Alles nur Schiebung?

Der kanadische Autor Delan Hill hat drei Jahre an seinem Buch recherchiert und dabei eine Reihe Indizien für schier Ungeheuerliches gefunden: Der Profifußball weltweit ist von skrupellosen Wettanbietern, korrupten Funktionären, bestechlichen Schiedsrichtern und geldgeilen Profis verseucht. Die asiatische Wettmafia hat ihre Fühler längst nach Europa ausgestreckt und sogar die WM 2006 manipuliert.
Der Autor Declan Hill promovierte in Oxford über Fußball und organisiertes Verbrechen. Eine akademische Laufbahn war ihm aber zu langweilig. Deshalb arbeitet Hill als Journalist. Drei Jahre hat der Kanadier für "Sichere Siege" recherchiert, und das merkt man dem Buch auch an.

Hill wollte es wirklich wissen. Auf zahlreichen Reisen nach Asien und Afrika fand er heraus, wie im internationalen Fußball Spiele verschoben werden. In Interviews mit Wettanbietern, bestochenen Fußballprofis, ehemaligen Mafiosi oder FIFA-Generalsekretär Sepp Blatter sammelt Hill nahezu besessen und mit vorbildlichem Mut Belege für den systematischen Betrug im Fußball.

Wirklich stichhaltige Beweise kann er zwar nicht vorlegen, aber mit Akribie und Fleiß wird eine derartige Fülle von Indizien zusammengetragen, dass einem am Schluss kaum eine andere Wahl bleibt, als der These des Autors zuzustimmen, dass der Profifußball weltweit von skrupellosen Wettanbietern, korrupten Funktionären, bestechlichen Schiedsrichtern und geldgeilen Profis verseucht ist.

Und zwar geht es nicht nur um Betrug in den Ligen auf Malaysia, Kenia oder in Weißrussland. Declan Hill findet auch Beispiele aus der Bundesliga, der Champions League oder der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland.

FIFA-Funktionäre wie Tanzbären in der Manege

Scheinbar ein bisschen langsam steigt Hill im ersten Teil seiner Arbeit mit einer detaillierten Analyse des asiatischen Wettmarktes ein. Er schildert ausführlich, wie die Bosse dort sogenannte Runner und andere Helfer einsetzen, um sich Spieler mit Geld oder Schiedsrichter mit Prostituierten gefügig zu machen, damit die Partien wie gewünscht ausgehen und kräftig abgesahnt werden kann.

Doch dieser fundierte Hintergrund zum Einstieg erweist sich im weiteren Verlauf als Glücksfall, werden doch die Ligafunktionäre in Europa oder Vertreter des Weltverband FIFA längst von den cleveren Asiaten wie Tanzbären am Nasenring durch die Manege geführt.

Mittlerweile überträgt beispielsweise ESPN die europäische Champions League in 25 asiatische Länder. Bis zu 280 Millionen wettsüchtige Asiaten verfolgen die Spiele. Hill ist davon überzeugt, dass sich die tüchtigen asiatischen Spielmanipulatoren ein derartiges Milliardengeschäft natürlich nicht durch die Lappen gehen lassen und längst Spiele auf dem lukrativen europäischen Fußballmarkt von ihnen verschoben werden.

Manipulationsverdacht auch bei der WM 2006

Erschreckend ist, mit welcher Langmut und welchem Desinteresse die Polizei oder auch die FIFA auf Hills Enthüllungsgeschichten reagieren. Sie versuchen das Problem auszusitzen oder totzuschweigen. Zu groß sind nach Hills Einschätzung die eigenen Geschäftsinteressen, die leiden könnten, wenn das Image der weltweit beliebtesten Sportart durch aufgedeckte Manipulationen Schaden nehmen würde.

Ein asiatischer Wettbetrüger habe Hill beispielsweise die Ergebnisse von vier Partien bei der WM 2006 in Deutschland vorausgesagt. Der Kapitän der ghanaischen Nationalmannschaft, Stephen Appiah, gab Hill in einem Interview zu, dass er in Deutschland bei der WM von Wettspielern angesprochen und beim olympischen Turnier 2004 in Athen sogar 20.000 Dollar entgegen genommen habe.

Hill behauptet, dass das FIFA-Frühwarnsystem nichts wert sei. Längst hätten die asiatischen Wettbarone reagiert und platzierten statt auffällig hoher Summen viele einzelne kleine Wetten, die auch über das Internet kaum zurückzuverfolgen seien. Mit Hills Vorwürfen konfrontiert, entgegnet ein konsternierter FIFA-Boss Blatter: "Ich glaube, das stimmt nicht. Wenn das wahr wäre, dann haben wir versagt. Absolut."

Rezensiert von Thomas Jaedicke

Declan Hill: "Sichere Siege". Fußball und organisiertes Verbrechen oder wie Spiele manipuliert werden
Übersetzt von Marion Balkenhol
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008
416 Seiten, 19 Euro 95