Allgäu Airport in der Pandemie

Wie Altenpfleger und Monteure einen Flughafen retten

07:40 Minuten
Blick auf den Terminal des Flughafen Memmingen (FMM) Allgäu Airport
Allgäu Airport in Memmingen: Die Rückgänge bei Flügen sind hier geringer als anderswo in Deutschland. © picture alliance / Markus Mainka
Von Michael Watzke · 02.02.2021
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Die Pandemie hat den Flugverkehr fast komplett einbrechen lassen. Das betrifft nicht nur Großflughäfen, sondern auch kleinere Regionalflugplätze. Ein Standort kommt aber erstaunlich gut durch die Krise: der Allgäu Airport in Memmingen.
In Corona-Zeiten klingt der Allgäu Airport in Memmingen häufiger anders, als normalerweise: Wenn Flughafengeschäftsführer Ralf Schmid mit seiner kleinen Piper-Privatmaschine auf der großen Startbahn 06 abhebt.
Oder es klingt so, sagt Schmid: "Gestern war ein großes Aufgebot der Bundespolizei in Memmingen mit mehreren Hubschraubern. Unser Flugplatz ist offen, die Infrastruktur ist da und kann angeflogen werden. Das zahlt sich aus, denn der eine oder andere Flugplatz in der Nachbarschaft hat geschlossen. Wir sind immer offen. Das heißt, wir kriegen jetzt auch kurzfristige, spontane Verkehre, die woanders vielleicht nicht bedient werden können."

Geringster Rückgang bundesweit – gemeinsam mit Dortmund

Der kleine Flughafen Memmingen macht dem großen Nachbarn in München derzeit sogar manchen Business-Jet abspenstig, der aufgrund fehlender Bord-Instrumente und schlechten Wetters nicht auf dem Franz-Josef Strauß Airport landen kann. Memmingen ist – zusammen mit dem Flugplatz Dortmund – bundesweit der Airport mit den geringsten Flug-Rückgängen in der Coronakrise.
"Ja, es ist ein schwacher Trost, aber wir haben nur 60 Prozent Rückgang im Jahr 2020. Das hört sich dramatisch an, aber im Branchendurchschnitt kommen wir mit einem blauen Auge davon. Das zeigt, dass wir auch in der Krise ein stabiles Flugangebot haben."
Das liegt nicht in erster Linie an Kleinflugzeugen, Business-Jets oder Hubschraubern. Sondern an der WIZZ AIR, einer ungarischen Billig-Fluggesellschaft, die von Memmingen aus auf den Balkan fliegt, auch in der Coronakrise – voll beladen mit Familienheimkehrern.
"Verwandtschaftsbesuche, Pendler, Familienbesuche. Dieses Angebot wird auch in der Krise nachgefragt", erklärt Ralf Schmid. "Weil man natürlich eine Geschäftsreise durch eine Videokonferenz ersetzen kann. Aber ein Besuch daheim bei der Familie – da lässt sich eine Video-Konferenz nur eingeschränkt für hernehmen."

Reisende Arbeitnehmer aus Ungarn, Rumänien und der Ukraine

Es sind in Süddeutschland lebende und arbeitende Altenpfleger aus der Ukraine, Monteurinnen aus Ungarn oder Erntehelfer aus Rumänien. Sie retten dem Allgäu-Airport gerade die Bilanz. Wenn sie in Memmingen landen, müssen sie sich erst mal auf Covid testen lassen.
Die Tests im Flughafen-Terminal bietet der Freistaat Bayern kostenlos an.
"Das wird jetzt erweitert für Bürger, die sich hier sieben Tage die Woche von 6 bis 24 Uhr testen lassen können. Und jeder ankommende Passagier, der keinen negativen Test vorweisen kann, hat in der Regel nach 24 Stunden sein Ergebnis."
Der Allgäu Airport in Memmingen ist knapp 15 Jahre alt. Er entstand aus einem ehemaligen Militärflugplatz und ist der höchstgelegene Regionalflughafen in Deutschland. 2019 – also vor Corona – starteten und landeten hier 1,7 Millionen Passagiere.
Diese Zahl will Flughafengeschäftsführer Ralf Schmid schon im nächsten Jahr wieder erreichen – vor allem mit den beiden wichtigsten Fluggesellschaften in Memmingen: Wizz Air und Ryan Air.
"Weil beide Airlines eigentlich einen Markt bedienen, der – wenn es wieder losgeht – sich als erster erholen wir", erklärt er. "Nämlich die touristischen Reisen und das preis-sensible Segment. Denn wenn das Geld knapp ist, schaut man vielleicht eher auf einen günstigen Preis. Ich glaube, dass die Geschäftsreisen und Interkontinental-Flüge noch deutlich länger brauchen werden, bis die wieder das alte Niveau erreichen."

Kritik von den bayerischen Grünen

Das alte Niveau erreichen: Für Ludwig Hartmann ist das kein erstrebenswertes Ziel. Der Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen in München ist gar nicht unglücklich darüber, dass die Bayern derzeit viel weniger fliegen.
Er gönne jedem seinen Urlaub, sagt Hartmann: "Aber natürlich muss sich diese Branche auch den Zukunftsfragen stellen. Und da gehört natürlich mit dazu, dass die Antwort nicht heißen kann: mehr Flugverkehr. Sondern eher: weniger Flugverkehr. Weil mehr Flugverkehr wird die Welt nicht verkraften. Und dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Weichen anders zu stellen."
Hartmann begrüßt nicht nur, dass die bayerische Staatsregierung den Bau der geplanten dritten Startbahn am Flughafen München abgesagt hat. Er will auch den kleineren Flughäfen in Bayern – wie Nürnberg, Hof und Memmingen – die Zuschüsse kürzen.

"Das ist gekauftes Wachstum"

"Also den Kleinen würde ich die Förderung schlagartig abdrehen", sagt Hartmann. "Die letzten Jahre haben doch bewiesen, dass die kein richtiges Geschäftsmodell haben. Das Geschäftsmodell war eigentlich nur, Flüge zu generieren, die man erst mal gar nicht gebraucht hat, nur um dann die Nachfrage zu kriegen. In Memmingen wird Geld reingesteckt. Auch in die Flughäfen in den neuen Bundesländern, die entstanden sind. Überall wird die Luftfahrtbranche mit Anreizen unterstützt, da zu landen, hier zu starten, da Rabatte zu geben. Das ist gekauftes Wachstum, was von selbst nicht da wäre. Das gehört schlagartig eingestellt, weil es vom Klimaschutz nicht zu vertreten ist."
Wenn Flughafenchef Ralf Schmid in Memmingen solche Forderungen hört, geht der sonst eher gemütlich veranlagte Schwarzwälder förmlich in die Luft.

"Ich finde es ein bisschen schäbig"

"Die Kritik der meisten Kritiker ist leider unsachlich", sagt er. "In einer Zeit, wo Infrastruktur am Boden liegt und auch große Flughäfen ums Überleben kämpfen, ist es natürlich leicht, auf den kleineren Regionalflughäfen rumzutrampeln. Ich finde es ein bisschen schäbig, denn Flughäfen sind Verkehrsinfrastruktur. Und Infrastrukturen leben natürlich von den Einnahmen. Kein Mensch fragt gerade, wenn die Bahn schlecht ausgelastet ist: Braucht es die Bahn? Nein, da schiebt man die Milliarden rein. Bei den Flughäfen wird die Existenz infrage gestellt. Einen Bahnhof stellt keiner infrage, auch wenn nur 20 Prozent Gäste im Zug sitzen."
Das liege daran, dass die Bahn umweltfreundlicher sei, sagen Flughafenkritiker wie der Naturschutzbund BUND, der in einer Umweltstudie vor wenigen Monaten den deutschen Regionalflughäfen ein schlechtes Zeugnis ausstellte. Der Flughafen Memmingen schnitt in dieser Studie sogar noch am besten ab.
Obwohl die Tester bemängelten, dass Memmingen keine Verbindungen zu größeren Flughäfen, sogenannten Hubs, anbiete. Flughafengeschäftsführer Schmid findet aber, das sei kein Makel: denn Direktreisen in den Balkan könne weder die Bahn noch der Flughafen München ökologischer anbieten als der Allgäu Airport.

Zuschüsse für Bauinvestitionen – nicht für die Betriebskosten

Die Auslastung der Flüge sei in Memmingen höher als auf deutschen Großflughäfen. Zudem habe sein Flughafen seit der Gründung keinen Euro Zuschuss zu den Betriebskosten verlangt. Allerdings subventioniert der Staat Bauinvestitionen wie eine Landebahnverbreiterung und ein neues Instrumentenlandesystem.
"Wir bauen – und dann holen wir uns unseren Anteil vom Freistaat ab", sagt Schmid. "Dafür sind wir sehr dankbar, dass wir unsere Infrastruktur so auf den neuesten Stand der Technik ertüchtigen können."
Ab 2024 will die EU-Kommission Dauersubvention von Regionalflughäfen verbieten. Die öffentliche Hand soll dann kein Geld mehr zuschießen dürfen, um den Betrieb defizitärer Pisten am Laufen zu halten.
Für Memmingen könnte es trotzdem reichen, weil der Allgäu-Airport im Flugbetrieb schwarze Zahlen schreibt. Vorausgesetzt, dass nach Corona bald wieder so viele Menschen in den Urlaub fliegen wie vor der Pandemie.
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