekaut sind, das sind also Menschen, die Brot gegessen haben von Getreide, das auf Steinmühlen gemahlen wurde und durch diesen feinen Abrieb sind dann auch die Zähne sehr stark abgenutzt. Das sind dann offensichtlich Getreideesser, was nicht ungewöhnlich ist in dieser Zeit."
War es ein Kampf um Rohstoffe, ein Nachbarschaftsstreit, oder ein ganz harmloses Ereignis, das irgendwann eskalierte. War "ALM 96/8558" mit all den anderen "Leichen" verwandt? Wenn nein, sind sie vielleicht wirklich bei einer Schlacht umgekommen? Wenn ja, sind sie vielleicht als wehrlose Eindringliche von Einheimischen niedergemetzelt worden? Mit DNA-Analysen der Knochen wollen die Forscher die Familien- und Sippenverhältnisse klären helfen. DNA-Analysen an 3000 Jahre alten Knochen.
"Das ist zum Beispiel möglich in den Langknochen, und auch da kommt uns der technische Fortschritt zu Hilfe. Wenn wir das vor zehn Jahren versucht hätten, hätte es wahrscheinlich zu keinem Ergebnis geführt aber inzwischen ist die Wissenschaft auch da so weit, dass sich selbst aus diesen Knochen verwertbare DNA extrahieren lässt."
Aber es gibt auch noch andere Erklärungen. Vier Thesen haben die Forscher bis heute entwickelt.
"Es kommt zum Beispiel auch immer wieder die Frage, kann das nicht auch ein ganz regulärer Friedhof sein. Die Frage kann man relativ klar mit nein beantworten. Wir kennen ja die Bestattungsrituale, das waren zivilisierte Menschen, die haben ihre Toten anständig behandelt, ihnen auch aufwändige Gräber gebaut, solche Gräber sind es mit Sicherheit nicht. Dann kommt immer wieder die Frage, kann es nicht auch ne Siedlung sein, das können wir auch weitestgehend ausschließen, weil eine Siedlung da im Tal nicht bestanden haben kann schon wegen der Überschwemmungsgefahr, und es gibt bis jetzt auch keinerlei hinweise auf irgendwelche Baustrukturen, die mit einer Siedlung in Zusammenhang gebracht werden können."
War es dann also ein Schlachtfeld? Aus der Bronzezeit? Das wäre in Mitteleuropa ein bislang einzigartiger Fund. Die Vermutung liegt nahe und wirft doch gleichzeitig neue Fragen auf:
"Die Vorstellung, dass Menschen auch schon in der Vergangenheit auch in der Bronzezeit Konflikte hatten ist ja naheliegend - aber man muss bedenken, einmal einen Fundplatz zu entdecken, der tatsächlich solche eine Schlacht oder so etwas erhalten hat, die sind verschwindend gering. Und wir haben jetzt einen Fundplatz, an dem wir erstmals, nach unserer Meinung , zeigen können, wie solche Schlachten, welches Ausmaß sie gehabt haben können."
Allein, dass es eine Schlacht solchen Ausmaßes gegeben haben könnte, ist schon eine kleine Sensation. Hatte man bislang doch vermutet, dass frühere Funde von Waffen aus Bronze für den Träger eher als Prestigeobjekt galten. Dass es noch keine großen sozialen Unterschiede gab und die Menschen weitgehend friedlich miteinander umgegangen sind. Die Funde in Mecklenburg-Vorpommern scheinen der Beweis zu sein, dass es nicht so war.
"Was die Sozialstrukturen der Bronzezeit angeht, haben wir schon immer geahnt, weil in dieser Zeit doch Gräber mit Waffenfunden auftreten, dass es hier zu einer Differenzierung der in der Gesellschaft gerade im zweiten Jahrtausend kommt. Dass wir nun aber auch hier Holzwaffen finden, ist der Hinweis darauf, dass wir ein gesamtes Bild der Gesellschaft, wenn Sie so wollen, bekommen, das, was wir normalerweise nicht haben."
Auch Pferdeknochen und Schmuckstücke kamen bei den Ausgrabungen ans Licht. Das könnte, so die Wissenschaftler, für berittene Krieger sprechen oder Beleg für die unfreundlichen Absichten von ALM968558 sein. Die Anthropologen konnten Oberschenkelfrakturen nachweisen, wie sie heute nach Skiunfällen auftreten. Oder nach einem Sturz vom Pferd. Was für eine Wanderung notleidender Menschen in eine neue Heimat spräche. Kamen sie aus dem Süden, um neues Terrain zu erobern?
"Das ist auf jeden Fall hochgradig spannend, weil das gerade die Zeit ist wo das Pferd in Europa als Reittier überhaupt in Gebrauch kommt."
Geologen und Botaniker sollen helfen, ein Bild von dieser Kulturlandschaft während der Bronzezeit zu entwickeln. Egal, welches Bild sich in ein paar Jahren ergibt - Detlef Jantzen und seine Kollegen sind sich einig, dass ihnen ein sensationeller archäologischer Fund gelungen ist.
"Wir haben hier etwas ganz neues, dass das Bild erweitert, dass wir über diese Zeit haben. Traditionell hat sich die Wissenschaft mit Aspekten wie Trachtform, wie Waffenform, die zeitlich einzuordnen, oder wo lagen die Siedlungsplätze, mit welchen Partnern haben sie getauscht, wo haben sie ihre Rohstoffe herbekommen und so weiter. Das wir hier nun in die Lage versetzt werden, ein ganz konkretes zwischenmenschliches Problem auf diesem Niveau zu untersuchen, dass ist ein Novum und ich denke da werden wir noch spannende Ergebnisse zu Tage fördern."
Die Funde im Tollensetal haben ein Fenster in die geheimnisvolle Bronzezeit aufgestoßen. Und "ALM 96/8558", so die Forscher, könnte in die Geschichtsbücher eingehen.