Allenfalls ein Paradieschen

Von Jörn Florian Fuchs |
Zwar lobt Hans Magnus Enzensberger André Heller im Programmheft als den Erfinder von immer neuen Paradiesen. In der neuen Show "Magnifico" ist auch manches fabelhaft, letztlich aber bleibt alles nur eine auf Hochglanz polierte Oberfläche.
Erst ganz am Ende erscheint Magnifico, jenes sagenumwobene Einhorn aus André Hellers Privatmythologie, das ihm einst als Kind beim Einschlafen half. Mit weißem Fell schreitet es durch die Manege, auf der Stirn prangt das Titel gebende Horn. Natürlich ist es nicht echt, denn obwohl Heller eine einschlägige Vergangenheit als Zauberkünstler hat, reichen seine Kräfte doch nicht zum Import "realer" Fabelwesen aus …

In der neuen, zwölf Millionen Euro teuren Show ist immerhin manches fabelhaft. Etwa die ungemein gelenkigen Chinesen, die mal virtuose Kampfsport-Akrobatik bieten, dann wieder ruhigere, konzentrierte Kunststücke darbieten. Ob aber das einmal misslungene, beim zweiten Anlauf dafür umso bravouröser geglückte Experiment mit den Suppenlöffeln so geplant war oder aus Versehen passierte, wer weiß es schon genau? Es ging so: Ein Chinese balanciert zunächst stupend mit Tellern, dann schießt er gleichsam aus der Hüfte und befördert aus selbigen Suppenschüsseln inklusive Löffeln eine Etage höher. Alles hält irgendwie, nur ein Löffel fällt daneben. Die Kollegen lachen ihn aus, er wiederholt das Ganze – und nun klappt's.

Weniger überzeugend waren die oft langatmigen, bisweilen ausufernden Choreographien, da jonglierte etwa ein Dutzend Anzugträger mit schwarzen Hüten oder man sah allerlei Beckenbodengymnastik in nicht immer geschmackssicheren Kostümen. Immerhin ist es eindrucksvoll, wenn sich nach einer Breakdance-Attacke einiger Jungs plötzlich ein Pferd zur Musik kreisend am Boden bewegt, aber das ist eben nur einmal spektakulär, beim zweiten Mal bereits ein verbrauchtes Bild.

Überhaupt wirkt vieles an diesem Abend redundant, merkwürdig uninspiriert und zusammengestückelt. Zwar wollte André Heller nach eigenem Bekunden keine Geschichte erzählen, aber einfach nur ein Pferdchen hier, ein paar Chinesen dort, einige Takte Flamenco, grelle Lichteffekte und diverse Clownerien? Das ist denn doch etwas wenig. Hinzu kommt eine ohrenbetäubende, manchmal äußerst unsinnliche Klangkulisse aus übersteuertem Radetzkymarsch, Mozart, Jazz, Techno-Gewummer und schrägem Obertongesang. Im Ohr bleibt davon am Ende wenig, im Auge und Hirn bleiben vor allem ein paar kürzere Szenen: Zum Beispiel die kopfüber herunterhängende – dazu mit Bällen jonglierende! – Artistin oder diverse Schattendivertimenti, hier entstehen aus echten Menschen ebenso echt wirkende Bilder mit Tieren und allerlei seltsamen Dingen. Fantastisch in mehrfachem Sinne war auch eine Jodelspinne, das bunt-bedrohliche Wesen beginnt als Chansonette und mutiert bald zur fulminanten Volksmusikkünstlerin.

An manchen Stellen gewinnt man den Eindruck, dass Heller mit emblematischen Werken der Bildenden Kunst spielt. Magritte-Hüte tauchen auf, schwimmende Formen à la Salvador Dali wandern vorüber, schwarz-weiße Filmbilder werden projiziert. Doch letztlich bleibt alles irgendwie nur eine auf Hochglanz polierte Oberfläche ohne doppelten Boden und dabei nicht immer so poetisch wie das wunderbare Ballett von Seepferdchen und Tiefseequallen.

Gespielt wird "Magnifico" in eigens für diese Show errichteten Zelten, bei der VIP-Premiere taten sich allerlei echte Prominenz und Adabeis an milder Ochsenschwanzsuppe und harten Cocktails gütlich. Die österreichische Politik war in Form von Gabi Burgstaller und Rudolf Scholten repräsentiert, die übrige Gästeliste beinhaltete neben unzähligen Vertretern europäischer Adelshäuser mindest ebenso viele B und C-Promis (darunter sicher ein paar Kandidaten fürs nächste Dschungelcamp). Nur ein Name ragte heraus: Hans Magnus Enzensberger. Dieser hielt sogar im Programmheft eine kleine Eloge auf Heller: als den Erfinder von immer neuen Paradiesen. "Magnifico" ist indes allenfalls ein Paradieschen.