Alles andere als ein Rührstück
Die Oper „La Bohème“ am Theater Chemnitz setzt den Akzent auf die Sozialstudie und wurde einhellig gelobt. Eine missglückte Inszenierung nennen die meisten Kritiker dagegen „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ am Nationaltheater Mannheim.
Puccinis „La Bohème“ – das sind große Gefühle. Manch empfindsame Seele zückt bei der Geschichte der armen, kranken Mimi und ihren lebenshungrigen jungen Künstlerfreunden schon mal das Taschentuch.
Dietrich Hilsdorf, der „La Boheme“ in Chemnitz auf die Bühne gebracht hat, war Puccinis Oper allerdings zu sentimental. Der Regisseur hat sich daher an der Romanvorlage von Henri Murger orientiert – und die setzt den Akzent auf die Sozialstudie. Das schlägt, sich so Christiane Hamann-Pönisch in der „Chemnitzer Morgenpost“, auch im Bühnenbild nieder:
" ... eine monströse Gewölbedecke, darunter die immer präsente Künstlerkemenate, rundherum heruntergekommenes Straßen- und Kneipenleben. Lotterleben in einer verlotterten Gesellschaft ohne Werte und Würde, ob damals in Paris oder heute in Posemuckel, das hat Hilsdorf – bei einigen Ungereimtheiten und seltsamen Kurzpausen – überdeutlich hingekriegt.“
In dieser Künstlerkemenate, einer armseligen Mansarde, hausen die vier mittellosen Künstler, dort verlieben sich Mimi und der dichtende Rodolfo ineinander, und dort haucht auch die schöne, schwindsüchtige Mimi schließlich ihr Leben aus – in einer Zinkbadewanne. „Alle sind da und lächeln mir zu“, singt die Todgeweihte, während ihre vier Freunde zuschauen. Mit Opernstar Anna Netrebko, die als Mimi glänzte, könne Judith Kuhn natürlich nicht mithalten, aber sie erntete für ihre Interpretation durchaus viel Lob.
„Judith Kuhn ist keine Netrebko“, " stellte Fazit Kritiker Jörn Florian Fuchs fest. " Sie ist manchmal etwas übersteuert, etwas unsicher in den Höhen, aber ich finde, es sind sehr, sehr schöne Bögen, die sie singt. Sie hat auch einen sehr exquisiten Husten. Wenn man, – es ist nicht böse gemeint – es zusammenfasst: im Husten gleichen sie sich sehr, die beiden.“
Die Chemnitzer „Bohème“ ist, da sind sich die Kritiker einig, alles andere als ein Rührstück. Dass die Inszenierung frei von kitschiger Melancholie und sentimentaler Ergriffenheit ist, erfreut auch Jens Daniel Schubert in der „Sächsischen Zeitung“. Er lobte Generalmusikdirektor Frank Beermann, das Orchester und den Chor:
„Dieser Puccini hat Farbe, Dichte und Dramatik, und das wohldosierte reduzierte Sentiment tut ihm gut.“
Homepage La Bohème am Theater Chemnitz
Nationaltheater Mannheim „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“
Friedrich Schiller scheint mit seinem Theaterstück „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ kein Glück zu haben. Jedenfalls nicht in Mannheim. Dort fiel das Stück um Machtkämpfe in Genua bereits 1784 durch. Und auch jetzt wurde Regisseur Markus Lobbe für seine Inszenierung des republikanischen Trauerspiels aus dem 16. Jahrhundert kräftig ausgebuht.
Eine missglückte Inszenierung – darüber sind sich die meisten Kritiker einig. Für Monika Frank von der „Rhein-Neckar-Zeitung“ ist Lobbes „Fiesco“ eine „öde Provinzposse vor bombastischer Kulisse“. Der Regisseur hätte lieber die Finger von dem Stück lassen sollen. Statt die rivalisierenden Gruppen, die um die Nachfolge des greisen Doria streiten, klar zu trennen, sei alles eine Einheitssoße, die Figuren seien nicht differenziert, beklagt Monika Frank. Vier Schauspieler wollen das Stück allein stemmen – das verwirre.
„Thorsten Danner, Reinhard Mahlberg, Klaus Rodewald und Ragna Pitoll lümmeln zu Beginn der Aufführung auf einem Sofa herum, teilen die zwölf wichtigsten Rollen untereinander auf und grinsen sich eins beim Verlesen von Schillers altertümlichen Charakterdefinitionen: ‚stolz mit Anstand‘, ‚hagrer Wollüstling‘ oder ‚ausgetrockneter Hofmann‘.“
Auch Ralf Carl Langes kritisiert im „Mannheimer Morgen“ die Inszenierung. Das Bühnenbild missfällt ihm – vor allem Kleiderständer, die das gesichtslose Volk darstellen sollen –, und vieles sei verschenkt sei.
„Regisseur Lobbes hält den Zuschauer bewusst dumm, und selbst profunde Textkenntnis hilft an diesem Abend nichts. Emotionen hat die Regie den Mimen ausgebürstet, Schillers Pathos wird ironisiert, was Reiz hätte haben können, wäre es nicht – einfallslos plump – meckernd verhöhnt worden.“
Auf dem Internetportal „Nachtkritik.de“ gefällt Harald Raab allerdings gerade das. Schillers sonst so gestelzt daherkommende Sprache sei in ein menschliches Maß transportiert worden: verständlich und eben ohne Pathos.
Aber alles in allem: hundert Minuten „Fiesco“, die sich in Mannheim für die meisten Kritiker
und Besucher enervierend in die Länge zogen.
Homepage „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ am Nationaltheater Mannheim
Dietrich Hilsdorf, der „La Boheme“ in Chemnitz auf die Bühne gebracht hat, war Puccinis Oper allerdings zu sentimental. Der Regisseur hat sich daher an der Romanvorlage von Henri Murger orientiert – und die setzt den Akzent auf die Sozialstudie. Das schlägt, sich so Christiane Hamann-Pönisch in der „Chemnitzer Morgenpost“, auch im Bühnenbild nieder:
" ... eine monströse Gewölbedecke, darunter die immer präsente Künstlerkemenate, rundherum heruntergekommenes Straßen- und Kneipenleben. Lotterleben in einer verlotterten Gesellschaft ohne Werte und Würde, ob damals in Paris oder heute in Posemuckel, das hat Hilsdorf – bei einigen Ungereimtheiten und seltsamen Kurzpausen – überdeutlich hingekriegt.“
In dieser Künstlerkemenate, einer armseligen Mansarde, hausen die vier mittellosen Künstler, dort verlieben sich Mimi und der dichtende Rodolfo ineinander, und dort haucht auch die schöne, schwindsüchtige Mimi schließlich ihr Leben aus – in einer Zinkbadewanne. „Alle sind da und lächeln mir zu“, singt die Todgeweihte, während ihre vier Freunde zuschauen. Mit Opernstar Anna Netrebko, die als Mimi glänzte, könne Judith Kuhn natürlich nicht mithalten, aber sie erntete für ihre Interpretation durchaus viel Lob.
„Judith Kuhn ist keine Netrebko“, " stellte Fazit Kritiker Jörn Florian Fuchs fest. " Sie ist manchmal etwas übersteuert, etwas unsicher in den Höhen, aber ich finde, es sind sehr, sehr schöne Bögen, die sie singt. Sie hat auch einen sehr exquisiten Husten. Wenn man, – es ist nicht böse gemeint – es zusammenfasst: im Husten gleichen sie sich sehr, die beiden.“
Die Chemnitzer „Bohème“ ist, da sind sich die Kritiker einig, alles andere als ein Rührstück. Dass die Inszenierung frei von kitschiger Melancholie und sentimentaler Ergriffenheit ist, erfreut auch Jens Daniel Schubert in der „Sächsischen Zeitung“. Er lobte Generalmusikdirektor Frank Beermann, das Orchester und den Chor:
„Dieser Puccini hat Farbe, Dichte und Dramatik, und das wohldosierte reduzierte Sentiment tut ihm gut.“
Homepage La Bohème am Theater Chemnitz
Nationaltheater Mannheim „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“
Friedrich Schiller scheint mit seinem Theaterstück „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ kein Glück zu haben. Jedenfalls nicht in Mannheim. Dort fiel das Stück um Machtkämpfe in Genua bereits 1784 durch. Und auch jetzt wurde Regisseur Markus Lobbe für seine Inszenierung des republikanischen Trauerspiels aus dem 16. Jahrhundert kräftig ausgebuht.
Eine missglückte Inszenierung – darüber sind sich die meisten Kritiker einig. Für Monika Frank von der „Rhein-Neckar-Zeitung“ ist Lobbes „Fiesco“ eine „öde Provinzposse vor bombastischer Kulisse“. Der Regisseur hätte lieber die Finger von dem Stück lassen sollen. Statt die rivalisierenden Gruppen, die um die Nachfolge des greisen Doria streiten, klar zu trennen, sei alles eine Einheitssoße, die Figuren seien nicht differenziert, beklagt Monika Frank. Vier Schauspieler wollen das Stück allein stemmen – das verwirre.
„Thorsten Danner, Reinhard Mahlberg, Klaus Rodewald und Ragna Pitoll lümmeln zu Beginn der Aufführung auf einem Sofa herum, teilen die zwölf wichtigsten Rollen untereinander auf und grinsen sich eins beim Verlesen von Schillers altertümlichen Charakterdefinitionen: ‚stolz mit Anstand‘, ‚hagrer Wollüstling‘ oder ‚ausgetrockneter Hofmann‘.“
Auch Ralf Carl Langes kritisiert im „Mannheimer Morgen“ die Inszenierung. Das Bühnenbild missfällt ihm – vor allem Kleiderständer, die das gesichtslose Volk darstellen sollen –, und vieles sei verschenkt sei.
„Regisseur Lobbes hält den Zuschauer bewusst dumm, und selbst profunde Textkenntnis hilft an diesem Abend nichts. Emotionen hat die Regie den Mimen ausgebürstet, Schillers Pathos wird ironisiert, was Reiz hätte haben können, wäre es nicht – einfallslos plump – meckernd verhöhnt worden.“
Auf dem Internetportal „Nachtkritik.de“ gefällt Harald Raab allerdings gerade das. Schillers sonst so gestelzt daherkommende Sprache sei in ein menschliches Maß transportiert worden: verständlich und eben ohne Pathos.
Aber alles in allem: hundert Minuten „Fiesco“, die sich in Mannheim für die meisten Kritiker
und Besucher enervierend in die Länge zogen.
Homepage „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ am Nationaltheater Mannheim