Alles nicht so einfach

Von Volker Wagener |
Nach dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr hatten fast alle - Journalisten, Wähler, Verwaltungsfunktionäre - damit gerechnet, dass nach fast 40 Jahren roter Herrschaft in Düsseldorf fast alles anders werde. Tatsächlich ist der Machtwechsel nahezu unbemerkt vonstatten gegangen und die praktische Politik verdient den Namen Wende nicht wirklich. Dennoch gibt es mittlerweile einige Stürme im Wasserglas zu beobachten.
Rüttgers: "'"Noch nie wurden so viele wichtige Reformen in NRW in so kurzer Zeit eingeleitet wie in diesem ersten Jahr der neuen Landesregierung. Wir machen eine handwerklich saubere Arbeit ohne Streit und ohne Getöse. Deswegen komme ich zu dem Schluss, dass, gerade weil CDU und FDP reibungslos zusammenarbeiten, dass dies die beste Regierung seit langem in Nordhrein-Westfalen ist!""

Das Ritual der Erfolgsmeldung. Jürgen Rüttgers Ein-Jahres-Bilanz bietet wenig Überraschendes. Rüttgers ist ein besonders eindrucksvoller Marketingchef seines politischen Tuns. Aber: Gegen alle Erwartungen ist sein historischer Wahlsieg in der Wirkung kleiner ausgefallen, als es die Beobachter in Düsseldorf und Berlin vermutet hätten. Nach 40 Jahren Genossenherrschaft übernimmt der Christdemokrat aus Pulheim bei Köln das Zepter im einwohnerstärksten Bundesland und bleibt dennoch eine Randfigur im großen Politmonopoly. Rüttgers hat mit seinem Sieg in NRW sogar den Boden für den Machtwechsel an der Spree geebnet. Gedankt hat ihm das im Christenlager niemand. Jahrelang hatte er Angela Merkel den Rücken gegen Edmund Stoiber gestärkt. Als Kanzlerin der großen Koalition nahm sie dann Rüttgers die Rolle weg, die dieser in der Partei am liebsten gespielt hätte: die des sozialen Gewissens nämlich. Im Bund ist Rüttgers Stimme nur noch aus der zweiten Reihe zu vernehmen, lauter und regelmäßiger erklingen da schon die Zwischenrufe der Kochs und Wulffs. Und daheim, in NRW, ist nach einem Jahr Schwarz-Gelb eher Langeweile, denn Aufbruch zu spüren. Landes-SPD-Chef Jochen Dieckmann drückt es so aus:

"Tatsache ist, es hat sich so gut wie nichts verändert."

62 Prozent der Befragten einer Emnid-Erhebung zeigen sich allerdings einverstanden mit dem neuen Kurs. Doch auf die Frage, was Schwarz-Gelb denn nun so alles anders macht als rot, wissen die meisten nicht wirklich weiter:
"Schwarz-Gelb hier in Nordrhein-Westfalen? Was hat sich geändert mit Ministerpräsident Rüttgers? – Nix, eigentlich ganz positiv. Ist dasselbe wie vorher. Da weiß ich nicht Bescheid. – Ein Jahr ist zu kurz, um irgendwelche Änderungen festzustellen."

Dabei hatte Schwarz-Gelb vom Start weg gleich richtig in die politische Klaviatur gegriffen. Ihre Reformen für Schulen und Hochschulen, ihr Einstieg in den Ausstieg aus der Steinkohle-Subventionierung - und alles gleichzeitig – das war durchaus ambitioniert. Doch je mehr das Kleingedruckte ihrer Vorhaben öffentlich wurde, desto mehr erwuchsen den Koalitionären Feinde, auch in den eigenen Lagern. Lehrer, Polizisten, Richter, Verwaltungsangestellte, Studenten und andere mehr entdeckten die Straße und machten und machen Front gegen den christlich-liberalen Koalitionsvertrag. Dieser war so harmonisch, so leise und unaufgeregt ausgehandelt worden, dass sich ein Kommentator die feine Spitze "jeder Spiegelstrich Konsens", nicht verkneifen wollte. "Politik ohne Getöse" nennt das Jürgen Rüttgers. Emotionales Herzstück der bürgerlichen Regierung Rüttgers ist die Schulpolitik. Emotional deshalb, weil hier das Land über seine Fachhoheit wirklich gestaltend eingreifen kann, was ihm in der Wirtschaftspolitik beispielsweise nur peripher gelingt. Schulpolitik aber war schon immer ein Mobilisierungsfaktor, nicht von ungefähr war das Bildungssystem für die Sechs- bis Achtzehnjährigen das Wahlkampfthema. Gerade hier hatte sich die neue Regierung viel vorgenommen.

Die Klasse 3 A der katholischen Grundschule in Köln-Kalk lässt eine Mitschülerin hochleben. Eigentlich ist Mathematik angesagt, aber die Klassenlehrerin Heike Wehner gibt ihren Schülern zehn Minuten Zeit, um dem Geburtstagskind ein Ständchen zu singen. Die 3 A ist eine typische Klasse für den Kölner Problembezirk: Vier von 22 Kindern sind Deutsche, die anderen stammen aus Migrantenfamilien, einige von ihnen sind Kriegsflüchtlinge und leiden unter traumatischen Erlebnissen. Viele der Erstklässer können bei der Einschulung kaum Deutsch. Oft haben sie auch nicht einmal vorher einen Kindergarten besucht. Wenn man Heike Wehner auf die Pläne der Landesregierung anspricht, die Kinder je nach Geburtsdatum auch schon mit fünf Jahren einzuschulen, schüttelt sie nur den Kopf. Die Idee, dass die Kinder dann ein Jahr gewinnen und schon früher im Klassenverband in sozialer Kompetenz geschult werden, sei gut gemeint, sagt Heike Wehner. Aber für Schulen in Problembezirken bringe das nur Schwierigkeiten mit sich.

"Wenn das jetzt vorgezogen wird, kann das Fundament nicht gelegt werden, Das wird dazu führen, dass wir hier Kinder haben, die nicht schneiden können und keine Buntstifte kennen, kein Puzzle, kein Buch zu Hause. Aus meiner Sicht ist es sehr zweifelhaft, ob das ne gute Maßnahme ist."

Wolfgang Raabe ist der Rektor der Schule, er sieht das genauso. Noch viel mehr Sorgen macht ihm allerdings eine andere geplante Änderung des Schulgesetzes: Ministerin Barbara Sommer will die Schulbezirke abschaffen. Das bedeutet, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr auf die nächstgelegene Grundschule schicken müssen, sondern die freie Wahl haben. Das hätte gravierende Auswirkungen auf Schulen in Problembezirken, sagt Wolfgang Raabe:

"In dem Fall befürchten wir, dass diese Form von Ghettoisierung, die wir hier eigentlich schon als Stadtteil erleben, in den letzten Jahren, dass sich Problemgruppen, die sich in Köln-Kalk konzentrieren, dass das noch verschärft wird, dadurch dass Kinder von Eltern, die günstigere Voraussetzungen anstreben, in andere Bezirke abwandern und hier ein Rest übrig bleibt. Das ist ziemlich schlimm."

Wolfgang Raabe spricht in diesem Punkt im Namen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, bei der er für den Bereich Grundschule zuständig ist. Kritik kommt auch von Seiten der Wissenschaft. Klaus Klemm ist Bildungsforscher an der Universität Duisburg-Essen. Von der Aufhebung der Schulbezirke halten er und seine Kollegen gar nichts:

"Wir werden erleben, dass Schulen mit hohem Migrantenanteil von Schülern mit deutscher Herkunft gemieden werden. Deutschland kann eigentlich ganz froh sein, dass das hier über die Wohnstruktur noch nicht so weit ist wie in Frankreich. Wieso wir diese Prozesse jetzt über die Schule verstärken sollen, will mir nicht in den Kopf."

Noch vor den Sommerferien soll das neue Gesetz verabschiedet werden. Wolfgang Raabe hofft, dass es der Gewerkschaft noch gelingt, die eine oder andere Änderung durchzusetzen und Protest zu organisieren. Das Zeug zu einem Aufregerthema hat die derzeitige Schulpolitik auf jeden Fall.
– Mindestens ebenso sehr wie das Problem der Steinkohlesubventionen, derzeit das zweite große emotionale Thema in NRW. Wie weit Schwarz-Gelb in diesem Bereich kommen will, ist in Umrissen erkennbar. Der Horizont bleibt allerdings noch im Nebel. Fest steht: Bis 2010 soll der Landeshaushalt um 750 Millionen Euro entlastet werden. Die FDP wollte mehr. Sie will sich den immer noch rund 35.000 Bergleuten argumentativ stellen, die ihnen mitunter Blumen zuwerfen, wenn die Liberalen ihr Szenario vom sofortigen Subventionsstopp im Revier ausbreiten. An den Blumen hingen freilich die Töpfe noch dran, kokettiert Gerhard Papke, der Fraktionschef, ganz im Stile Jürgen Möllemanns.

"Das war ein Kernanliegen der FDP. NRW kann sich Subventionierung einer nicht wettbewerbsfähigen Industrie nicht mehr leisten kann."

In das erste Jahr der Regierung Rüttgers fielen Ereignisse, die den strammen Abschiedskurs von den Bergbau-Subventionen etwas ins Stocken brachten. Immer höher kletterten die Preise für Öl und Gas. Der Abstand zur teuren deutschen Steinkohle wurde geringer. Hinzu kamen die kurzzeitigen Liefereinschränkungen von Erdgas aus Russland während der Energiekrise mit der Ukraine. Das alles befeuerte eine neue Steinkohlediskussion hierzulande unter der Überschrift: "Gut, dass wir noch für 400 Jahre Kohle unter Ruhr und Emscher liegen haben." Besonders irritierend für die Landesregierung war die Krise um den Bergbau-Zulieferer Deilmann-Haniel aus Dortmund. Das Tochterunternehmen des Baukonzerns Heitkamp ringt seit Wochen mit der drohenden Insolvenz. Es ist zu 100 Prozent abhängig von der DSK, der Deutschen Steinkohle AG. Mit den sinkenden Subventionszuwendungen blieben bei Deilmann-Haniel plötzlich Aufträge aus. Seitdem rechnen Teile der SPD, der Gewerkschaft und vor allem die DSK vor, dass mit dem Abschmelzen der staatlichen Hilfen für die Zechen nicht nur die Grubenbeschäftigten mittelfristig ihre Jobs verlieren, sondern zusätzlich Tausende in der Zulieferindustrie. Sofort war die alte emotionale Kohle-Debatte an Rhein und Ruhr wiederbelebt. Doch Wilhelm Droste, wirtschaftspolitischer Sprecher der Union im Landtag, sieht die Schuld für Existenzfragen in den nachgelagerten Wirtschaftsbereichen nicht bei der Politik.

"Ich sag es frei heraus: Es ist schon eine Unverschämtheit, wenn die Folgen unternehmerischer Unfähigkeit nun dem Landtag vor die Tür gekippt werden sollen."

Und sofort hatten auch die Sozialdemokraten wieder ein Thema mit klaren Feind-Freund-Kategorien. Als die 1600 Beschäftigten von Deilmann-Haniel im Frühjahr vor den Landtag zogen, während im Plenum über die Rolle der Politik beim Abschied vom Bergbau diskutiert wurde, ging es drinnen wie draußen hoch her. Harald Schartau, vormaliger SPD-Landeschef und Arbeitsminister, war ganz in seinem Element.

"Sie haben etwas damit zu tun. Ich war eben bei den Demonstranten, die Kälte draußen ist nur noch zu überbieten gegen die Kälte hier drinnen."

Die neue Bewegung in der Steinkohlefrage kommt nicht von ungefähr. Der Essener RAG-Konzern, zu dem die noch verbliebenen acht Zechen gehören, will an die Börse, was ohne die Zustimmung der Politik nicht geht. Union und FDP im Land drohen schon damit, die RAG zu filettieren und einzeln verkaufen zu wollen, wenn der Konzern nicht verlässliche Zahlen liefert, wie ein geregelter Ausstieg aus der Steinkohle möglich ist und vor allem wie die so genannten Ewigkeitskosten bezahlt werden sollen. Dabei geht es um die teils immensen Bergschäden und die dauerhafte Schachtsanierung. Aus dem engagierten Einstieg in den Ausstieg ist nach einem Jahr Rüttgers die Fortsetzung des von der SPD eingeleiteten Sinkfluges in der Subventionsfrage geworden. Man hat sich etwas verbissen. Die FDP mault.

"Wir wollen vielmehr die dort eingesparten Milliardensubventionen nutzen und sie in Zukunftsbereiche stecken, vor allem im Ruhrgebiet. Nordrhein-Westfalen wird seinen Wohlstand nur halten können, wenn es uns gelingt, Produkte zu verkaufen, die weltweit wettbewerbsfähig sind. Mit der Steinkohle wird uns das nicht gelingen."
Vergangene Woche vor dem Landtag in Düsseldorf. Aus ganz Nordrhein-Westfalen sind mehr als 4500 Studenten in die Landeshauptstadt gekommen. Sie misstrauen den Versprechen der Regierung, mehr in Bildung zu investieren. Sie glauben im Gegenteil, das Kabinett Rüttgers wolle sich mehr und mehr aus der Finanzierung der Hochschulen zurückziehen. Die Studiengebühren von 500 Euro pro Semester, die bereits ab Herbst erhoben werden sollen, machten da nur den Anfang.

"Wir haben hier sehr viele Studenten aus bildungsfernen Schichten, viele Migranten, die hier studieren. Wenn Duisburg-Essen diese Studiengebühren einführt, werden wir hier erleben, dass es einen deutlichen Rückgang der Studierendenzahlen gibt. Genau das brauchen wir eben nicht. Wir brauchen mehr Studierende. Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, 40 Prozent eines Jahrgangs an die Universität zu bringen. Mit diesen 500 Euro ist das nicht möglich."

Marcel Winter ist aus Duisburg angereist, er organisiert dort den Protest. Das ist gar nicht so einfach, denn viele Studierende denken, die Studiengebühren seien gar nicht mehr abzuwenden. Aber dem ist nicht so. Zwar hat die Landesregierung den Weg frei gemacht für die Beiträge, aber jede Uni soll jetzt selbst entscheiden, ob sie sie erhebt. Bisher haben nur wenige Hochschulen grünes Licht gegeben. Die übrigen werden in den kommenden Wochen folgen. Sie tun sich schwer damit, denn der Zorn der Studenten richtet sich dann in erster Linie gegen sie und nicht gegen das Ministerium. Ganz schön clever, sagt der Essener Rektor Professor Lothar Zechlin:

"Es ist ja ein erheblicher Paradigmenwechsel. Über 200 Jahre lang waren die deutschen Universitäten gut ohne Studiengebühren. Wenn man diese Situation ändert, dann muss die Politik das selber auch verantworten. Und nun werden die Unis zu einem Wettlauf gedrängt. Es ist ganz klar, sowie die erste Uni anfängt, dann müssen alle anderen nachfolgen und Gebühren verlangen."

Der Landesregierung geht es nicht nur um Studiengebühren, sondern auch um mehr Autonomie. Die Hochschulen sollen eigenverantwortlicher arbeiten können und langfristig nur noch die große Richtung mit der Landesregierung absprechen. Neue Schwerpunkte in Forschung und Lehre kann die Universitätsleitung selbst bestimmen, aber sie muss dann auch Rechenschaft ablegen, über Budget und Forschungsergebnisse. Lothar Zechlin freut sich auf die neuen Kompetenzen. Für ihn bedeutet dieser Richtungswechsel viel Arbeit in den kommenden Jahren. Die Uni braucht ein neues Profil, das jetzt Schritt für Schritt erarbeitet werden muss. Das klingt nach einer tiefgreifenden Hochschulreform, allerdings, so die Vermutung von Lothar Zechlin, entspringe sie mehr dem Zeitgeist denn einem spezifischen Plan des FDP-Bildungsministers Andreas Pinkwart.

"Es ist natürlich ein genereller Wechsel, den auch andere Landesregierungen machen, der einem Trend in ganz Europa folgt, aber ich persönlich begrüße, dass auch in NRW dieser Weg verfolgt wird."

Ein genereller Trend, gegen den nicht nur die Studenten in Nordrhein-Westfalen auf die Barrikaden gehen.

"Wir werden natürlich von jetzt an für die nächste Demonstration mobilisieren. Am 31.5. gibt es ein bundesweites Vernetzungstreffen, wo wir auch gucken können, ob wir diesen Protest über das Land NRW hinaustragen können. Studiengebühren drücken überall, auch die Unterfinanzierung. Dementsprechend werden wir versuchen, dass das hier ein Auftakt ist für einen NRW-Protest. Aber wir werden auch versuchen, die Hessen mit einzubinden, die Berliner und die Hamburger haben signalisiert, sie sind dabei. Wir werden versuchen, einen richtigen Sturm loszutreten."

Die Frage ist jetzt, ob es ihnen gelingt, dafür die Mehrheit ihrer Kommilitonen zu gewinnen, die einfach nur schnell fertig studieren wollen, bevor alles noch schlimmer wird. Die Organisatoren der Proteste wollen auf jeden Fall weiter demonstrieren, und sie werden nicht die einzigen sein, die in Düsseldorf vor den Landtag ziehen. Denn auch beim Thema Geld hat sich Jürgen Rüttgers Regierungsmannschaft die meisten Feinde gemacht. Für den kecken Slogan "Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen" bekamen die Koalitionäre noch Applaus. Die praktische Anwendung dieser Leitlinien rief dann Heerscharen von Interessengruppen auf den Plan. Vergangene Woche verabschiedete die schwarz-gelbe Landtagsmehrheit den Haushalt für das laufende Jahr. Fast sechs Millionen Euro Neuverschuldung lasten nun auf dem Land, Munition für die Opposition. SPD-Landeschef Jochen Dieckmann erinnerte an Wahlkampf-Versprechen.

"Versprochen war die Senkung des Schuldenstandes. Tatsächlich haben wir maximale Verschuldung."

"Versprochen - gebrochen", höhnt jetzt die rot-grüne Opposition. 112 Milliarden Euro Schulden insgesamt sind Rekord. Dennoch hat die Landesregierung Ernst gemacht mit ihrer Androhung, dass alle die Sparzwänge zu spüren bekommen werden. Die einen merkten es mehr, andere weniger, ganz andere gar nicht. Obwohl Bildung, Jugend und Familie eigentlich zur Tabuzone erklärt worden waren, strich die Regierung den Landesjugendplan zusammen. Gleichzeitig aber erhalten die Landwirte nun mehr als zu rot-grünen Zeiten. Die Faust in der Tasche machen auch die Polizisten und Finanzbeamte. Die bislang selbständigen Polizeipräsidien Leverkusen und Mülheim an der Ruhr werden zu Filialen herabgestuft und den Zentralen in Köln, beziehungsweise Essen unterstellt. Und für die Oberfinanzdirektionen in Düsseldorf und Köln hat die Landespolitik die "Vermählung" vorgesehen. Die ewigen Konkurrenten vom Rhein sind alles andere als begeistert. Einen öffentlichkeitswirksamen Coup konnten die Koalitionäre beim politischen Nebenschauplatz "Reiterstaffel" landen. Ein eher untergeordnetes Politikfeld allerdings mit psychologischer Qualität. Immerhin gelang es Jürgen Rüttgers und seinem FDP-Innenminister Ingo Wolf damit, zumindest einen Teil der aufgebrachten Polizisten wieder etwas versöhnlicher zu stimmen.

Rot-Grün hatte die NRW-Reiterstaffel unter lauten Protesten der Union abgeschafft. Nun reiten sie wieder für Recht und Gesetz. Allerdings auf einer Basis, wie es auch der liberale Koalitionspartner mag. Ingo Wolf der zuständige Innenminister, FDP.

"Wir hatten hoheitliche Reiter auf hoheitlichen Pferden. Jetzt, nach dem Motto: 'Privat vor Staat', haben wir hoheitliche Reiter auf privaten Pferden. Jetzt haben wir ein Leasingmodell."

Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft sollen die Leasingpferde dienstfähig sein, um dann der Polizei - bei einem Meter achtzig Stockmass - im Angesicht von emotionalisierten Fans Respekt zu verschaffen. Für Jürgen Rüttgers war die Wiederbelebung der Reiterstaffel so etwas wie eine Herzensangelegenheit und zwar eine symbolische. Auch beweist er mit diesem Schritt Traditionsbewusstsein. Das Pferd ist nämlich im Wappen von Nordrhein-Westfalen für jedermann erkennbar. Insofern hat Rüttgers in Zeiten harter Sparzwänge für das Bindestrichland tatsächlich etwas zurück gewonnen.