Allein unter Männern

Von Renate Dobratz · 30.03.2006
Die deutsche Comedy- und Kabarettszene boomt zwar, doch Frauen sind dort immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Meistens müssen sich in bestimmte Rollen oder seltsame Putzfrauenkostüme zwängen, um überhaupt einen Auftritt zu erhalten. Nicht so Anny Hartmann: Sie gehört zu den wenigen Stand-up-Comedians, die "einfach so" auf die Bühne gehen.
Moderator: "…Mein nächster Gast wird etwas Licht ins Dunkel bringen: Hier ist aus Berlin die wunderbare Anny Hartmann!"

Hochhackige Glitzerschuhe, blonde Locken und einen tiefen Ausschnitt - so kann man Anny Hartmann wirklich gar nicht beschreiben. Nein: Sie tritt so auf, wie sie ist. Klein, stämmig, mit Brille und kaum geschminkt. Sie verkleidet sich weder als singende Diva noch als schrullige Hausfrau.

Anny Hartmann: "Ich geh zum Beispiel nicht als Putzfrau auf die Bühne, also ich verkleid mich nicht, ich singe nicht, ich mach nicht sonst irgendwelche Faxen, sondern ich geh einfach, wie Männer sich das durchaus jederzeit rausnehmen, einfach auf die Bühne mit meiner Meinung und meiner Sicht der Dinge und bring die Leute damit zum Lachen."

Denn Anny macht einfach gerne Witze. In der rheinischen Hochburg des Frohsinns ist sie aufgewachsen, in Köln. Doch das war erst überhaupt gar nicht lustig. Als Kind war Anny sehr unglücklich mit ihren Eltern, ihre Kindheit alles andere als behütet. Aber sie begegnete ihrem Leben mit einer gehörigen Portion Galgenhumor.

"Zum Beispiel, immer wenn mein Vater zu mir gesagt hat: 'So lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst…!' Habe ich immer gesagt: 'Wieso, das ist doch gar nicht dein Tisch, der gehört der Bank!'"

Anny versuchte zunächst ein "normales" Leben zu führen: Sie schloss mit Ende 20 ihr Studium der Volkswirtschaftslehre ab und wurde Sparkassenangestellte. Aber der Ärger über gesellschaftliche Verhältnisse zog sie immer wieder ins Kabarett. Fasziniert von dieser Art, eine Meinung zu verbreiten:

"Also, die Leute glauben nicht direkt, was sie da hören, d.h. man kann auf der Bühne auch über heikle Themen doch auch Witze machen, weil es die Leute erstmal nicht so schockt, weil sie davon ausgehen, dass es erstmal nicht stimmt. ich glaub aber doch, dass sie unterbewusst 'ne Wahrhaftigkeit doch schon spüren."

Sie sah dabei zu, wie Comedy in den 90er Jahren boomte. Doch die Künstler waren meistens Männer. Wenn mal eine Frau auf der Bühne stand, dann selten mit dem Anspruch, einfach lustig zu sein. Höchstens im Schutz einer Art Putzfrauen-Verkleidung, die schnell zum Klischee für lustige Frauen wurde.

"Es geht ja keiner hin, und sagt: 'So, Frauen dürfen nur singen', fast alle Frauen, die halt jemals Kleinkunstpreise, sonst irgendwas bekommen haben, sind "Diseusen" oder singen Chansons, oder so was und das hat mich immer tierisch geärgert, weil ich immer gedacht habe, warum lässt man sich so einschränken, weil das kommt ja aus den Frauen selber, das ist ja nicht, es gibt ja kein Gesetz, das sagt 'Frauen dürfen das nicht'."

Einfach so, als Stand-Up-Komikerin selbstbewusst vor ein Mikro zu treten, das gab es bei Frauen kaum. Nach jahrelangem Zukucken hatte Anny sich genug darüber geärgert, und sie machte es einfach selbst: Späße auf der Bühne. Mit einem Ziel dahinter:

"Lachen ist 'ne schöne Möglichkeit, was zu vermitteln und ich glaube an so kleine Schritte. Ich glaube einfach, wenn Leute einen schönen Abend hatten, dass sie am nächsten Morgen freundlich sind zur Bäckereiverkäuferin, die ist freundlich zum nächsten Kunden, also ich glaube, dass man damit vielleicht, wenn auch im Kleinen, so einen Beitrag dazu bringen kann, dass es ein bisschen besser aussieht auf der Welt, wenn die Leute halt viel gelacht haben an einem Abend,…"

…und inzwischen bringt Anny Hartmann viele Leute zum Lachen. Ihre Texte sind auch in den Programmen anderer Kollegen unterwegs, für die sie Regie führt. Sie selbst tritt regelmäßig im Fernsehen und auf Kleinkunst-Bühnen in ganz Deutschland auf. Sehr oft ist sie dabei immer noch die einzige Frau in einer gemischten Show. Bei der Entscheidung, eine mit ins Programm zu nehmen, kommt es den Veranstaltern noch viel zu oft aufs Äußere an. Anny wird zum Beispiel geraten, sich Zöpfchen zu machen und mehr zu schminken.

"Und dann kommen dann so Sprüche wie so 'ja, du bist ja eh nur die Quotenfrau#. Also selbst wenn man dann was erreicht, wird einem das genommen, indem man sagt 'Ja, das hast du ja nur, weil du 'ne Frau bist'."

Auftritt: "Ich hab neulich mit 'nem Kollegen zusammen gespielt, der nennt sich der Frauenflüsterer. Denkt man so spontan: hmm, der weiß was Frauen hören wollen, denk ich: nach der Show, unterhalt dich mal mit dem. Er bietet mir auch direkt ein Bier an und ich sach so: Nee, ich rauche nicht und trinke nicht. Da guckt er mich echt so von oben bis unten an und sacht nur: Na, dafür isst du ja ganz gern! (Applaus…) Fürn 'Frauenflüsterer' nicht schlecht, wa?!"

Köln hat Anny übrigens längst den Rücken gekehrt und ist nach Berlin gezogen. Hier schätzt sie eine größere Vielfalt in der Kleinkunstszene, billigere Mieten und einen besseren öffentlichen Nahverkehr.

Auf ihren vielen Reisen ist die kleine Malteser-Hündin "Schneewante" mit dabei. Sie ist ein guter Trost, wenn mal etwas nicht so gut läuft. Denn dann sind Frauen ja meistens ganz schlecht drauf. Aber ein gesundes Maß Selbstzweifel ist eine Eigenschaft, die Frauen und Männer weiter bringen kann. Und als gute Komikerin hat Anny schließlich gelernt, auch über sich selbst Witze zu machen.

Auftritt: "Was macht 'ne Frau, wenn sie was nicht perfekt hinkriegt? Stellt sich komplett in Frage. Auch wenn ich 'n schlechten Auftritt hatte, denk ich mir nicht, komm, morgen läuft's besser, nein, dann denk ich mir so: (seufzt) haa, och Mann… der Job ist nichts für mich… Die Bühne steht mir auch gar nicht!" (lachen im Publikum) "Vielleicht sollte ich erst mal abnehmen! Oder nur noch bei Kerzenlicht spielen… Eigentlich bin ich gar nicht lustig, hat auch noch nie jemand gelacht, wär ich doch bei der Sparkasse geblieben!" (Lachen).

Service:
Am Freitag, den 31.3., können Sie Anny Hartmann live im Fernsehen sehen: Um 22 Uhr 30 in Bayern 3. Dort tritt sie in "Ottis Schlachthof" auf. Als einzige Frau unter Männern.