Alles mischt sich

Von Markus Rimmele · 22.05.2013
Chinesen kochen am liebsten mit frischem Geflügel. Doch seit dem Ausbruch der Vogelgrippe sind die Geflügelmärkte des Landes als Virenbrutstätten in Verruf geraten. Wissenschaftler sehen dort den Schlüssel zur Infektionsausbreitung.
Wer chinesische Lebensmittelmärkte besucht, darf nicht zimperlich sein. Der Shayuan-Markt in der südchinesischen Metropole Guangzhou etwa. Neben all dem Obst und Gemüse gibt es hier auch lebendige Hühner zu kaufen. Sie sind zu mehreren in kleinste Käfige gequetscht, dicht an dicht. Das erzeugt Platzangst nur beim Hinschauen. Die Tauben haben es nicht besser. Sie können am Marktstand dabei zusehen, wie eine von ihnen nach der anderen geschlachtet wird. Ein Kunde kommt, zeigt auf einen Vogel, und los geht’s.

"Das Fleisch von frisch geschlachteten Tauben ist besser", sagt der Händler Guo Yaorong. "Wenn die Vögel schon eine Weile tot sind, nimmt die Qualität ab. Wir schlachten durch einen Schnitt durch die Gurgel. Man muss die Taube ausbluten lassen. Danach wird sie in heißes Wasser geschmissen, die Federn werden gerupft. Dann aufschneiden, die Innereien raus. Ganz einfach. Das dauert keine 20 Sekunden."

Vogelblut, Exkremente, Speichel – alles mischt sich hier. Dazwischen der Mensch. Märkte wie diesen gibt es zu Hunderttausenden in China. Chinesen kaufen heute zwar auch in modernen Supermärkten ein. Doch speziell Geflügel wollen viele nur frisch geschlachtet. Eine gefährliche Gewohnheit. Die Märkte, sagen Wissenschaftler, sind Brutstätten für Viren. Ihretwegen breiten sich Vogelgrippe-Erreger speziell in China besonders stark aus.

"Wenn sich das Virus erst einmal auf dem Markt festgesetzt hat, dann bleibt es da auch", sagt Malik Peiris, Virologe an der Universität Hongkong. "Es springt von einem Vogel auf den nächsten über. Denn dort kommt laufend neues Geflügel dazu, während anderes geschlachtet wird. Das ist ein ideales Umfeld für das Virus, um zu überleben. Diese Märkte sind also wie ein Speicher und ein Verstärker für den Erreger."

Geflügelmärkte als Viren-Verteil-System

Auch das jüngste H7N9-Virus hat sich höchst wahrscheinlich über die Märkte verbreitet. Das erklärt die regionale Häufung der Infektionen in der Region Shanghai. Händler transportieren Lebendgeflügel von Markt zu Markt. Käfige und Kisten mit infizierten Exkrementen machen die Runde. Ein perfektes Viren-Verteilersystem. Das offenbar leicht zu durchbrechen ist. Anfang April stoppte Shanghai den Verkauf von Lebendgeflügel. Prompt gingen die Infektionen zurück. Seit drei Wochen haben sich in der Stadt keine Menschen mehr angesteckt. Auf die Schnelle wird es kaum möglich sein, die unzähligen Geflügelmärkte landesweit zu schließen. Das wäre zudem höchst unpopulär. Doch trotzdem lässt sich etwas tun. Malik Peiris spricht aus der Hongkonger Erfahrung.

"Man sollte den Markt für einen oder zwei Tage im Monat schließen, sodass dort überhaupt kein Geflügel mehr vorhanden ist. Damit ist die Ansteckungskette unterbrochen. Eine andere Maßnahme wäre, dass man das Halten von Lebendgeflügel über Nacht verbietet. Wir konnten in Hongkong nachweisen, dass beides eindeutig die Ausbreitung stoppt."

Die chinesische Regierung hat bislang keine neuen Regeln für Märkte erlassen. Doch es ist durchaus denkbar, dass der Verkauf von lebenden Vögeln in großen Städten wie Shanghai ganz verboten bleibt.

"Taube wird bei uns in Suppe gekocht oder in Sojasauce geschmort", sagt der Markthändler Guo Yaorong. "Hier in Guangzhou schneiden wir sie auch in Stücke, dämpfen oder schmoren sie. Aber meistens wird Suppe daraus."

Daran wird sich bestimmt nichts ändern. Doch die Taube, die kommt dann in Zukunft vielleicht nicht mehr direkt vom Schlachtertisch, sondern aus dem Kühlfach.
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