Allein auf der Bühne

Von Anja Penner-Wenz · 23.09.2009
Die 32-jährige Schauspielerin Katharina Kwaschik zieht durch die ostdeutsche Provinz und spielt in stillgelegten Bahnhöfen, Dorfscheunen oder geschlossenen Kinos Theater. Dort hofft sie, ein verschwunden geglaubtes Publikum wiederzufinden.
"Ich kann mich auch auf die Bühne stellen... Ich WILL mich auf die Bühne stellen!"

Mit einem Satz springt die zarte Katharina Kwaschik samt Akkordeon auf die Bühne. Ihre strubbeligen dunkelblonden Haare umrahmen ihr strahlendes Gesicht. Bevor sie zu singen beginnt, schließt sie die Augen.

Katharina Kwaschik spielt Wendla Teusch, eine junge Frau, die an einem Gesangswettbewerb teilnimmt - einen Monolog für eine Frau von Theresia Walser. An der Vagantenbühne in Berlin hatte alles angefangen: Aus dem ursprünglichen Vorhaben, eine Vorsprechrolle einzustudieren, wurde die Idee geboren, "Kleine Zweifel" von Theresia Walser als gesamtes Stück aufzuführen.

"Und dann hat sich das so angefühlt wie… ja, als hätte ich so 'ne Art Basis gefunden. Okay, das ist jetzt 'n Stück, mit dem kann ich noch viele Jahre unterwegs sein, das kann wachsen, das kann sich mit mir verändern, und ich kann damit viele Aufführungen machen, egal wo, weil das halt nur ich bin, nur der Koffer - so."

Die Lieder, die diese junge Frau beim Gesangswettbewerb vorträgt, hat Katharina Kwaschik selbst geschrieben und begleitet sich auf dem Akkordeon. Die 32-jährige Katharina Kwaschik war schon als Kind sehr musikalisch, spielte Geige und galt als hochbegabt. Aufgewachsen ist sie als Pfarrerstochter mit drei Geschwistern in einem 800-Seelen-Dorf in Sachsen-Anhalt.

"Ich hab mich immer in so 'nem Zwiespalt empfunden, so ein bisschen wie zwischen den Stühlen oder zwischen den Welten zu sein, auf der einen Seite in diesem Pfarrhaus zu leben und auf der anderen Seite die Schule oder das System und ich als Kind hab versucht zu sehen: Wer hat jetzt recht? Ja, woran kann ich mich orientieren?"

Als sie mit 14 Jahren ein Internat besuchte, begann Kwaschik Theater zu spielen.
Für sie ein geeignetes Mittel, Gefühle in konkrete Bilder zu übersetzen, sich auf einmal anders ausdrücken zu können.

"...mit Sprache und irgendwie aktiver sozusagen, nicht nur für mich selber, sondern im Kontakt mit anderen Leuten und auch, um was zu erzählen und gleichzeitig viele zu erreichen damit, das hat mich sehr fasziniert.""

Diese Faszination hat sich bis heute gehalten. Als Gast spielt Katharina Kwaschik am Weimarer Nationaltheater. Gleichzeitig ist es ihr wichtig, sich ihre Unabhängigkeit als Schauspielerin und Musikerin zu bewahren.

"Ich will selber verantwortlich sein für das, was ich tue und zwar voll. Ich habe ein sehr großes Interesse daran, den Kontakt zu knüpfen zu Menschen und auch sozusagen die Art selber zu bestimmen, wie Dinge passieren sollen."

Dies tut sie, indem sie - wie sie es nennt - "periphere Theaterabende" veranstaltet. Als fahrende Schauspielerin tingelt sie mit Koffer und Akkordeon durch die ostdeutsche Provinz, um ein "verschwunden geglaubtes Publikum" wiederzufinden und um Menschen mit ihrem Theater zu erreichen, die an der kulturellen Peripherie leben.

"Ich verspüre eine unglaubliche Frustration und einen großen Schmerz darüber, dass nach der Wende so viel kaputtgegangen ist in der DDR. Und dass einfach Existenzen zerstört wurden, platt gewalzt, abgewickelt wurden, Kultur nur noch minimal subventioniert wird und dadurch nicht mehr so vielen Leuten zugänglich ist. Ja und einfach viel geschlossen wird und tot ist dann."

Kein Wunder, dass Kwaschik sich als Aufführungsorte vornehmlich stillgelegte Bahnhöfe, Dorfwiesen, Schlossruinen oder geschlossene Kinos aussucht, um diesen verlassenen Orten - für einen Moment jedenfalls - wieder Leben einzuhauchen.

"Es werden 60 Stühle aufgestellt und dann füllt sich das und dann sitzen da 50 bis 60 Leute gemischten Alters, also von 10 bis 70, würd' ich sagen.""

Die Einwohner freuen sich, wenn in ihrem Ort ein kulturelles Ereignis stattfindet und nehmen regen Anteil daran. Die Theatermacherin Kwaschik gibt zu, sie habe oft Bedenken gehabt, ob die Sprache des Stücks nicht doch zu fremd für ein Publikum sei, das eher theaterunerfahren ist. Doch sie stellte erstaunt das Gegenteil fest:

"Die haben gesagt, dass es ihnen total gut gefallen hat, dass sie sich wiedererkannt haben darin, ich dachte 'Wow!', 'ne 70-jährige Bäuerin erkennt sich wieder in so 'ner jungen Frau, die an einem Gesangswettbewerb teilnimmt."

Indem sie in die Rolle der von Selbstzweifeln geplagten jungen Frau schlüpft, möchte Katharina Kwaschik, ihren Zuschauern ermöglichen, für einen Moment die Perspektive zu wechseln.

Der nächste Spielort, den Katharina Kwaschik ins Auge gefasst hat, liegt in einem kleinen Dorf in der Nähe von Heiligenstadt. Dort hatte sich noch lange Zeit ein Konsum gehalten, ein Lebensmittelladen in der Barackenbauweise, wie sie zu Ostzeiten üblich war. In diesem Jahr wurde er jedoch geschlossen.

"Das ist eigentlich der konkreteste neue Spielort, wo ich unbedingt hin möchte - und wo ich zum ersten Mal 'ne Art Dokumentation drüber machen möchte. Es haben sich schon Leute gefunden, die das filmen und fotografieren wollen..."

Service:

Am 26. September wird Katharina Kwaschik um 20 Uhr in Erfurt im Theatersaal der Landesarbeitsgemeinschaft Puppenspiel auftreten. Für den 3. Oktober ist ein Auftritt im Ex-Konsum in Martinfeld geplant. Weitere Auftrittstermine im Herbst sind in Planung und könnenim Internet abgefragt werden.